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Angst vor den Witfrauen
Jetzt brennt der Hut: Bis zum 26. Juni hat der Verfassungsgerichtshol nach einer Beschwerde des Mürzzuschlagers Johann Pfeiffer dem Gesetzgeber eine Frist gesetzt, Mann und Frau im Pensionsrecht gleichzustellen. Das wissen die Politiker seit dem Sommer des Vorjahres.
Das Problem ist ihnen freilich bereits seit vier Jahren bewußt: Nach der Verabschiedung des neuen Familienrechtes hat der Nationalrat auf Initiative der ÖVP-Fraktion des Sozialausschusses sogar einstimmig an den Sozialminister die Aufforderung gerichtet, auch die Sozialversicherung nach den Grundsätzen von Gleichberechtigung und Partnerschaft zu gestalten. 48 Monate später wird es damit nun ernst, freilich unter Zeitdruck.
„Das läuft nach einem sehr genauen Zeitplan ab“, erläutert der zuständige Sektionschef im Sozialministerium, Karl Fürböck, „den wir unter allen Umständen einhalten müssen.
Der Gesetzentwurf, der die Gleichbehandlung von Mann und Frau in der Hinterbliebenenversorgung herstellen soll, wird in den letzten Februar- bzw. den ersten Märztagen zur Begutachtung versendet.
„Dann“, so Fürböck mit Blick auf den Terminkalendef, „haben wir sechs Wochen Begutachtung, das heißt, daß die Frist etwa vor der Karwoche endet.“ Und bereits am 28. April soll die Regierungsvorlage den Ministerrat passieren und dem Nationalrat zugeleitet werden.
So unkompliziert, wie das der Zeitplan vermuten läßt, werden sich freilich die Beratungen selbst nicht gestalten. Denn das, was jetzt nach langem Zuwarten als Lösung präsentiert werden soll, war und ist nicht unumstritten: eine Witwerpension analog zur derzeitigen Witwenrente, die im nächsten Jahrzehnt in Etappen verwirklicht werden soll.
Es handelt sich dabei nämlich um eine Regelung, die ursprünglich bereits verworfen wurde.
„Das ist finanziell nicht tragbar“, erklärte der Präsident der Angestelltengewerkschaft, Alfred Dallinger, Anfang Juli 1980 zur Witwerpension, die Sozialminister Alfred Dallinger demnächst präsentieren wird.
Ebenso wurde auch eine andere Lösungsmöglichkeit ausgeschieden, weil sie für die Frauen eine krasse Schlechterstellung bedeutet hätte: die Anpassung der Witwenpension an die derzeitigen Voraussetzungen für die Witwerpension.
Dazu muß man die noch geltende Rechtslage kennen: Die Witwenpension in der Höhe von 60 Prozent gebührt der Ehefrau nach dem Ableben ihres Mannes. Der hinterbliebene Witwer erhält aber derzeit nur dann eine Pension, wenn er erwerbsunfähig ist und seine Frau ihn erhalten hatte.
Am wahrscheinlichsten schien lange Zeit die Lösung einer Partnerpension, bei der die beiden Pensionsansprüche zusammengezählt worden wären; der verwitwete Ehepartner hätte dann davon einen gewissen Prozentsatz erhalten, wobei eine Bandbreite von 60 bis 80 Prozent diskutiert wurde.
Eines war aber immer unumstritten: die neue Regelung sollte für die Frauen
keine Benachteiligung gegenüber der derzeitigen Gesetzeslage bringen.
Diese wurde aber befürchtet. Daher warf sich auch zu Jahresbeginn die SPÖ-Abgeordnete Jolanda Offenbeck, gleichzeitig Stellvertreterin von Heinz Fischer im sozialistischen Abgeordnetenklub, in die Bresche und verkündete, die Einführung einer Witwerpension analog zum Witwenpensionsrecht erschiene ihr „am sinnvollsten und gerechtesten“.
Das Kostenargument wischte sie mit dem Hinweis vom Tisch, daß die Männer ohnehin eine geringere Lebenserwartung haben und daher seltener eine Witwerpension in Anspruch nehmen könnten.
Das Argument einer möglichen Benachteiligung der Frauen wischte scheinbar alle politischen und finanziellen Bedenken gegen die Witwerpension vom Tisch. Die Angst, daß sich heutige und künftige Witfrauen am nächsten Wahltag dafür revanchieren könnten, spielt offensichtlich mit.
Dabei, findet ÖVP-Sozialsprecher Walter Schwimmer, könnte gerade die nunmehr angepeilte Etappenregelung einer Witwerpension unterm Strich nur Nachteile für die Frauen bringen. „Dadurch wird“, meint er, „erst recht eine Benachteiligung der Frauen geschaffen.“
Denn: Einerseits hat ein Großteil der Frauen gar keine eigene Pension und bleibt mit einer Witwenpension von 60 Prozent zurück. Andererseits ist die Durchschnittspension der Männer wesentlich höher als die der Frauen, etwa im Verhältnis von 100 zu 60.
Künftig würde somit ein Großteil der Frauen weiterhin mit der 60prozenti- gen Witwenpension Zurückbleiben, während die verhältnismäßig gut gestellten Männer noch eine Witwerpension dazubekämen. „Im Regelfall steht dann der Mann immer besser da, weil er eben eine höhere Eigenpension hat“, argumentiert der ÖVP-Sozialsprecher.
Und auch für die Witwer ist nicht alles Gold, was glänzt. Was die ins Auge gefaßte schrittweise Lösung bei einer ersten Etappe von angenommenen 20 Prozent des Witwerpensionsanspruches bedeutet, zeigt ein Beispiel:
Ein Witwer mit einer Eigenpension von 8000 Schilling würde nach seiner Frau, die 4000 Schilling Pension bezogen hat, zu Beginn 480 Schilling Witwerpension erhalten: zusammen 8480 Schilling.
Hat aber der Mann selbst nur 4000 Schilling Eigenpension, während seine verstorbene Frau 8000 Schilling bezogen hat, würde er 960 Schilling Witwerpension dazubekommen: macht 4960 Schilling.
„Das ist nicht ausreichend“, findet Schwimmer, „daß dieser Mann ausreichend versorgt zurückbleibt.“
Er tritt daher weiterhin für eine Partnerpension ein, bei der dem hinterbliebenen Teil 75 Prozent der gemeinsamen Pensionsansprüche garantiert werden.
Kommt es zur Witwerpension, fürchtet Schwimmer, daß später für Doppelpensionen neue Ruhensbestimmungen eingeführt werden: „Das wäre dann die größte Benachteiligung der berufstätigen Frauen.“
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