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Arbeit kann kein Selbstzweck sein
Für unseren Lebensbedarf, auch der Arbeitslosen, reicht das, was die derzeit Beschäftigten erzeugen, völlig aus. Dank des Anstiegs der Arbeitsproduktivität steht dafür heute sogar mehr zur Verfügung als zur Zeit der Voll-und Uberbeschäftigung, als wir die ausländischen Arbeiter herbeiriefen.
Um zu produzieren, was wir — die Arbeitslosen eingeschlossen -brauchen, um unseren gewohnten
anspruchsvollen Bedarf zu dek-ken, brauchen wir keine zusätzliche Arbeit. Auch für die Arbeitslosen ist genug da und wird auf den verschiedensten Wegen und Umwegen für sie abgezweigt oder ließe sich auf jeden Fall für sie abzweigen.
Anstatt ihren Lebensunterhalt durch öffentliche Maßnahmen aus dem Arbeitsertrag anderer zugeführt zu bekommen, will die Mehrzahl von ihnen um ihrer Selbstachtung willen und um einen sinnvollen Lebensinhalt zu haben, den Lebensunterhalt durch eigene Arbeit verdienen.
Anstatt daß die in Beschäftigung Stehenden über Steuern, Versicherungsbeiträge und anderes mehr einen Teil ihres Arbeits-
ertrages abgeben, könnten sie unmittelbar von ihrer Arbeit den entsprechenden Teil abgeben — selbstverständlich mit der abgegebenen Arbeit auch den zugehörigen Arbeitslohn. Damit wäre nicht nur das durch die Arbeit erzeugte Produkt einfacher und gerechter, sondern auch die das Produkt erzeugende Arbeit selbst sinngemäß verteilt.
Ohne mehr Beschäftigung wären mehr, wären alle beschäftigt.
Das setzt allerdings voraus, daß die Solidarität derer, die Arbeitsplätze haben, mit den Arbeitslosen sich nicht darin erschöpft, ihnen von ihrer Arbeit etwas abzugeben, den Lohn für diese abgegebene Arbeit aber behalten zu wollen; ohne die Bereitschaft zu einem echten Verzicht geht die Rechnung nicht auf.
Das ist eine rein modelltheoretische Analyse; die Eigenart des Modells ist der Ausschluß von Mehrarbeit. Ziehen wir dagegen Arbeitsbeschaffung im Sinne von Vergrößerung des Arbeitsvolumens in Betracht, dann wird der gesellschaftspolitische Aspekt relevant. Dann drängt sich zwingend die Frage auf: Wozu diese Mehrarbeit?
Zum Glück gibt es im Augenblick noch einen bedeutenden echten Bedarf an Mehrarbeit: Arbeit, um die Umweltzerstörung, die wir angerichtet haben, wieder in Ordnung zu bringen und weiterer Umweltzerstörung vorzubeu-
gen. Von dieser Reserve können wir noch eine Zeitlang zehren.
Arbeit bloß um der Beschäftigung willen wäre Arbeit um ihrer selbst willen; zur Arbeit gehört ein Sinn oder Ziel, um dessentwil-len man arbeitet; andernfalls ist es keine Arbeit.
Investieren, um Menschen zu beschäftigten, auch wenn wir ausreichende Kapazitäten haben oder unter Uberkapazitäten leiden, ist sinnwidrig. Menschen damit beschäftigen heißt, ihnen sinnwidrige Arbeit zuzumuten; genau besehen ist es ein Verstoß gegen ihre Menschenwürde. Auch die gutgemeinte Absicht, ihnen damit Gelegenheit zu geben, auf redliche Weise ihr Brot zu verdienen, ändert daran nichts.
Objektiv bleibt diese Arbeit -immer unter den angenommenen Voraussetzungen - ebenso sinnlos, wie Sandkarren von links nach rechts und von rechts nach links an den alten Ort zu schieben.
In den fortgeschrittenen Ländern dient heute schon von der insgesamt verrichteten Arbeit nur noch ein geringer Bruchteil der Erzeugung dessen, was wir zu unserem Lebensunterhalt brauchen. Mit der überall steigenden Produktivität der Arbeit steigt bei gleichbleibendem Arbeitsvolumen das Güterangebot ins Ungemessene. Auf die Dauer kann die Nachfrage damit nicht Schritt halten.
Verringert sich also die Menge der zu leistenden Arbeit, dann steht nur zur Wahl, entweder eine immer kleinere Zahl von Menschen diese Arbeit tun zu lassen oder nach wie vor die große Mehrheit der Menschen daran zu beteiligen, mit immer kleineren Beiträgen, die das Leben immer weniger ausfüllen, trotzdem aber mehr einbringen, als für eine anspruchsvolle Lebenshaltung benötigt wird. Damit stehen wir vor einer grundlegenden Entscheidung darüber, wie wir uns die künftige menschliche Gesellschaft vorstellen und auf welches gesellschaftliche Ordnungsbild hin wir unsere beschäftigungspolitischen Maßnahmen ausrichten.
Aus Nachrichten der Katholischen Sozialakademie Österreichs 1/83
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