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Digital In Arbeit

Eine positive Zukunftsscnau

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Die Enzyklika steht in der Tradition der Katholischen Soziallehre im allgemeinen, in der Kontinuität der Lehre Johannes’ Pauls im besonderen. Trotzdem enthält sie eine Fülle von neuartigen Aussagen oder Akzentsetzungen. Eine Reihe von Passagen und Einzelsätzen wird höchstwahrscheinlich zu manchen Diskussionen Anlaß geben.

Hochbedeutsam sind in der „Anthropologie der Arbeit", ‘ die der Papst hier formuliert, Aussagen wie jene, daß der Mensch „unter anderem durch die Arbeit .Mensch wird"‘. Bekanntlich ist der Anteil der (kollektiven) Arbeit an der Menschwerdung ein zentrales Theorern marxistischer Anthropologie. Hier nun wird die Rolle der Arbeit im Prozeß der Menschwerdung anerkannt, aber zugleich wird die marxistische Verkürzung zurückgewiesen. •

Arbeit ist Bewältigung der Wirklichkeit im Sinne der Erringung und Ausübung von „Herrschaft"- über die

Erde (und Abbild sowie Fortführung göttlichen Schöpfungswirkens) und zugleich eine Weise menschlichen Selbstvollzuges.

„Herrschaft" hat in liberalen, sozialistischen und anderen Kreisen eine negative Sinntönung erhalten und gilį (insbesondere „Herrschaft von Menschen über Menschen") als Gegenbegriff zur Freiheit.

„Herrschaft" über die Erde bedeutet zufolge der biblischen Tradition aber nicht Unterdrückung und Ausbeutung, sondern sorgende Verantwortung und steht zur „Freiheit" nicht im Widerspruch.

Der postulierte Vorrang der Arbeit vor dem Kapital bietet die Begründung für weitreichende gesellschaftspolitische Folgerungen. So wird u.a. eine „theoretische

und praktische Revision" der herrschenden Auffassungen über das Privateigentum gefordert; die Richtung dieser Aufgabe wird durch Stichworte wie Miteigentum, Mitbestimmung usw. angedeutet. Zugleich wird ein positiver Begriff von Vergesellschaftung entwickelt.

Andererseits wird verneint, daß die Abschaffung des Privateigentums per se die Probleme löse, weil daraus die Verfügungsgewalt einer kollektivistisch herrschenden Monopolinstanz entstehen kann.

Aus den Unausgewogen-heiten des Wirtschaftssystems und der Arbeitsorganisation in der Gesellschaft wird — in Verbindung mit der Konzeption des „indirekten Arbeitgebers" - die Forderung nach einer gesamtwirtschaftlichen Planung abgeleitet; die entsprechende Aufgabe wird letztlich dem Staat zugesprochen. Zugleich wird aber ein bürokratischer Planungszentralismus zurückgewiesen und ein pluralistisches System kooperativer Koordinierung für gut gehalten.

Auffällig ist, daß das Geschichtsbild der Enzyklika an der durch das II. Vatikanum und nachfolgende Enzykliken (etwa „Populorum Pro-gressio") aufgewiesenen, eher positiven Zukunftsschau festhält: die Menschheit schreitet auf dem Weg zur sinnvollen Beherrschung der Erde trotz aller Abirrungen und Perversionen fort.

Heute suchen die hochindustrialisierten Länder und mehr noch jene Unternehmen, welche in hohem Maß über die industriellen Produktionsmittel bestimmen (die sogenannten mulitinationa-len oder übernationalen Unternehmen), während sie die Preise für ihre Produkte möglichst hoch festsetzen, gleichzeitig die Preise der Rohstoffe oder der Halbfabrikate möglichst niedrig zu halten, was zusammen mit anderen Ursachen zu einem immer größeren Mißverhältnis zwischen Nationaleinkommen der betroffenen Länder führt…

Um der Gefahr der Af-beitslo-sigkeit entgegenzutreten und allen einen Arbeitsplatz zu sichern, müssen die hier als „indirekte Arbeitgeber" bezeichneten Stellen (Verbände, Kammern, Staat - d. Red.) für eine Gesamtplanung zugunsten jener differenzierten Werkstatt sorgen, in der sich nicht nur das wirtschaftliche, sondern auch das kulturelle Leben eines Landes formt.

Die Erfahrung bestätigt, daß man sich für die soziale Aufwertung der mütterlichen Aufgaben einsetzen muß, für die Aufwertung der Mühen, die mit ihnen verbunden sind, und des Bedürfnisses der Kinder nach Pflege, Zuwendung und Herzlichkeit…

Der notgedrungene Verzicht auf die Erfüllung dieser Aufgaben um eines außerhäuslichen Verdienstes willen ist im Hinblick auf das Wohl der Gesellschaft und der Familie Unrecht, wenn er jenen vorrangigen Zielen der Mutterschaft widerspricht oder sie erschwert.

Es ist (aber) eine Tatsache, daß in vielen Ländern die Frauen in fast allen Lebensbereichen tätig sind. Sie sollten diese Tätigkeiten ihrem eigenen Wesen gemäß verrichten können, ohne Diskriminierungen und ohne Ausschluß von Stellungen, für die sie befähigt sind…

In manchen Entwicklungsländern sind Millionen von Menschen gezwungen, die Felder anderer zu bebauen, und werden dabei von den Großgrundbesitzern ausgenützt, ohne jede Hoffnung, einmal auch nur ein kleines Stück Erde ihr eigen nennen zu können … Für zahlreiche solche Situationen sind radikale Änderungen dringend notwendig.

Da der Behinderte ein personales Subjekt mit all seinen Rechten ist, muß ihm die Teilnahme am Leben der Gesellschaft in allen Dimensionen und auf allen Ebenen, die seinen Fähigkeiten zugänglich sind, ermöglicht werden. Der Behinderte ist einer von uns und teilt voll und ganz unsere Menschennatur.

Die Arbeiteremigration (Gastarbeiter in fremden Ländern - d. Red.) ist, wenn auch in mancher Hinsicht ein Übel, so doch unter bestimmten Umständen ein, wie man sagt, notwendiges Übel. Man muß darum alles daransetzen, daß dieses objektive Übel nicht größere Schäden in moralischer Hinsicht mit sich bringt…

Auf keinen Fall darf die Notlage, in der ein ausländischer Arbeiter sich befindet, ausgenützt werden.

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