Wer nicht muss, der kann

Werbung
Werbung
Werbung

Eine Daseinsprämie für alle wird von Befürwortern eines bedingungslosen Grundeinkommens gefordert. Ist es mehr als eine charmante Sozialutopie?

Die Idee ist einfach: Jeder Mensch, egal ob Mann oder Frau, alt oder jung, arm oder wohlhabend, bekommt monatlich Geld vom Staat überwiesen. Ohne dafür arbeiten zu müssen. Oder gearbeitet zu haben. Oder Kinder bekommen oder sonstige Leistungen erbracht zu haben. Das bedingungslose Grundeinkommen ist eine lebenslange Rente, von Geburt an: Eine Daseinsprämie, die jeder kriegt, einfach weil er auf der Welt ist. Das klingt für viele erstmal befremdlich, weil es das Credo der Erwerbsgesellschaft über Bord wirft. Andere finden die Idee sehr verlockend. Einige von ihnen haben sich letztes Wochenende in München getroffen.

Mehr als 400 Menschen aus 29 Ländern haben beim "BIEN-Weltkongress“, der die "5. Internationale Woche des bedingungslosen Grundeinkommens“ eingeläutet hat, Wege zum bedingungslosen Grundeinkommen diskutiert. Margit Appel, Politologin und gesellschaftspolitische Expertin der Katholischen Sozialakademie, beschäftigt sich seit Jahren mit der Idee des Grundeinkommens und war beim Kongress dabei: "Es herrscht Aufbruchsstimmung. Obwohl wir durch mehrere Jahre Finanz- und Wirtschaftskrise gezeichnet sind, sind wir uns einig, dass das Grundeinkommen einen positiven, progressiven und menschenfreundlichen Weg darstellt.“

Neues Verständnis von Arbeit

Denn außer der Armutsbekämpfung und der Existenzsicherung, meinen die Befürworter, hätte das Grundeinkommen noch andere Auswirkungen: Wenn Arbeit und Einkommen getrennt werden, muss niemand mehr einen Job machen, den er nicht machen möchte. "Es geht nicht darum, zu sagen: Arbeitet nicht. Oder: Arbeitet weniger“, sagt Appel, "Sondern: Arbeitet mit mehr Freiheit, aber arbeitet. Arbeitgeber und Arbeitnehmer würden sich auf Augenhöhe gegenüberstehen.“

Die Sorgen, dass sich Grundeinkommensbezieher einfach auf die faule Haut legen, teilt Appel nicht: "Nur wenige Menschen würden ausschließlich vom Grundeinkommen leben wollen, und wenn, dann nur in bestimmten Phasen“, meint sie, "dazu haben wir alle zu viele Wünsche.“ Auf den bedingungslosen Geldtransfer vom Staat reagiert der Mensch, das "Wirtschaftssubjekt“, laut Grenznutzentheorie mit dem Zurückfahren seines Arbeitsangebotes. Für die bisherigen Löhne wäre er wahrscheinlich nicht mehr bereit, die gleichen Arbeiten zu verrichten wie heute. Man müsste sich über Arbeit komplett neu verständigen.

Konkretere Einblicke, was sich ändert, geben Pilotprojekte in Namibia und Indien, wo jedes Mitglied einer Dorfgemeinschaften ein Jahr lang einen bestimmten Geldbetrag ausbezahlt bekommen hat. Das Ergebnis: Ernährungs- und Gesunheitssituation haben sich verbessert. Weil Nebenkosten für Transport oder Uniformen keine Hürde mehr waren, hatten mehr Kinder Zugang zum Bildungssystem. Die Infrastruktur der Dörfer verbesserte sich, und es kam zu einem Anstieg von unternehmerischen Aktivitäten und Innovation.

"Dampfmaschine des 21. Jahrhunderts“ nennen Befürworter das Grundeinkommen deswegen, und sind überzeugt, dass es als Innovationsmotor den Menschen die größtmögliche Freiheit bietet.

"Alle Lebewesen wollen für ihr Überleben kämpfen“, kontern die Kritiker, "wer das nicht tun muss, verliert - wie ein domestiziertes Tier - seine Freiheit.“

Zu heiß für Österreich?

Welche Emotionen das Thema weckt, kann man derzeit bei den europäischen Nachbarn beobachten. Eine Europäische Bürgerinitiative wurde von Vertretern aus 14 Mitgliedsstaaten im Juli eingereicht. Die Europäische Kommission hat den ersten Antrag zwar abgelehnt, doch das Netzwerk bleibt am Ball: Eine neue Formulierung des Textes soll sicherstellen, dass die Forderungen im Handlungsbereich der Kommission liegen, und der nächste Antrag angenommen wird. Erst danach können Unterschriften gesammelt werden.

In der Schweiz ist im April eine Volksinitiative gestartet, die, wenn genügend Unterschriften zusammenkommen, in einer Abstimmung endet. In Deutschland gibt es in allen politischen Lagern Befürworter (und Gegner) der Idee - und eine rege Debatte darüber.

Und in Österreich? Keine einzige Parlamentspartei hat zum Thema Grundeinkommen bisher Position bezogen.

Woche des Grundeinkommens

Noch bis Sonntag finden in ganz Österreich Vorträge, Diskussionen und Filmvorführungen statt. Programm:

www.pro-grundeinkommen.at

Nächste Woche in der FURCHE: Streitgespräch zwischen B. Kolm, Hayek Institut, und R. Blaschke,

Initiative Grundeinkommen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung