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Es war kein Meisterstück!

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Nein, man sah nicht immer freudig bewegte Gesichter bei den Sozialpensionisten, als ihnen in der ersten Jännerhälfte die so mit Spannung erwartete Pension ausgehändigt wurde. In vielen, sehr vielen Fällen herrschte Enttäuschung, ja sogar Empörung vor. Denn oftmals gab es gar nicht die so sehnsüchtig erwartete und bereits errechnete Erhöhung, ja vielfach überhaupt keine und dann und wann — und das war wohl das ärgste — sogar ein Minus gegenüber dem bisher bezogenen Betrag. Und darüber hatte man so viel gesprochen und geschrieben? Damit sollte eine der Rentenreform von 1961 gleichwertige, soziale Tat gesetzt werden?

Die Reihe der Fehler, die an der ganzen Malaise Schuld hatte, begann damit, daß die Politiker unserer beiden Regierungsparteien schon Monate zuvor der Öffentlichkeit eingeschärft hatten, daß die Sozialpensionisten eine, neunprozentige Anhe-bung ihrer Pensionen erhalten werden, die in zwei Etappen, am 1. Jänner und 1. Juli 1965, zur Auszahlung gelangen würde. Wären sie aufrichtig oder selbst richtig informiert gewesen, so hätten sie erklären müssen, daß nur die Pensionisten mit dem Pensionsanfall vor dem Jahre 1959 einer solchen neunprozentigen Erhöhung ihrer Bezüge teilhaftig werden würden. Bei einem Anfall in den Jahren von 1960 bis 1964 werde sich hingegen diese Erhöhung von 8,7 über 8,6, 7,8, 5,3 auf 1,9 Prozent senken. Das vergaß man den Rentnern zu sagen oder man wollte es nicht tun. Dies war die erste Enttäuschung.Weitere Enttäuschungen mußten zwangsläufig nachfolgen. Bekanntlich besinnt d!8 LohhsteueTpflicht iri^daüüSteöergruppe II mit 1529.51 Schilling. Rentner, die bisher einen Bruttomonatsbezug unter diesem Betrag besaßen, zahlten keine Lohnsteuer. Nun wurden sie durch die Anhebung ihrer Rente steuerpflichtig, und diese Steuer fraß nicht nur oft die ganze Erhöhung auf, sondern sie ging noch darüber hinaus, so daß der neue Nettobezug niedriger war als der frühere.

Ein solcher Vorgang soll nicht Empörung auslösen? Ich stimme diesbezüglich mit dem Obmann der SÖP-Parlamentsfraktion, Abgeordneten Uhlir, vollkommen überein, daß es nicht der Sinn der Lohnsteuer sein kann, soziale Leistungen wieder aufzuheben, und daß es die Sache des Parlaments sein müsse, bei der geplanten Steuerreform dafür zu sorgen, daß den Pensionisten in Hinkunft keine derartigen Nachteile mehr erwachsen dürfen.

Aber sehen wir weiter. War ein Pensionist bereits steuerpflichtig und geriet er durch die Erhöhung seiner Bruttorente in die Steuerprogression, mithin in eine höhere Steuerstufe, so wurde ihm gleichfalls oftmals der ganze Mehrbetrag weggesteuert, und er erhielt keinen Schilling mehr. Entging er aber schon der so gefürchteten Progression, so fügte ihm der erhöhte Krankenkassenbeitrag vielfach den gleichen Schaden zu. Auch dieser steigt mit der erhöhten Rente an und nahm oftmals die ganze Anhebung für sich in Anspruch. Der Rentneranteil am Beitrag zur Rentnerkrankenversicherung beruht bekanntlich auf einer Verordnung des Sozialministeriums vom 3. Jänner 1957, BGBl. 16/57, beginnt mit einem Prozent des monatlichen Rentenbezuges und steigt bis auf 2,5 Prozent.

Damit nicht genug, kam es auch bei den Ausgleichszulagen zu Verfügungen, die einer Gruppe von Rentnern trotz der in der 14. ASVG-Novelle vorgesehenen Anhebung des Richtsatzes von 840 auf 875 Schilling am 1. Jänner eine Erhöhung ihrer Ausgleichszulage versagte. Das ist nach einer Aussendung des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger damit zu erklären, daß entgegen der bisherigen Gepflogenheit begünstigte Teilbeträge der Pensionen auf die Erhöhung der Richtsätze angerechnet werden mußten; dies entspreche — so sagt man — dem Gleichheitsgrundsatz. Der Hauptverband wird mir die Bemerkung verzeihen, wenn ich behaupte, daß diese Erklärung für jeden Sozialpensionisten, und mag er noch so klug sein, völlig unverständlich ist. Hier müßte doch etwas mehr gesagt werden.

Tröstend bemerkt der Hauptverband dann noch in seiner Aussendung, daß immerhin mehr als 95 Prozent der Sozialpensionisten eine direkte Pensionserhöhung erhalten haben. Sehr schön, aber die restlichen fünf Prozent der 1,073.000 Pensionisten stellen .immerhin jeine Gruppe von mehr als 50.000 Personen dar, dia...durch dJA*AöueaiGe-setze nicht nur nicht mehr, sondern vielfach sogar weniger bezieht als bisher. Wenn nun die Aussendung des Hauptverbandes unter besonderer Bezugnahme auf die so enttäuschten Bezieher von Ausgleichszulagen schließlich erklärt, mit dem Wirksamwerden der zweiten Etappe der Pensionerhöhung im Juli dieses Jahres werde dann auch bei dieser Gruppe eine effektive Erhöhung des Bezuges eintreten, so kann man nur sagen, daß diese Behauptung nach alledem, was nun geschehen ist, in Rentnerkreisen stark angezweifelt wird. Im übrigen erinnern wir uns, daß in früheren Novellen zum ASVG (so in der 1., 4. und 8.) wiederholt ine Schutzbestimmung aufgenommen war, daß der neue Bezug in keinem Fall niedriger sein darf als der zuvor bezogene. Damit wäre auch diesmal den Pensionisten viel erspart geblieben.

Nein, wirklich, die neuen Sozialversicherungsnovellen sind fcein legristisches Meisterstück, aber wir wollen es uns versagen, den Gründen hiefür nachzugehen; jetzt, da es zu spät ist, wäre dies zwecklos.

Nur eines glauben wir bemerken zu müssen: Der Gesetzgeber, oder wer immer hinter dieser Fassade steht, dürfte kaum die rechte Vorstellung davon gehabt haben, was geschehen wird, wenn die am grünen Tisch ersonnenen Bestimmungen auf die Wirklichkeit appliziert werden. In Hinkunft wird es sich jedenfalls als notwendig erweisen, bei weiteren Novellierungen des ASVG Vertreter der Rentner den Verhandlungen mit beratender Stimme zuzuziehen. Und wenn jetzt der Verband österreichischer Rentner und Pensionisten die sofortige Novellierung der eben erst in Kraft getretenen 14. ASVG-Novelle fordert, so ist dies zwar für den Gesetzgeber blamabel, aber tatsächlich die einzige Möglichkeit, um die Sozialpensionisten vor weiteren Schäden zu bewahren.

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