Alles ist bestens? Nichts ist gut?

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Grundsicherung oder Grundeinkommen sind keine christlichen Allheilmittel gegen die Armut. Aber - gekoppelt mit (ehrenamtlicher oder bezahlter) Arbeit - über-denkenswerte Modelle.

Die Rede von (bedarfsorientierter) Grundsicherung oder (bedingungslosem) Grundeinkommen und das Feststellen der Vertiefung der Kluft zwischen Armen und Reichen laufen oft parallel. Dabei wird eine Grundsicherung oder ein Grundeinkommen mitunter als Heilmittel gegen die Armut angepriesen. Wenn auch noch die Bemerkung hinzugefügt wird, dass man sich als Christ diesen Vorschlägen eigentlich nicht entziehen dürfe, weil in ihnen das spezifisch Christliche zum Leuchten komme, dann scheint die Sache nicht nur für Christen klar zu sein: Grundsicherung ist das Gebot der Stunde.

Verwirrende Begriffe

Die Vielfalt der Begriffe verwirrt zusätzlich. Was ist eigentlich gemeint? Eine Grundsicherung, die eine Reform der gegenwärtigen Sozialsysteme durch das Einziehen einer unteren Sicherungsgrenze bewirken und damit eine Bekämpfung der Armut gewährleisten soll? Oder ein Grundeinkommen als Basislohn ohne oder mit weiteren sozialstaatlichen Sicherungen? Das Anpreisen wie Ablehnen solcher Maßnahmen bleibt somit unbestimmt - damit aber umso leichter für den politischen Kampf instrumentalisierbar, weil man doch immer sagen kann, man habe es letztendlich anders gemeint. Wenn dann noch dazu gesagt wird, durch die Grundsicherung etwa würden unsere primären Sicherungssysteme wie Sozialhilfe, Krankenversicherung, Pension oder auch Sozialversicherung "armutsfest" gestaltet, so erscheint jede kritische Anfrage als unchristlicher Akt. Als ob mit einer Maßnahme die Armut beseitigt werden könnte!

Als Elemente einer umfassenden Strategie sind diese Vorschläge aber diskussionswürdig, ja notwendig zu diskutieren. Als Ausgangspunkt muss man sich dabei der Frage stellen, auf welchen anthropologischen Grundlagen der Sozialstaat fußt. Ich sehe zwei wichtige Ausgangspunkte: die Ergänzungsbedürftigkeit des Menschen wie auch seine Fähigkeit, sich selbst zu helfen. Ohne die Berücksichtigung der Ergänzungs-und Hilfsbedürftigkeit pervertiert der Sozialstaat zum entwürdigenden liberalen Nachtwächterstaat; und ohne das Miteinbeziehen der Fähigkeit des Menschen, sich selbst zu helfen, zum ebenso entwürdigenden, weil das menschliche Potenzial nicht hebenden, Versorgungsstaat.

So muss bei Vorschlägen einer Grundsicherung oder eines Grundeinkommens die Frage nach dem Verhältnis zur Arbeit gestellt werden. Das gilt besonders dort, wo sich die Höhe des vorgeschlagenen Betrages mit dem realen Verdienst ungefähr trifft. Man kann ja nicht unbedingt davon ausgehen, dass die arbeitenden Menschen dann, wenn sie durch die Arbeit nicht unterscheidbar mehr verdienen als durch die garantierte Sicherung, mit offizieller Arbeit und den damit verbundenen Steuerleistungen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass diese Sozialleistung auch finanziert werden kann. Ohne das Miteinbeziehen dieser Möglichkeiten könnte die Gesellschaft nur zu leicht zu einer Schwarzarbeitergesellschaft werden, die die Grundlagen für die Grundsicherung aushöhlt.

Beglückende Arbeit

Für realistischer und auch für menschenwürdiger halte ich deswegen Konzepte einer Grundsicherung oder eines Grundeinkommens mit Arbeit. Wenn wir davon ausgehen, dass Arbeit zur Selbstentfaltung beitragen kann, so ist es meines Erachtens unsere Aufgabe, uns um eine der Entfaltung dienende Arbeit zu bemühen. Konzepte von Grundsicherung, mehr noch von Grundeinkommen, stehen ja meist im Kontext sich verschärfender Arbeitslosigkeit. Unter der Prämisse, dass es Vollbeschäftigung nicht mehr geben wird, ist Grundsicherung notwendig. Aber sollen wir diese Prämisse so ungefragt akzeptieren? Gilt nicht vielmehr: "Wenig Arbeit, viel zu tun?" Ist es nicht so, dass wir viele für die Gesellschaft oder die Entwicklung des Einzelnen notwendige Tätigkeiten nicht als Arbeit sehen und deswegen einen Arbeitsmangel haben? Die Pflegedebatte hat das ja deutlich gezeigt. In einem Arbeitsmix von solchen Tätigkeiten, die vom Staat finanziert werden, und von Arbeit auf dem Markt wird nicht nur der traditionelle Arbeitsmarkt entlastet, sondern auch der soziale Zusammenhang gestärkt. Und der Vorwurf an die-oder denjenigen, der Grundsicherung genießt, sie oder er würde das auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung tun, fällt damit flach.

Differenzierte Konzepte!

Natürlich ist der Aufwand für eine solche "Grundsicherung mit Arbeit" größer, vor allem auch deswegen, weil für Menschen, die nicht arbeiten können, Vorsorge getroffen werden muss. Aber jeder Mensch hat das Recht auf eine Aufgabe, mit der er sein Glück mitgestalten kann. Bedarfsorientierte Grundsicherung oder bedingungsloses Grundeinkommen sind natürlich einfachere Maßnahmen, aber das Einfachere muss nicht immer das Nachhaltigere und zum Ziel Führendere sein.

Im Sozialen wird man Maßnahmen, die von einem "Alles wird besser, nichts wird gut" oder einem "Alles ist bestens, nichts ist gut" geprägt sind, hinauskommen müssen. In diesem Ringen gibt es nicht die beste oder christlichste Lösung, sondern die Vorschläge müssen auf dem Weg hin zu dem bleiben, was den Menschen mehr Mensch werden lässt. Dazu kann nur ein offener Dialog führen, der das Ziel nicht auf dem Wege verrät.

Der Autor ist Vorstand

des Instituts für Ethik und

Gesellschaftslehre der Katholisch-Theologischen Fakultät Graz.

VERANSTALTUNGSTIPP:

Soziale Gerechtigkeit ist auch das Thema der diesjährigen Öffentlichen Vorlesungsreihe der Kath.-Theol. Fakultät Graz "MUSS ARM SEIN?", die bis 25. Jänner jeden Donnerstag um 19 Uhr im Hauptgebäude der Universität Graz, Hörsaal 01.14, stattfindet.

Im Rahmen der Reihe diskutieren am 7. Dezember Politiker und NGOs über "Armut und Armutsbekämpfung in der Steiermark". Nähere Infos unter

www-theol.uni-graz.at

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