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Die Botschaft der „Schönen neuen Welt" läßt den Leser in einem Dilemma zurück: Entweder auf die Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit zu verzichten oder durch soziale und technische Manipulation eine Welt zu konstruieren, in der sich niemand mehr ungerecht behandelt fühlt.

Diese „Schöne neue Welt" als Objekt der Sehnsucht wie der Bedrohung skizziert der Innsbrucker So-zialethiker Herwig Büchele in seinem Buch „SehnSucht nach der Schönen neuen Welt" (Thaur/Kul-turverlag 1993). Für Büchele beschreibt die „Schöne neue Welt nicht nur eine Wirklichkeit, die uns von außen bedroht: daß Menschen durch genetische, pharmazeutisch-chemische und erzieherische Mittel im Sinne dieser sozialen Kunstwelt beherrschbar sind." Vielmehr werde eine Realität beschrieben, „nach der wir uns in einer abgründigen Schicht unseres Wesens zutiefst sehnen." Huxley zeige eine Sehnsucht, so Büchele, „die das System der schmerz-und leidfreien Lusterfüllung als Erlöser begrüßt, ein System, das sich in den herrschenden seelischen und gesellschaftlichen Strukturen seinen Weg bahnt - als Antwort auf die Art und Weise, wir wir auf die Fragen und Herausforderungen antworten, die das Leben an uns stellt."

Sind wir aber bereits auf dem Weg in die „Schöne neue Welt", in die „sanfte Diktatur dieser Kunstwelt garantierter Glückserfüllung"? Laut Büchele spricht vieles dafür. Es gebe aber einen Ausweg aus dieser schleichenden kollektiven Entmündigung. Dann nämlich, wenn das Leben in seiner dramatischen Spannung zwischen der Erfahrung der täglichen Grenzen und jener der Freude, des Neuen, des Guten und Schönen nicht zu einer „Rentenexi-stenz allseitiger Sicherheit" eingeebnet werde. Huxleys Entwurf sei „erhellend", unabhängig davon, „ob die in der Schönen neuen Welt beschriebene Lebens- und Daseinsform als wissenschaftlich nachgeprüfte Weltlage eintreten wird oder nicht."

Ist doch die Huxley-Gesellschaft im Gegensatz zum Orwell-Entwurf „1984" kein „Imperium modernen Typs, das durch kollektiv-individuelle Gehirnwäsche und durch die Mobilisierung von Ängsten" zusammengehalten wird. Büchele sieht einen schleichenden Übergang zur Huxley-Gesellschaft in einem „Sich-Ausliefern an die Welt der Mittel und Instrumente" einerseits und im „Absichern dieser Auslieferung durch die Organisation der Gesellschaft" andererseits.

Ist die „Schöne neue Welt" nicht der natürliche Feind des Christentums? Die befreiende Botschaft Jesu komme ja eigentlich zu spät. Denn das „Reich des Glücks, der Lust, der Schmerz- und Leidensfreiheit, der Konfliktlosigkeit, der Gemeinschaftlichkeit, Einheitlichkeit und Beständigkeit" wäre mit der „Schönen neuen Welt" schon erreicht. Als Antwort zitiert Büchele den Philosophen Robert Spaemann: „Alles Humane in der Welt ist dem Trend abgerungen." Da sich sonst die Tendenz zur schleichenden Selbstzerstörung der Zivilisation in Richtung „Schöne neue Welt" durchsetzt, gilt es, Widerstand aus der Kraft des Christentums zu leisten. Denn dem „Weltaufsichtsrat" der „Schönen neuen Welt" fällt die Antwort nach einer „Schuld der Zivilisation" leicht: „Gott ist unvereinbar mit Maschinen, medizinischer Wissenschaft und allgemeinen Glück. Man muß wählen."

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