6882040-1979_13_05.jpg
Digital In Arbeit

„Recht auf Arbeit“ richtet sich an alle

19451960198020002020

Das „Recht auf Arbeit“ steht im Mittelpunkt der diesjäh-' rigen katholischen-sozialen Tagung des Dr. Karl Kummer-Instituts (Siehe Ankündigung auf dieser Seite). Der auszugsweise abgedruckte Artikel von Oswald von NelUBreuning SJ ist im August 1978 in „Stimmen der Zeit“ erschienen.

19451960198020002020

Das „Recht auf Arbeit“ steht im Mittelpunkt der diesjäh-' rigen katholischen-sozialen Tagung des Dr. Karl Kummer-Instituts (Siehe Ankündigung auf dieser Seite). Der auszugsweise abgedruckte Artikel von Oswald von NelUBreuning SJ ist im August 1978 in „Stimmen der Zeit“ erschienen.

Werbung
Werbung
Werbung

Gegenstand oder Inhalt eines heute aktuellen „Rechts auf Arbeit“ ist vom einzelnen her gesehen die Arbeitsgelegenheit, vom Ganzen her gesehen die Vollbeschäftigung, beide in unselbständiger Erwerbstätigkeit. Sind alle oder doch die große Mehrheit der Arbeitsfähigen und Arbeitswilligen darauf angewiesen, durch unselbständige Arbeit ihren Lebensunterhalt zu erwerben, dann ist die Frage und die Forderung nach einem solchen Recht auf Arbeit dringend.

Das war nicht immer und überall der Fall und braucht es auch in Zukunft nicht zu sein, aber in unserer heutigen Welt ist sie im allerhöchsten Maß dringend.

Der heute bestehende Zustand kann nur dann als erträglich und zu Recht bestehend anerkannt werden, wenn alle, die darauf angewiesen sind, eine solche Arbeitsgelegenheit zu suchen, auch darauf rechnen können, sie zu finden.

Mit anderen Worten: Eine solche Ordnung von Gesellschaft und Wirtschaft besteht nur dann zu Recht, wenn dies entweder gesichert ist oder jedenfalls alles Menschenmögüche geschieht, um es zu sichern. Das ist eine unbestreitbare Forderung, ein zwingendes Angebot von Recht und Gerechtigkeit.

An wen aber richtet sich diese Forderung oder dieses Gebot? Offenbar nicht an diesen oder jenen Unternehmer, den der Arbeitswillige darauf in Anspruch nehmen könnte, ihn einzustellen oder gar ihm eine seinen Anlagen, seinen Fähigkeiten, seiner beruflichen Qualifikation entsprechende Beschäftigung zu geben. Ein Rechtsanspruch kann sich nicht gegen jedermann, sondern muß sich immer gegen einen bestimmten Schuldner richten. Demzufolge kann auch das Recht des Arbeitswilligen auf Arbeit kein .Anspruch“ sein; dieser Anspruch griffe ins Unbestimmte und Leere.

Wenn aber das Recht auf Arbeit kein „Anspruch“ ist, was ist es dann? Uber Begriffe der Rechtssprache, ob man es etwa als „subjetives öffentliches Recht“ bezeichnen könnte, ist hier nicht zu streiten; es geht um die

Art. 23 (1) „Jeder Mensch hat das Recht auf Arbeit, auf freie Berufswahl, auf angemessene und befriedigende Arbeitsbedingungen sowie auf Schutz gegen Arbeitslosigkeit.“ (Menschenrechtsdeklaration der Vereinigten Nationen vom 10. 12.1948)

Sache. Diese können wir uns wohl am besten so zurechtlegen: Unter den heutigen Verhältnissen kann die große Mehrheit der Menschen ihr Recht zu arbeiten, nur in Gestalt der unselbständigen Erwerbstätigkeit ausüben und darf deswegen daran nicht gehindert werden (sog. Negativeffekt dieses Rechts).

