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Mit dem Blick auf die nebenste­hend beschriebenen Bedrohungen sehen die Autoren auf dem Weg eines „öko-sozialen Umbaus" in ei­nem gesicherten Grundeinkommen für jedermann einen entschei­denden ersten Schritt. Es sei aus folgenden Gründen notwendig:

• „um den Skandal der materiel­len Armut in einer überreichen Ge­sellschaft zu überwinden,

• um den technischen Fortschritt für eine positive gesellschaftliche Entwicklung zu nützen,

• um die Freiheit des einzelnen nicht dem freien Markt zu opfern,

• um Freiräume zu schaffen für einen ökonomischeren Umgang mit den Gütern der Erde." (S. 27)

Entwickelte Wirtschaften er­zeugten jedenfalls genug, um je­dem Bürger die Versorgung mit Grundbedarfsgütern zu garantie­ren. Daher wird für Österreich fol­gendes Modell vorgeschlagen: Je­der hätte Anspruch auf ein mo­natliches Grundeinkommen von 4.500 Schilling (Kinder bis zum 15 Lebensjahr von 3.000 Schilling). Eine Familie mit zwei Kindern bekäme daher im Monat minde­stens 15.000 netto.

Zusätzliche Einnahmen würden das Einkommen erhöhen: Das Grundeinkommen sollte als Absetz­betrag eingesetzt und der Lohn­steuersatz generell auf 50 Prozent angehoben werden. Das System ließe sich schrittweise einführen und sei durchaus finanzierbar.

Wohlgenannt stellt auch Überle­gungen an, ob nicht für Osteuropa und die Dritte Welt auch an ein Grundeinkommen zu denken sei. „Um die Not der Menschen in den armen Ländern abzuwenden, müs­sen wir unsere Einstellungen än­dern und unsere materiellen An­sprüche zurückschrauben... Soll die Welt nicht ersticken in Abgasen und Abfall, sind neue Verhaltensformen und neue Formen des Wirtschaf­tens nötig, schon um des langfristi­gen Eigeninteresses willen." (S. 150)

Es folgt der von Herwig Büchele verfaßte Teil des Buches. Auch dieser stellt eine sehr gute Analyse unserer Situation dar: Um kurz­fristiger Vorteil willen, nähme man derzeit langfristige Verheerungen in Kauf, spiele die Bedrohungen sy­stematisch herunter und eliminiere sie aus dem wirtschaftlichen Kal­kül, Macht sei Trumpf.

Es bestehe eine allgemeine Kom­plizenschaft und Verantwor­tungslosigkeit, aus der sich niemand so recht lösen kann. „Jeder Akteur wird immer mehr Täter und Opfer in einem... Ursache und Wirkung sind immer weniger unterscheid­bar. Dieser Prozeß endet bei der Herrschaft der Programmierer (Weltwährungsmarkt, Weltagrar-markt, Weltmedienmarkt). Sie geben den einzelnen Bereichen die Produktionsprogramme ein." (S. 171f) Es komme immer mehr zu einer Art „Nieroandssteuerung".

Und der Ausweg? Eine „entschei­dende Änderung" erwartet sich Büchele davon, daß es den Men­schen gelingt, aus der Rolle der Mitläufer auszubrechen. Dann könnten sie „Partner im Umbau-vorhaben" werden. Das Grundein­kommen bilde die Basis für den Umstieg von einer Erwerbsarbeits-zu einer Tätigkeits- und Bildungs­gesellschaft.

Alle Menschen seien in diese Ge­sellschaft zu integrieren. „Die hier vertretene sozial-emanzipatorische Variante eines Grundeinkommens verbindet die materielle Grundsi­cherung mit neuem Teilen: einem Teilen der Macht, der Erwerbsar­beit und der Einkommen...Das Grundeinkommen eröffnet ... ein(en) Raum gegenseitigen Ver­trauens, eine Sphäre gemeinsamen Lebens. " (S. 226)

Und hier möchte ich mit meiner Kritik ansetzen. Das Grundeinkom­men wirkt im ganzen Buch wie ein „deus ex machina". Auch der gut­willige Leser erkennt nicht, warum vom Grundeinkommen so viel Heil ausgehen sollte.

Büchele und Wohlgenannt verla­gern das Problem unserer Bedro­hung auf die Ebene der Strukturen und sehen dementsprechend in der Veränderung von Spielregeln den Ansatzpunkt für Auswege. „So schafft Grundeinkommen Tragfä­higes, Festes, Zuverlässiges, stärkt die Verläßlichkeit der mitmenschli­chen Beziehungen; das so notwen­dige gemeinschaftsgemäße Verhal­ten kann wachsen..." (S. 227)

Unbeantwortet bleibt die Frage, warum eine ich-bezogene und machtgierige Welt überhaupt ein Grundeinkommen einführen, un­erklärlich, warum dieses alles zum Guten wenden sollte.

Büchele spricht zwar auch von der Priorität der Menschen: „Struk­turen können sich nicht erneuern, nur Menschen als Partner der Kommunikation vermögen dies. Unser herrschendes System kann nur aus der erhöhten Widerstands­und Erneuerungsbereitschaft der Menschen zu einem qualitativen Wandel durchbrechen." (S. 205) Das stimmt - und stimmt auch wieder nicht. Appelle an den Überlebens­willen haben bisher kaum gefruch­tet. Warum sollte kurzsichtiger Egoismus jetzt erschüttert werden?

Dem eigentlichen Angelpunkt kommt Büchele da nahe, wo erfol­gendes schreibt: „Dieses Ja zum Menschsein ist ein Ja zum Reich­tum des Geschöpf seins, nicht ein Ja zum Menschen neben der Natur, sondern ein Ja zum Geschöpfsein als Einheit von Mensch und Natur ..." (S. 207) Hier wenigstens hätte der Theologe Büchele von Gott reden können. Aber die Argumen­tation bleibt weltlich - und so sind die angestellten Überlegungen zwar interessant aber letztlich nicht weg­weisend .

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