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ls weiteren „typischen Fall von Überforderung“ nennt Hillegeist die durch die Rentenreform erfolgte Einführung der vorzeitigen Alterspension (Frührente), die das bisherige Anfallsalter für die Altersrente Männern etappenweise bis 1966 auf das 60., bei Frauen auf das 55. Lebensjahr senkt, vorausgesetzt, daß 3 5 für die Leistungsbemessung anrechenbare Versicherungsjahre vor handen sind. Diese Art der Alterspension wurde besonders von den Gewerkschaften angestrebt und sollte insbesondere bei solchen Arbeitnehmern Anwendung finden, die erst relativ spät in ein Beschäftigungsverhältnis eintraten. Ihre Zahl dürfte kaum ins Gewicht fallen und die finanzielle Mehrbelastung der Versicherungsträger gering sein. Dennoch wendet sich Hillegeist gegen diese Frührente, weil die Versicherungsträger dadurch fünf Jahre früher einen Beitragszahler verlieren und fünf Jahre länger die Pension auszahlen müssen.

Automatik und Ruhensbesthnmungen

Dann befaßt sich Hillegeist mit der Rentenautomatik, deklariert sich zwar als ihr „überzeugter und leidenschaftlicher Befürworter“, „sie sei eine zwingende soziale Notwendigkeit“, und „ohne Verwirklichung der dynamischen Pension bleibt das ASVG Stückwerk; dennoch müsse er davor warnen, ehe man sich nicht über die notwendige Revision des in gewissen Fällen überspitzten Leistungsrechtes sowife über die finanzielle Deckung der künftigen höheren Pensionsaufwen- dungjen geeinigt hat“. Diese Erklärung hat besonders überrascht und ist vom Sozialversicherungsexperten der SPÖ, Robert U h I i r, Direktor der Pensions- versicherungsanstalt der Arbeiter, abgelehnt worden. Einem Reporter der „Wochenpresse“ gegenüber erklärte Uhlir, es sei ja allgemein bekannt, daß Hillegeist und er in Pensionsfragen sehr oft gegensätzlicher Meinung seien. Das Verlangen Hillegeists, den Pensionisten Leistungen, die man ihnen schon zugestanden hat, nun wieder zu entziehen, finde er „absurd".

Schließlich wendet sich dann Hillegeist wieder einmal den Renten- ruhensbestimmungen zu und verwehrt sich gegen die Auffassung, daß man auf die volle Pension unter allen Umständen einen uneingeschränkten Rechtsanspruch haben müsse, auch dann, wenn der Lebensunterhalt ohnehin noch durch ein ausreichendes Erwerbseinkommen oder eine weitere Pension in ausreichender Höhe gesichert ist. ln solchen Fällen hält er die Stillegung der Pension bis auf jenen Teil, der durch die Beiträge versicherungsmäßig gedeckt ist, für durchaus vertretbar wie auch gerechtfertigt.

Dieser Äußerung Hillegeists ist zu entnehmen, daß er leider nach wie vor nicht nur ein entschiedener Gegner der Aufhebung der letzten Ruhensbe- stimmung, des dem Gleichheitssatz des Art. 7 unserer Bundesverfassung widersprechenden und bei den selbständig erwerbstätigen Rentnern sogar undurchführbaren § 94 ASVG geblieben ist, sondern sogar für die Wiedereinführung jener Ruhensbe- stimmungen eintritt, die bereits durch die 8. Novelle zum ASVG ab 1. Jänner 1961 aufgehoben wurden (Rente neben Bundespension und Bezug mehrerer Renten nebeneinander). — Ist sich aber Hillegeist nicht dessen bewußt, welches beklemmende Gefühl der Rechtsunsicherheit durch solche Äußerungen unter den Rentnern entsteht? Und gerade dies zu einem Zeitpunkt, da eine Reihe von Ministerpensionen zugesprochen wurde, für die bekanntlich die Ruhensbesthnmungen keine Geltung haben, mit denen also beliebig viele Aktivgehälter und Funktionsgebühren kumuliert werden können, was nicht immer zu einer allgemeinen „Entspannung“ beiträgt.

Präsident Hillegeist schließt seinen Artikel in „Arbeit und Wirtschaft“ mit dem Satz, es werde „Mut zur Wahrheit und Mut zur Konsequenz“ erforderlich sein, um die Grundlagen unserer Pensionsversicherung in dauernde Ordnung zu bringen. Wir aber möchten hinzufügen: Vor allem Mut zum Recht wird hier erforderlich sein; denn ohne feste, auch den Gesetzgeber dauernd bindende Rechtsgrundlagen wird unsere Rentenversicherung nicht gedeihen und nicht das für sie so erforderliche Vertrauen genießen können. Und wohlgemerkt; Der Rechtsanspruch auf die Leistung von seiten des Versicherten oder Rentners, das war seit eh und je das Kriterium der sozialen Rentenversicherung.

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