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Die Arbeit geht uns nicht aus. Es stellt sich nur die Frage: Kann man mit ihr auch das Leben finanzieren? Viele fordern deshalb, Arbeit neu zu denken.

Das Ende des Neoliberalismus, das nun viele am Wirtschaftshorizont dämmern sehen, könnte dazu genutzt werden, das Thema Arbeit grundlegend neu zu denken. Die Erwerbsarbeit ist ohnehin ständig im Wandel: Neue Technologien und neues Wissen haben Einfluss darauf, wie Arbeit verrichtet wird.

Aber nicht nur das, ebenso die Verteilung der Arbeit auf die Menschen in einer Gesellschaft verändert sich. Derzeit herrscht eine große Diskrepanz zwischen jenen, die in einem Anstellungsverhältnis stehen, und jenen, die zwar Arbeit leisten, dafür aber nicht bezahlt werden - sei es im Haushalt, bei der Pflege von Alten und Kranken, bei der Kindererziehung oder bei ehrenamtlichen Tätigkeiten im Sozialbereich. Zusätzlich gibt es noch jene, die zwar Arbeit suchen, aber keine klassische Form der Erwerbsarbeit bekommen und in prekäre Beschäftigungsverhältnisse abgleiten (siehe Artikel Seite 5).

Österreich ist noch immer von einer sehr klassischen Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau geprägt - auch wenn in den vergangenen Jahren ein leichter Wandel verzeichnet werden konnte. Diese Arbeitsteilung tritt laut WIFO-Arbeitsmarkt-Experte Helmut Mahringer dann noch stärker auf, wenn es im gemeinsamen Haushalt Kinder gibt. Der Mann ist in diesem Fall für die (bezahlte) Erwerbsarbeit zuständig, die Frau bestenfalls für die Aufbesserung des gemeinsamen Einkommens sowie für die (unbezahlte) Familienarbeit. Entsprechend gering ist im internationalen Vergleich der Beschäftigungsgrad von Frauen mit Kindern: Während etwa in Schweden, Dänemark und den Niederlanden rund 70 Prozent der Mütter von Kindern unter drei Jahren berufstätig sind, sind es in Österreich nur 26 Prozent. Die Wirtschaftskrise werde diesbezüglich kaum zu einer Änderung führen, glaubt Mahringer - im Gegenteil: Die Beschäftigung von Frauen sei stärker konjunkturabhängig als jene von Männern.

Doch was, wenn man selbst gekündigt wird? Eigentlich tun sich nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses neue Möglichkeiten und Freiheit auf. Doch nur die wenigsten Arbeitssuchenden vermögen dies so zu sehen. Arbeit zu haben, Geld zu verdienen ist das Um und Auf für die gesellschaftliche Teilhabe. Dabei wäre es so wichtig, sich zunächst grundlegend darauf zu besinnen, was man mit seinem Leben wirklich anfangen will, meint der Philosoph Frithjof Bergmann. Sein Konzept heißt "Neue Arbeit" (bzw. "New Work" und in weiterer Folge "New Culture"). Gemäß Bergmann müsse das System der Lohnarbeit in ein neues, dreigeteiltes System umgewandelt werden. Der Mensch soll künftig ein Drittel seiner Zeit einer klassischen Erwerbsarbeit widmen und sich zu einem Drittel selbst mit Produkten versorgen - indem er etwa im Gewächshaus Gemüse anpflanzt oder in allgemein zugänglichen Zentren Produkte für den täglichen Gebrauch herstellt. Während des letzten Zeitdrittels solle er schließlich jene Dinge tun, die er "wirklich, wirklich" tun möchte, wünscht sich der polyglotte Philosoph mit österreichischen Wurzeln. Hierzu müssten die Menschen aber erst befähigt werden. Die eigenen Wünsche zu formulieren, könne schließlich schwerfallen. Bergmann nennt dies "Armut der Begierde".

Grundlegend für die Ideen des Visionärs ist die Annahme, dass uns die klassische Erwerbsarbeit ausgehen würde. Eine These, die WIFO-Experte Mahringer nicht teilt. Der vermeintliche Rückgang sei in den Daten nicht feststellbar. Vielmehr sei die Anzahl der Beschäftigungsverhältnisse (auch bei arbeitszeitbereinigter Statistik) in den vergangenen Jahrzehnten in Österreich stetig gestiegen. Für die Zukunft geht Mahringer davon aus, dass Bildung ein Schlüssel für sichere Beschäftigung bleibt. "Der vergangene Abschwung hat gezeigt, dass die Höherqualifizierten weniger betroffen waren als Pflichtschulabsolventen", meint der Experte. "Und um auf Bergmann zurückzukommen: Höherqualifizierte Beschäftigung ist auch eine selbstbestimmtere Tätigkeit."

