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Kommen all die wunderbaren Dinge, die man Arbeit zuschreibt, Frauen gleichermaßen zugute wie Männern? Existenzsicherung durch Arbeit, soziale Sicherheit durch Arbeit, Organisation von Interessen durch Arbeit ? Erfahrung von Sinn durch Arbeit, Selbstverwirklichung durch Arbeit, Weiterentwicklung vielfältiger Kompetenzen durch Arbeit?

Treffen all die Schattenseiten, die man Arbeit zuschreibt, Frauen gleichermaßen wie Männer? Platz im Arbeitsprozess ist gleich gesellschaftlicher Status? Nachordnung lebensweltlicher Bedürfnisse gegenüber den Bedürfnissen der Arbeitswelt? Arbeitslosigkeit als Zeit von Kontrolle und Zwang?

Sozialisiert im kapitalistisch-marktwirtschaftlichen System sind wir, Frauen und Männer, gewöhnt, die Ambivalenz von Arbeit in Kauf zu nehmen. Die Frage, ob die Organisation von Erwerbsarbeit und ihr Zusammenspiel mit Wirtschaft, Politik und Privatem auch eine ganz andere sein könnte, wird selten aufgeworfen. Die Frage, ob eine Änderung der ungebrochen hierarchischen Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen möglich wäre, noch viel weniger.

Liebe als Arbeit

Das Grundgerüst der bestehenden Geschlechterordnung entstand in einer äußerst spannenden Phase historischen Wandels: dem Übergang von der agrarischen Wirtschaftsweise mit ihrer ständischen Gesellschaftsordnung zur industriekapitalistischen Wirtschaftsweise mit ihrer bürgerlichen Gesellschaftsordnung. Damals wechselte das Gesicht des Patriarchalismus. Innerhalb der Gruppe der Männer gingen die Kontroll- und Verfügungsrechte vom Besitz an Grund und Boden zum Besitz von Kapital über. Was in dieser Periode des großen gesellschaftlichen Wandels bestehen blieb, war die männliche Kontroll- und Verfügungsgewalt über das Arbeitsvermögen von Frauen. Entsprechende rechtliche Regulierungen (im Familien-, Eigentums- und Arbeitsrecht) banden die Arbeitskraft von Frauen an die Familie und privilegierten die Arbeitskraft von Männern aller Schichten sowohl in der Familie als auch auf dem Markt.

Die damals etablierte Geschlechterordnung stiftet bis heute die für das Funktionieren der kapitalistisch-marktwirtschaftlichen Wirtschaftsweise unverzichtbare Verbindung zwischen Markt- und Versorgungsökonomie. Ein Klassiker der feministischen Literatur von Gisela Bock und Barbara Duden, publiziert in der zweiten Hälfte der 70er Jahre, bringt diese Ordnung bereits durch den Buchtitel auf den Punkt: "Arbeit aus Liebe - Liebe als Arbeit. Zur Entstehung der Hausarbeit im Kapitalismus". Die Konsequenzen für die Integration von Frauen am Arbeitsmarkt und in die sozialpolitischen Versicherungssysteme sowie für ihre Chancen auf eine selbstbestimmte Lebensführung sind bis heute spürbar und prägen die Biografien von Frauen.

Arbeit aus Liebe

Ein erster Blick auf den heutigen Umgang von Frauen mit der Ambivalenz von Arbeit scheint die obigen Ausführungen zunächst Lügen zu strafen. Frauen arbeiten mindestens genauso gern, viel und gut wie Männer. Die bestehenden Übel, wie beispielsweise geringere Einkommen, höhere Armutsgefährdung, gläserne Decken und Mehrfachbelastung durch Kindererziehung, Pflegeverpflichtung und Haushalt nehmen sie ziemlich anstandslos in Kauf. Dass ihre Wahlfreiheit (Partnerschaft und Karriere, Kinder und Karriere) deutlich eingeschränkter ist als die von Männern, ebenso. Schlussfolgerung: Auch Frauen lieben ihre Arbeit sehr !?

Bereits ein zweiter Blick auf die aktuelle Situation reicht aber aus, um den ersten Eindruck nachhaltig zu beschädigen. Ingrid Kurz-Scherf spricht davon, dass im stetigen Entwicklungsprozess der Organisation von Arbeit heute eines erreicht sein dürfte: ihre Demokratisierung. Damit ist aber keineswegs ein wünschenswertes inneres Qualitätsmerkmal des Erwerbsarbeitssystems gemeint, vielmehr der Umstand, dass heute "alle arbeiten und alles Arbeit ist". BörsenspekulantInnen, KünstlerInnen, Mütter und Väter arbeiten ebenso wie Stahlarbeiter, Krankenschwestern und AutomechanikerInnen. Ja mehr noch: Selbst Arbeitslosigkeit ist als Arbeit zu gestalten!

