Rentner für 25 Schilling

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Vom Tiefschneefahren am Arlberg direkt in die Loipersdorfer Therme - der erfolgreiche Unternehmer Dieter S. hatte sich an diesem Jännertag großartig gefühlt. Bis zu jenem Moment, als er seine Eintrittskarte bezahlen wollte und jenes Informationsblatt sah, das allen Besuchern des Jahrgangs 1942 eine Ermäßigung versprach.

Mein Jahrgang! durchzuckte es ihn. Und: Das ist ja eine Seniorenermäßigung! Dieter S. zahlte den Seniorenpreis. Er blödelte über seine 55 Jahre, über die dadurch ersparten 25 Schilling, und verbarg mühsam, wie tief ihn die Seniorenermäßigung getroffen hatte.

Die Therme Loipersdorf reagiert mit ihrer Eintrittskartenpolitik nur auf die vielen Noch-nicht-aber-de-facto-Arbeitslosen aus ihrem Einzugsgebiet: Allein der Bezirk Leoben stellt zehn Prozent aller österreichischen Arbeitslosen zwischen 55 und 60.

"Die Gefahr, daß der Mensch aus der Arbeitsgesellschaft ebenso verschwindet wie seinerzeit das Pferd aus der Landwirtschaft", wie vergangene Woche Caritaspräsident Franz Küberl sagte, diese Gefahr ist bedrohlich. Derart bedrohlich, daß Revolutionäres, Undenkbares gedacht und getan werden muß angesichts der kraftstrotzenden 55- bis 60jährigen Arbeitslosen und der 169.110 Pensionisten dieses "besten Alters", wie Geburtstagsgratulanten gerne sagen. Wissenschaftler erstellen soeben mit dem Sozialministerium eine Studie über soziale Grundsicherung. Diese Grundsicherung garantiert ein Mindesteinkommen ohne Erwerbsarbeit. Auch Caritaspräsident Küberl forderte vergangene Woche "deutliche Elemente der Grundsicherung". Doch "die beste Form der Grundsicherung ist immer noch der Zugang zum Arbeitsmarkt", sagt Küberl.

Der Arbeitsmarkt ist ein zusammengefallener Germteig, der vielleicht nie mehr aufgeht. Grundsicherung könnte das eine Rettungselement sein, das zweite aber heißt bessere Aufteilung der Arbeit. Das gelingt nur, wenn die Würde des Menschen nicht mehr ausschließlich von seinem Rang in der Arbeitswelt abhängt. Wenn die Grenzen zwischen "Leistenden", Arbeitslosen und Pensionisten durch diese bessere Verteilung von Arbeit verwischt werden.

Bei verwischten Grenzen wäre auch jede demütigende Seniorenermäßigung obsolet.

Die Autorin ist innenpolitische Redakteurin.

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