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Digital In Arbeit

Lohnende Arbeit

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Der Fortschritt der Technik wird die Rolle der Arbeit im Leben des einzelnen und in der Gesellschaft radikal verändern. Technologie kann Arbeitsstellen und den Bedarf an Fertigkeiten ersetzen, neue Errungenschaften können menschliche Muskelkraft, teilweise sogar menschliche Denkfähigkeit verdrängen.

Uber die Geschwindigkeit des Automatisierungsprozesses läßt sich streiten, nicht aber darüber, daß diese Entwicklung unaufhaltsam ist.

Der Siegeszug der Automation wirft - darüber sollte Einvernehmen herrschen — ökonomische und soziale Probleme auf, die nach bisherigen Mustern nicht gelöst werden können.

Die herkömmliche Arbeit verliert in der Produktion an Bedeutung, damit auch die Arbeitskraft. Arbeit im traditionellen Sinn, also Erwerbsarbeit, ist aber Voraussetzung für materielles Auskommen. Auch wenn die Annahme, daß das Einkommen des einzelnen durch die Produktivität seiner Arbeit bestimmt wird, so nicht mehr aufrechtzuerhalten ist, ist Arbeit noch immer die am wenigsten umstrittene Form der Einkommensverteilung.

Daher wird die Forderung nach einem Einkommen, das nicht an Erwerbsarbeit gebunden ist, als besonders provokant empfunden. Und ein „Grundeinkommen ohne Arbeit” stellen Herwig Büchele und Lieselotte Wohlgenannt in einem Buch unter diesem Titel (erschienen im Europaverlag) auch zur Diskussion: Jeder, der nicht arbeiten kann oder will, soll darauf ein Anrecht haben.

Während Büchele durchaus zu Recht die Verantwortung der Gesellschaft für den einzelnen anspricht, der keine Erwerbsarbeit hat oder findet, spart er die Verantwortung des einzelnen gegenüber der Gesellschaft aus.

Das Plädoyer für ein von jeder

Stipendium zu sehen: Die Gesellschaft akzeptiert in diesem Fall, daß einer privilegierten Schicht von Menschen nach bestimmten Regeln und Auflagen ein arbeitsloses Einkommen zugestanden wird..., und zwar in dem Vertrauen und in der Erwartung einer künftigen Gegenleistung.”

Nur: Die Einkommensverteilung durch Transferzahlung braucht nicht erst erfunden zu werden. Die Übertragung von Kaufkraft auf Menschen, die als bedürftig oder würdig erachtet werden, ist schon Realität.

Die Erwerbsquote, also die Teilnahme der Bevölkerung am selbständigen oder unselbständigen Erwerbsleben, liegt bei etwas über 40 Prozent. Nicht ganz 60 Prozent der österreichischen Bevölkerung sind heute schon nicht berufstätig.

Nicht erwerbstätig: Das heißt nicht, daß sie keine sinnvolle Arbeit leisten, auch wenn diese unbezahlt — vielleicht auch bereits unbezahlbar — ist.

Die nicht nur ideelle, sondern auch materielle Anerkennung dieser Nicht-Erwerbsarbeit in Haushalt, Nachbarschaftshilfe und Freiwilligenarbeit ist auch ein Anliegen der katholischen Soziallehre, die ebenso einen Einkommenstransfer rechtfertigt.

Aber die Spiritualität der Arbeit, von der „Laborem Exercens” spricht, kommt bei Büchele zu kurz: Bei ihm rangiert die Rolle der Arbeit für den Lebensunterhalt vor ihrer Bedeutung als Lebensinhalt.

Mühe, Arbeitsleid und Arbeitszwang soll der einzelne verweigern dürfen, soll zuvorderst „seinen Lebenswünschen folgen” können. Selbstverwirklichung ist die Devise, totale individuelle Freiheit mit totaler Existenzsicherung durch die Gesellschaft.

Aber auch eine humanere Ordnung der sozialen Beziehungen, die unbestritten anzustreben ist, wird nicht verhindern können, daß .jede Arbeit — ob körperlich oder geistig — unvermeidlich mit Mühen verbunden (ist).” Mehr noch: „In der menschlichen Arbeit findet der Christ einen kleinen Teil des Kreuzes Christi” (Laborem Exercens).

Grundeinkommen ohne Arbeit: für Büchele ist das ein gangbarer Weg zu einer neuen, humaneren Gesellschaft. Obwohl er selbst dafür die Hand nicht ins Feuer legen möchte. Und obwohl geschichtliche Experimente und zeitlich beschränkte Versuche der Gegenwart keine Schlüsse darauf zulassen, „welche Folgen die Einführung eines die Grundbedürfnisse abdeckenden Rechts auf Einkommen für alle, unabhängig von einer Arbeitsleistung, nach sich ziehen würde” (Wohlgenannt).

Damit wird als Lösung angeboten, was als Theorie noch nicht zu Ende gedacht wurde.

Der Denkanstoß aber bleibt unbestritten verdienstvoll: Der Mangel an Arbeitsplätzen, verursacht durch die rapid expandierende Veränderung der Produktionsprozesse, ist das Schlüsselproblem der Zukunft. Daher sind Lösungsvorschläge, wie wir Arbeit im herkömmlichen Sinn durch sinnvolle Beschäftigung ersetzen und wertschätzen können, gefragt: damit keines Menschen lohnende Arbeit „überflüssig” wird.

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