Eine andere Möglichkeit, Arbeit neu zu denken, sehen Befürworter indes im Grundeinkommen. Die Grundbedürfnisse wären durch einen Zuschuss von der öffentlichen Hand gedeckt und man könnte sich darauf konzentrieren, was man wirklich in seinem Leben tun möchte. Die Arbeitnehmer würden sich von der Abhängigkeit der Erwerbsarbeit lösen können. "Mit Hilfe eines existenzsichernden Einkommens, das bedingungslos an alle von der öffentlichen Hand ausbezahlt wird, ein bescheidenes, aber dem Standard der Gesellschaft entsprechendes Leben führen": So beschreibt das Netzwerk Grundeinkommen die Quintessenz ihrer Forderungen (siehe Interview unten). Die Höhe eines solchen Grundeinkommens sollte sich an der Armutsgefährdungsschwelle orientieren, die vom Netzwerk derzeit auf zirka 1000 Euro pro Monat geschätzt wird. Nur dieses Grundeinkommen, glauben die Befürworter, würde die zwei wichtigsten Diskriminierungsfaktoren, die sämtliche Arbeitsmärkte durchziehen - nämlich Geschlecht und Herkunft - zumindest abschwächen.

Von einem solchen Grundeinkommen ist man in Österreich freilich weit entfernt. Geplant ist nur eine "bedarfsorientierte Mindestsicherung". Das noch von Sozialminister Erwin Buchinger (SP) ausgearbeitete Gesamtpaket beinhaltet folgende Maßnahmen: Einführung einer bundesweit einheitlichen Mindestsicherung in Höhe der Ausgleichszulage (heuer 747 Euro brutto, 14-mal im Jahr), Einführung eines Mindestlohns von 1000 Euro, Krankenversicherung für alle Sozialhilfeempfänger, Ausbau mindestsichernder Elemente bei der Arbeitslosenversicherung. Anspruch haben Personen, die arbeitswillig sind und über keine "angemessenen eigenen Mittel" verfügen.

Für den Philosophen und Grundeinkommen-Befürworter Manfred Füllsack greift die bedarfsorientierte Mindestsicherung jedoch zu kurz: Der Kontrollaufwand, der für die Prüfung des "Bedarfs" notwendig ist, sei kontraproduktiv. Es solle vielmehr darum gehen, den Menschen Freiräume zu ermöglichen, in denen selbstdefinierte Experimente mit Arbeit stattfinden könnten - auch mit solcher Arbeit, die vielleicht erst auf lange Sicht ein Einkommen ermöglicht.

Auch Elisabeth Mayerhofer, Geschäftsführerin der IG Kultur Österreich und Mitglied der Forschungsgesellschaft für kulturökonomische und kulturpolitische Studien, sieht die Erwerbsarbeit in einer radikalen Umbruchphase. Das Verhältnis zwischen Arbeitszeit und Einkommen passe nicht mehr zusammen, meint Mayerhofer, die sich ein "Grundeinkommen für alle!" wünscht. Die Flexibilisierung der Arbeitswelt führe nicht nur dazu, dass man sein Leben mit der geleisteten Arbeit oft nicht mehr finanzieren könne (working poor), sondern dass es zu Ausgrenzungen von Personengruppen aus der sozialrechtlichen Absicherung komme. Langfristige Lebensplanung werde unmöglich. All dies sei im Kunst- und Kulturbereich längst gang und gäbe - und bestimme nun die Arbeitsmärkte der Zukunft: hohe Qualifikation der Arbeitenden, mehrere parallele Arbeitsverhältnisse, unterdurchschnittliche Entlohnung, praktisch nicht vorhandene Arbeitnehmervertretungen und schwache soziale Absicherung. Hinzu komme eine "hohe intrinsische Motivation der Arbeitnehmer", so Mayerhofer. "Das heißt konkret: Unorganisierte Hochqualifizierte, die zu Bettellöhnen arbeiten und sich dabei auch noch in Konkurrenzkämpfen aufreiben." Schöne neue Arbeitswelt?

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