Patriarchale Ordnung

Frauen sind in jeder gesellschaftlichen Rolle, die sie einnehmen, integraler Bestandteil dieses "alle arbeiten und alles ist Arbeit". Diese "Schein-Demokratisierung" von Arbeit eignet sich für zweierlei: Einerseits wird die Akzeptanz dafür hochgehalten, dass nur der Besitz eines Arbeitsplatzes ausreichenden Zugang zu politischen, ökonomischen und sozialen Rechten liefert; andererseits verknappt sich aber genau dieses Angebot an existenzsichernder, sozialrechtlich abgesicherter und zu den individuellen Lebensplänen in Balance zu haltender Arbeit drastisch. Neue Selbständige, freie DienstnehmerInnen, Ich-AG's, unfreiwillige Teilzeitarbeit: der Boom jener Arbeitsformen (bei denen der Frauenanteil hoch ist), der Menschen zu glücklichen "UnternehmerInnen ihrer selbst" machen soll, knüpft ohne Berührungsängste an jahrhundertelange Traditionen der Hochstilisierung von Arbeit als Inbegriff menschlicher Selbstverwirklichung und Entfaltung an.

Wie machtvoll marktwirtschaftlich-kapitalistische Interessen und die patriarchale Organisation von Arbeit nach wie vor ineinanderspielen, ist am Thema "haushaltsnahe Dienstleistungen" darstellbar. Mit dem Jahr 2000 hatte endlich auch die österreichische Politik das Jobreservoir des "Unternehmens Haushalt" für sich entdeckt. Davor gab es schon in Deutschland die politische Entscheidung, Haushalte, die zu Arbeitgebern werden, zu subventionieren.

Der Gedanke schien nahe liegend, weil haushaltsnahe Dienstleistungen ortsgebunden sind und daher eine Insel in der von Standortkonkurrenz gestressten nationalen Ökonomie bilden könnten. Dass in diesem Segment des Arbeitsmarktes fast ausschließlich weibliche Arbeitskraft angeeignet wird und noch dazu die Arbeitskraft von Frauen, die durch die Dynamik der globalen Ökonomie zum Migrieren gezwungen werden, wird ignoriert bzw. strategisch einkalkuliert.

Eine unheilige Allianz konstituiert sich:

* aus Unternehmen, die Bedarf haben nach qualifizierten, flexiblen LeistungsträgerInnen

* aus politischen Akteuren, die Bedarf haben nach geringen öffentlichen Infrastrukturausgaben für Kinderbetreuung, Pflege, etc.

* und aus einkommensstarken Haushalten, die Bedarf haben an billigen Hausarbeitskräften, um ihre anders eingesetzte Eigenzeit zu ersetzen.

Unter der Akklamation "der Wirtschaft" unterstützt staatliche Politik die Spaltung des Arbeitsmarktes von Frauen: in statusniedrige, einkommensschwache Dienstbotinnen-Jobs und in statushohe, einkommensstarke Leistungsträgerinnen-Jobs.

Die Ordnung zwischen den Geschlechtern bleibt in Takt. Frauen teilen sich die Nachteile untereinander auf. Weil auch Frauen ihre Arbeit lieben, sind einige gewinnbar als "Leistungsträgerin". Und weil nach wie vor die Zuschreibung funktioniert, Frauen machten Versorgungsarbeit aus Liebe, bleiben andere Frauen auf der Stufe der "dreckigen Migrantinnenarbeit" gefangen. So viel zur lieben Arbeit.

Die Autorin ist Mitarbeiterin der Katholischen Sozialakademie Österreichs und Leiterin des Lehrgangs "Geld und Leben. Ökonomisch kompetent sozial handeln" der ksoe-frauenakademie.

Der neue Lehrgang "GELD UND LEBEN" startet im Februar 2005 und endet im Februar 2007. Er ist eine berufsbegleitende Weiterbildung, die ökonomische Kompetenzen von Frauen stärkt und zur Durchführung von Innovationsprojekten im beruflichen, sozialen und politischen Umfeld qualifiziert. Infos: www.ksoe.at

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