7027216-1989_16_07.jpg
Digital In Arbeit

Mut mm Wahrnehmen und zum Lösen von Konflikten

Werbung
Werbung
Werbung

Heute droht uns eine Spaltung der Gesellschaft. Auf der einen Seite stehen diejenigen, welche in den Genuß aller Lebenschancen des Wohlfahrtsstaates -geregeltes Volleinkommen, soziale Sicherheit, Altersversorgung -kommen. Auf der anderen Seite wird die Zahl derer größer, die in unser Wirtschafts- und Sozialsystem gar nicht hineinkommen, wie Jugendliche oder alle, die schrittweise ausgegliedert werden, wie Arbeitslose, Ausländer, oder Alleinverdiener in Famüien-haushalten.

Angesichts der vielen ungedeckten Bedürfnisse für ein humanes Leben ist aber jeder unfreiwillig Arbeitslose ein unentschuldbares Ärgernis. Solange Arbeitsmöglichkeiten auch weitgehend identisch mit Einkommenschancen sind, fordert eine gerechte Einkommensverteilung die Schaffung von genügend sinnvollen Arbeitsplätzen.

Arbeit ist nicht nur Erwerbsarbeit. Der tiefere Sinn der Arbeit ist es, für jemanden zu arbeiten. Erst die Person verleiht der Arbeit ihren vollen Wert. Fragen:

Welche Herausforderungen stellt die neue internationale Arbeitsteilung an die österreichische Wirtschaft? Welche „unerledigten“ Arbeiten wären zu tun? Welche Privilegienmgen und Diskriminierungen der Arbeit fordern eine Korrektur? Wie karm der Sinn der Arbeit als das „für jemanden arbeiten“ erkenn-

Die jeweils beruflich aktive Bevölkerung muß sowohl für die Kosten der heranwachsenden Kinder und deren Berufsausbildung als auch für die würdige Versorgung der Alten und Behinderten aufkommen. Viele neue Phänomene der Armut wurzeln in einem Konflikt zwischen den Generationen. Heute werden viele Familien arm, weil sie mehrere Kinder haben. Morgen bedroht Armut die Alten der Gesellschaft, weil das gegenwärtige System der Pensionsfinanzierung an seine Grenzen stößt.

Kinder, Behinderte und Alte erfordern eine neue Form der Sozialpolitik, die Solidarität trotz aller Differenzen und Gruppenegoismen durchsetzt.

Fragen:

Welche Bereiche unseres Sozialsystems sind vordringlich reformbedürftig? Welcher Ausgleich von Lasten soll Familien mit Kindern und nichtberuf stäti-

Unerwünschte Abhängigkeiten von Institutionen der Macht, eine lange Tradition der Beschränkung der Eigeninitiative und die Haltung eines unkritischen, vorauseilenden Gehorsams prägen noch immer viele soziale Strukturen und individuelle Verhaltensweisen in imserem Lande.

„Nützen eines Freiraums, in dem auch Fehler gemacht werden dürfen“

Wenn wir nicht ein Volk von wenigen Handelnden und vielen Zu-sehem sein wollen, genügt es nicht, die Eigeninitiative zu fördern, sondern sie muß geradezu entfesselt werden.

Mündigkeit entsteht durch die Gewährung und das Nützen eines Freiraums, in dem auch Fehler gemacht werden dürfen und Verantwortung gelernt werden kann. Führen bedeutet auch, die Freiheit der Entscheidung zulassen zu köimen. Nur wer folgen kann, karm auch führen.

Die Zulnmf t wird nicht ohne die Aktivierung jedes einzelnen in einer Beziehung des gegenseitigen Dienens zu bewältigen sein.

Fragen: Was bedeutet die Ermutigung zur Eigeninitiative für politische Parteien, Unternehmungen und die Kirche? Welche Abhängigkeiten in tmserer Gesellschaft werden als besonders einschränkend empfunden? ,

Das Wirtschaftssystem der westlichen Industrieländer beruht immer noch weitgehend auf jenen ethischen Entwürfen, die Wirtschaft als Mittel zum vermehrten Wohlstand für alle Bevölkerungsschichten verstehen. Den Erfolgen dieses Wirtschaftssystems stehen aber auch viele Mißerfolge gegenüber. Angesichts der Erfahrung vieler Zerstörungen, die von der Entpersönlichung der Arbeit bis zur globalen Bedrohung unseres Planeten reichen, erscheint eine Besinnung auf Tugenden im wirtschaftlichen und sozialen Handeln angebracht.

Der Mensch als Gestalter der Wirtschaft braucht menschengerechte (ethische) Normen. Das heißt konkret, ohne Glaube (Vertrauen), Hoffnung (Zukunftsorientierung) und Liebe (als Lebensbewältigungskraft, die sich dort bewährt, wo Schwierigkeiten

„Politik, Wirtschaft, auch die Kirche tendieren dazu, Konflikte zu ignorieren“

anfangen), hat er nicht die notwendigen menschlichen Grundlagen.

Die Erfahrung zeigt, daß für eine menschengerechte Wirtschaft die .Jdassischen“ Kardinaltugenden notwendige Voraussetzungen sind.

Vielleicht sind diese Tugenden unter neuen Namen besser erkennbar: Klugheit als Wirklich-keitssirm, Gerechtigkeit als Solidarität, Tapferkeit als Zivilcourage, Mäßigung als Selbstbeschränkung, _

Fragen: Welche Ethik sollen Konsumenten und Unternehmer, Politiker und Wähler in einer Gesellschaft leben? Reichen die konventionellen Maßstäbe der Wirtschaft, wie Gewirm und Bruttosozialprodukt, aus, um als Maßstab für wirtschaftliche Entscheidungen zu dienen?

Politik, Wirtschaft, aber auch die Kirche tendieren in Österreich dazu, Konflikte eher zu ignorieren als bewußt wahrzunehmen. Das Leben aber ist widersprüchlich, Konflikte sind normaler Bestandteil des Lebens. Auf die Dauer können Konflikte nicht ohne schwere Schäden ignoriert oder verdrängt werden. I Wenn wir darauf vertrauen, von Gott geliebt zu sein, sind wir fähig, alle Konflikte auszutragen. Dabei können wir einander auch dann als Partner annehmen, wenn wir unterschiedlicher Meinung sind. Konflikte austragen heißt auch, nicht leichtfertig zu richten.

Fragen: Wie können wir einander Konflikte bewußtmachen, ohne in unüberbrückbare Gegensätze zu geraten? Wie lernen wir eine Kultur der Konfliktaustragung? Wie läßt sich die Basis der gemeinsamen Ubereinstimmung verbreitern?

Uberlegen wir gemeinsam: Arbeit ist zunächst notwendig, um zu überleben. Aber je mehr Mühsal und körperliche Anstrengungen durch Technik und neue Organisationsformen zurückgedrängt werden, umso mehr kommt die Freude am Tätigsein imd an der Gestaltung der Welt zur Wirkung. Sirmvolle Arbeit ist Mitwirkimg an der Vollendung der Schöpfung.

Diskussionsbeitrag des Arbeitskreises „Christentum und mrtschaft“, dem folgende Personen angehören: Univ.-Prof. Erich Bod-zenta, Dkf m. Hugo Bogensberger, Dr. Helmut Hubeny, Helmut F. Kamer, Dr. Walter Schaf-felhofer, Univ.-Prof. Stefan Schleicher >ind Dr. Leopold Stieger.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung