Der Politikwissenschafter Emmerich Tálos tritt für eine bedarfsorientierten Grundsicherung ein. Sie soll nicht das bestehende System aus Sozial- oder Notstandshilfe, Ausgleichszulage, Arbeitslosengeld und anderen Leistungen ersetzen sondern ergänzen, um Armut wirkungsvoll zu verhindern. Voraussetzung für diese Existenzsicherung ist aber - wie derzeit auch für viele Sozialleistungen - Arbeitsbereitschaft bei Arbeitsfähigen. Partnereinkommen würden auf die Höhe der Grundsicherung angerechnet. Tálos ist allerdings kein Gegner einer bedingungslosen Grundsicherung für alle: "Natürlich ist das wünschenswert. Aber man muss Zwischenschritte machen. Es bringt nichts, eine bedingungslose Grundsicherung für alle zu fordern, wenn das politisch derzeit nicht durchsetzbar ist."
Ralf Welter von der Katholischen Arbeitnehmerbewegung Deutschland tritt für ein Mischmodell ein: Jeder soll, unabhängig von seiner finanziellen Lage, das Recht auf bedarfsunabhängige Grundsicherung mit "sanftem Tätigkeitszwang" haben. Mit Tätigkeitszwang deshalb, weil 18- bis 65-Jährige das Geld - er geht von e 636,- plus Wohngeld aus - nur bekommen würden, wenn sie im Sinne einer solidarischen Marktwirtschaft zu einem Beitrag bereit sind, sei es die Pflege von Angehörigen, Kindererziehung oder eine ehrenamtliche Tätigkeit. Er sieht den Fehler im derzeitgen System vor allem darin, dass "nur Erwerbsarbeit als wertschöpfend gesehen wird", statt auch derzeit unbezahlte Leistungen ebenfalls als wertvoll anzuerkennen. Welter will weg von einer Erwerbs- hin zu einer Tätigkeitsgesellschaft.
Margit Appel vom Österreichischen Netzwerk Grundeinkommen fordert ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle in existenzsichernder Höhe, unabhängig von Einkommen, Arbeitsbereitschaft sowie eigenem oder Partnervermögen. Sie glaubt, dass vor allem Frauen davon profitieren würden, die derzeit den größten Teil der unbezahlten Arbeit wie Pflege und Kindererziehung erledigen. Sie wären mit dem bedingungslosen Grundeinkommen nicht mehr auf das Einkommen eines Partners angewiesen, hätten aber auch auf dem Arbeitsmarkt mehr Verhandlungsmacht, da sie nicht mehr gezwungen seien, Teilzeitstelle zu miserablen Konditionen anzunehmen, wie es derzeit oft der Fall sei. Auch politisches oder soziales Engagement würde durch die finanzielle Sicherheit für viele erst möglich werden.
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