Fehlt es aus irgendwelchen Ursachen an Gelegenheit zu solcher Arbeit, dann muß dieser Verhinderung durch geeignete und wirksame Maßnahmen abgeholfen werden. Unter diesen Umständen wirkt der Negativeffekt des Rechts zu arbeiten sich nicht nur in Abwehr-, Schutz-und Vörbeugemaßnahmen aus, sondern auch in positiven Maßnahmen einer Politik der Vollbeschäftigung, gegebenenfalls in einer Umstrukturierung der Ordnung von Gesellschaft und Wirtschaft, wenn deren bestehende Gestalt sich als unüberwindliches Hindernis erweist.

Diese positive Entfaltung des Rechts zu arbeiten nennen wir „Recht auf Arbeit“. Um uns von diesem Recht ein deutliches Bild zu machen, brauchen wir nur noch zu fragen: 1. Was hat zu geschehen, um die Behinderung auszuräumen? 2. Wer hat das dazu Erforderliche zu tun oder dabei mitzuwirken?

1. Alles das hat zu geschehen, was notwendig ist, um den Zustand herbeizuführen, daß jeder Arbeitsfähige und Arbeitswillige, der Arbeitsgelegenheit sucht, sie zu annehmbaren Bedingungen findet. Diesen Zustand mit allen Kräften anzustreben und soviel wie menschenmöglich zu ver-

„Auf Grund des Naturrechts ergibt sich für den Menschen nicht nur, daß ihm Arbeitsmöglichkeit gegeben werden muß, sondern auch, daß er seine Arbeit frei übernimmt.“ (Johannes XXIII., Pacem in Terris) wirklichen, ist Rechtsgebot. Wie das geschehen kann und folgerecht zu geschehen hat, ist nicht mehr Sache des Rechts, sondern des Sachverstands, der heute dieser ebenso schwierigen wie dringenden Frage offenbar immer noch recht hilflos und mit sehr zerstrittenen Meinungen gegenübersteht.

2. An erster Stelle hat der „Staat“ das Erforderliche zu tun, genauer gesprochen, die öffentliche Gewalt des Staats und alle mit öffentlicher Gewalt ausgestatteten inner-, zwischen-und überstaatlichen Gebilde von den Gemeinden aufsteigend über die Europäischen Gemeinschaften bis zu den Vereinten Nationen.

Aber keineswegs trifft diese Verpflichtung die öffentliche Gewalt und deren Träger allein, sondern alle, die über Macht und Einfluß verfugen, um das Ziel, nennen wir es kurz Vollbeschäftigung, entweder herbeizuführen, zu fordern oder zu begünstigen, oder umgekehrt es zu vereiteln, zu beeinträchtigen oder zu gefährden.

Hier sind die Unternehmer, vor allem in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeber und als Tarifpartner, nicht minder aber auch die Gewrkschaften angesprochen. Es bedarf des einsichtigen Zusammenwirkens aller.

Als man im 19. Jahrhundert begann, von einem „Recht auf Arbeit“ zu sprechen, war an Staatswerkstätten gedacht, die Arbeitsplätze bereithalten sollen, um die Arbeitskräfte, die in der Wirtschaft keine Beschäftigung fanden, aufzunehmen und zu beschäftigen.

Vorhäben solcher Art konnte die katholische Soziallehre unmöglich befürworten.

Darum unterschied sie nachdrücklich das „Recht zu arbeiten“ und das „Recht auf Arbeit“. Ersteres bejahte sie als elementares Menschenrecht, letzteres mußte sie so, wie es verstanden wurde, verneinen. Inzwischen hat sich das richtige Verständnis durchgesetzt, und so kann auch die katholische Soziallehre es vorbehaltlos bejahen und dafür eintreten.

Heute weiß jedermann: „Recht auf Arbeit“ besagt keinen Rechtsanspruch auf einen (oder gar auf einen bestimmten) Arbeitsplatz. „Rechtauf Arbeit“ fordert eine Ordnung in Gesellschaft und Wirtschaft und eine einsichtig zusammenwirkende Politik aller Beteiligten - des Staats, der autonomen Tarifpartner und der Unternehmensleitungen - um in den Grenzen des Menschenmöglichen zu gewährleisten, daß alle Arbeitsfähigen und Arbeitswilligen Gelegenheit finden, ihr elementares Menschenrecht zu arbeiten, unter menschenwürdigen Bedingungen auszuüben.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung