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Zeitgemäße Soziallehre

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Zur Schaffung von Arbeitsplätzen ist die mit dem Privateigentum verbundene Privatinitiative der wichtigste Weg. Diese ist die Verfügungsgewalt über das Eigentum, so daß es als Produktionsmittel unternehmerisch eingesetzt werden kann. Die auf dem Produktionsmitteleigentum ruhende soziale Verpflichtung, auch „soziale Hypothek“ genannt, wird in den Industriestaaten zum Teil durch die staatliche Sozialpolitik (Arbeitsrecht, Sozialversicherung) umschrieben .. .

Privateigentum an den Produktionsmitteln und Privatinitiative zu Erwerbszwecken führen zum Tauschverkehr, zu Marktwirtschaft und Wettbewerb. Ihnen allen obliegt eine Sozialfunktion, d. h. eine Aufgabe im Dienste des Gemeinwohls.

Der Einwand, daß es politisch gebundene Preise (landwirtschaftliche Preise, Industrielöhne) und administrative Preise (Bahn, Post, Energie, Wasserversorgung) gibt, übersieht die Tatsache, daß solche Preise nicht beliebig angesetzt werden können, sondern indirekt wettbewerbsbedingt bleiben, wie die Höhe eines Staudammes nicht willkürlich gewählt werden kann, sondern an die Höhe des Wasserlaufes gebunden ist.

Der Staat hat dafür zu sorgen, daß durch Unternehmen keine Wettbewerbsbeschränkungen erfolgen. Unternehmen versuchen Wettbewerbsbeschränkungen zu erzielen durch die Bildung von Kartellen (Preisvereinbarungen von selbständig bleibenden Unternehmen) oder von Konzernen (Zusammenschluß von ihre Selbständigkeit aufgebenden Unternehmen). In nicht wenigen Ländern bestehen Gesetze gegen solche Wettbewerbsbeschränkungen.

Wettbewerbswidrig kann die Marktmacht von Großunternehmen werden, wenn diese versuchen, durch zeitweilige Preisunterbietung mittlere oder kleinere Unternehmen aus dem Markt zu werfen. Im unlauteren Wettbewerb suchen Unternehmen durch Nichtbezahlung von Steuern oder von Lieferanten Preisvorteile für ihre Waren zu erzielen.

Die Soziale Marktwirtschaft strebt durch hohe Leistungskraft der Volkswirtschaft nach steigenden Erträgen, die durch wirtschafts-, steuer- und sozialpolitische Maßnahmen einer die Arbeiterschaft und den Mittelstand befriedigenden Verteilung zugeführt werden bzw. zugeführt werden sollen. Daß die Soziale Marktwirtschaft nichts Vollkommenes ist, teilt sie mit allen gesellschaftlichen Einrichtungen.

Die für den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt entscheidende Kraft ist das Unternehmertum. Die Mitarbeiter im Unternehmen sind sich meist im klaren, daß dessen Bestand und Zukunft mit der Erhaltung der Arbeitsplätze vom Einsatz eines jeden einzelnen abhängt und sie so auch eine Art Untemehmerleistung vollbringen. Das Unternehmen muß Gewinn erzielen, sonst kann es nicht bestehen und den Mitarbeitern den Arbeitsplatz nicht sichern. Nur das Unternehmen mit Gewinn erhält die notwendigen Gelder von der Bank.

Die Untemehmerleistung besteht in einer beträchtlichen Reihe von Entscheidungen, die fortlaufend zu treffen sind, so über Untemehmens- ziele nach Maßgabe der Marktsituation und voraussichtlichen Marktentwicklung, über die dem Wettbewerb entsprechende Preisbildung, über Investitionen usw….

Das Ziel ist die Schaffung von Einkommen durch die Erreichung einer kostengünstigen Produktion zur Befriedigung kaufkräftiger Nachfrage. Fehlentscheidungen in den genannten Hinsichten sind mit Risiko behaftet, sie können Zahlungsunfähigkeit (Konkurs oder Ausgleich) des Unternehmens zur Folge haben…

In seiner Entwicklungsenzyklika (Populorum progressio Nr. 15, 16) spricht Papst Paul VI. von der nach dem Plan Gottes bestehenden „obersten Pflicht“ jedes Menschen, sich zu entwickeln. Das wurde im vorangehenden öfters die Selbstverwirklichung genannt und durch das Leben nach den Forderungen der humanen Werte und durch das Streben nach damit zu vereinbarenden anderen Werten.

Der Papst hebt selbstverständlich die religiösen Werte hervor. In der genannten Enzyklika stellt der Papst fest: „Die soziale Frage ist heute weltweit geworden“ (Nr. 3). Er denkt vor allem an das heutige gewaltige Weltproletařiat.

Dazu gehören (1978 Bericht der Weltbank) 600 Millionen Menschen in Entwicklungsländern, die nicht einmal genug zu essen haben, außerdem eine Milliarde Menschen, die nicht das notwendige Einkommen für ein menschenwürdiges Dasein (Wohnung), gar für ein kulturmenschliches Leben (Analphabetentum) haben. Auch besteht nach der IAO (Internationale Arbeitsorganisation) in der Dritten Welt (Entwicklungsländer Afrikas, Indiens, Südamerikas, der Philippinen) eine Arbeitslosigkeit von mindestens 200 Millionen Menschen, darunter ein sehr großer Teil Jugendlicher.

Zum Vergleich: die Arbeitslosigkeit aller Industriestaaten betrug 1978 insgesamt etwa 17 Millionen.

Nach Vorschlag der Vereinten Nationen sollten 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts der Industrieländer für die Entwicklungshilfe aufgewendet werden. Österreich und die Bundesrepublik Deutschland haben dieses Ziel noch nicht erreicht…

Die Entwicklungshilfe ist das wichtigste Sozialproblem der Gegenwart. Sie ist unpopulär, die Gewissenspflicht steht aber fest. Informierte Staatsmänner in Europa denken mit Schaudern an die weltpolitischen Folgen der heutigen Versäumnisse, da der Kommunismus im Weltproletariat seine größten Hoffnungen sieht.

Auszug aus: KURZGEFASSTE CHRISTLICHE SOZIALLEHRE, herausgegeben vom Erzbischöflichen

Sekretariat Wien, 29 Seiten, öS 1,-

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