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Digital In Arbeit

Wir und die Arbeit

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In diesem neuen Jahr 1978, das für die Wirtschaft Österreichs ein schwieriges und bedrohtes sein wird, in dem Arbeitsplätze gefährdet sein und mühsam beibehalten werden - am Beginn gerade dieses neuen Jahres, das von uns allen beruflichen Einsatz fordert, wäre es wohl notwendig, die Frage zu stellen, die uns alle, die im Arbeitsprozeß stehen, betrifft: Wofür arbeite ich eigentlich?

Arbeit ist laut Lexikon eine Grundlage der Gütererzeugung und damit der Bedarfsdeckung. Jeder von uns tut das seine dazu, um Güter zu erzeugen und den Bedarf zu decken, so fragwürdig oft der Begriff der Bedarfsdeckung sein mag. Für den einen ist Arbeit ausschließlich Produktionsfaktor, notwendiges Übel, Geldverdienst, Fließband, Eintönigkeit, Streß, Uberstunden, Identitätsverlust

Für den anderen aber ist Arbeit Entfaltung der eigenen Persönlichkeit, Verantwortung tragen, Kreativität.

Und was ist Arbeit, was ist Beruf wirklich? Im Bewußtsein der Verantwortung, die wir alle dem Staat, unserer Demokratie gegenüber tragen, ist die Antwort nicht schwer: Eingegliedert in unseren „Wohlfahrtsstaat“, tun und müssen wir das unsere dazu tun, damit die Bedarfsdeckung und Gütererzeugung funktioniert - im industriellen, im künstlerischen, im sozialen Bereich.

Er bleibt links hegen - der Mensch, der diese Arbeit tut Der Mensch, der sich eingeteilt fühlt in Kategorien: die der Selbständigen und Unselbständigen, der Arbeiter, Angestellten, Künstler, Wissenschafter. Mit einem Etikett auf der Stirn, mit dem Einordnen in eine Schublade - belastet und eingeordnet.

Eine Arbeiterin am Fließband sagte mir einmal, mit einem Lächeln, das alle flachen Gesichter gutmachte: „Warum ich arbeite? Ich tu's gern, ich arbeite für meine Kinder und ich bin gerne da Und wenn ich es schaffe, daß meine Kolleginnen neben mir auch lachen, bin ich zufrieden.“ Übrigens: Diese Frau war nicht katholisch. Sie wollte nur ihre Arbeit gut machen und ihr Lächeln weitergeben.

Sollten wir nicht soweit sein, zu erkennen, daß die wertmäßige Gleichsetzung eines jeden Menschen, der arbeitet, längst fällig ist? Immerhin war es ein Zimmermann, der Wunder vollbrachte (Mk 6, 3). Und einige der engsten Freunde Jesu waren Fischer, einfache Leute, die sich ihr Leben mühsam verdienen mußten. Haben Sie schon einmal ein fischevolles Netz ins Boot ziehen wollen? Wissen Sie, wieviel Kraft und Ausdauer und zer-schundene Hände das kostet? Aber -gerade diese einfachen Menschen, sie wurden zu Menschenfischern berufen.

Die Arbeitskapazität des Fließbandarbeiters und des Wissenschafters ist gleich: sobald sie sich ihrer Verantwortung bewußt werden. Der Verantwortung dem Staat und dem Menschen gegenüber - keiner lebt auf einer einsamen Insel.

Wer seinen Beruf aber in dieser Verantwortung auffaßt, dem wird auch nicht schwerfallen, sich bewußt zu machen, daß Verantwortung nicht nur der Gesellschaft, dem öffentlichen Wohl gegenüber zu tragen ist, sondern daß er auch arbeitet für den Schwachen, für den, der keinen Platz hat in unserem gutsituierten Leben. Manchem von uns tut die Arbeit weh.

Es muß ja gar nicht ein Fremder sein, die Verantwortung liegt viel näher, in dem Menschen, der neben uns ist und kleiner und schwächer, der nicht das Talent und die Möglichkeiten hat wie wir. Bei aller Schwierigkeit der „Arbeitsplatzsicherung“: verantwortlich sind wir gerade für die Schwachen und Kleinen, für die, die wollen und nicht können.

Damit sind wir aber auch bei der Frage, die wir Christen uns stellen müssen: Was bedeutet Arbeit für den Menschen, der versucht, den Anspruch Gottes auch zu leben? Paulus sagt in Ephesus zu den Presbytern der Gemeinde: „In jeder Weise habe ich euch gezeigt, daß man arbeitend sich um die Schwachen kümmern soll, eingedenk der Worte des Herrn Jesus, der selbst sagte: Geben ist seliger denn Nehmen (Apg. 21, 35).“

Vielleicht sollten wir nur eines: Den Beruf sich so zu eigen zu machen, daß er ein Teil von uns selbst ist daß wir selber als Persönlichkeit voll dahinter stehen, daß wir versuchen, in jedem Menschen, der uns im Berufsalltag begegnet, Christus selber zu sehen. -Damit aber auch das Risiko richtig einzuschätzen, nicht auf Dauer, auf Sicherheit zu bauen, sondern empfänglich zu sein für das Neue, das Unerwartete, das Unbekannte, sich den Absprung zu bewahren. Unser Christsein bedarf keiner Sicherheit, schließt das Risiko mit ein. Es bedarf aber des starken Bewußtseins, in aller Verantwortung für sich, für die Familie, in Christus zu gründen. Und eines sollten wir auch noch bedenken: Wo immer wir auch stehen, wie exponiert im Beruf, wie hoffnungsvoll auf eine neue Zukunft: was uns Christen nicht entgeht, ist einmal Rechenschaft abzulegen, Rechenschaft über uns und das, was uns gegeben wurde - Rechenschaft über unsere Talente, Rechenschaft über unser Menschsein.

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