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Vorsorge, nicht Fürsorge

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Von den vier Wegen zur Alterssicherung standen den Aerztekammern offen: Fortsetzung der bloßen Fürsorgetätigkeit, Eingliederung in die „Soziale Sicherheit“ speziell im Rahmen des ASVG, Abschluß von Gruppenvereinbarungen mit privaten Versicherungen und Vorsorge aus eigenen Mitteln. Die Entscheidung erfolgte nach gründlichen Ueberlegungen und mathematischen Berechnungen und schließlich Urabstimmungen in den einzelnen Bezirken. Anpassung an die eigenen Bedürfnisse eines freien Berufes, Freiheit von Bevormundung durch Großversicherung oder Staat, Ausgleichsmöglichkeit von sozialen Härten innerhalb der Kollegenschaft, eigene Festsetzung zwischen Leistungsfähigkeit und Rentenhöhe, automatische Anpassung des Einkommens (Honorarhöhe) an die Rentenhöhe durch Koppelung des Hausbesuchhonorars an die Rente, möglichst geringe administrative, an eine Stelle konzentrierte Stelle und damit billigste Verwaltung; all dies konnte durch die ständische Vorsorge erreicht werden. Gegenüber dem Präliminare der Verwaltungskosten im Gesetzentwurf sind die tatsächlichen Verwaltungskosten der ständischen Vorsorgeeinrichtungen bloße Trinkgelder.

So sind also einige Berufsstände selbständig Erwerbstätiger seit Jahren erfolgreich und praktisch bewährt einen Weg zur Sicherung ihrer Angehörigen gegen Alter und Invalidität gegangen. Die bloße Fürsorgetätigkeit wurde verlassen, weil die Fonds dafür verlorengingen, weil das Gefühl des Almosens vermieden werden, weil die subjektive Beurteilung ausgeschaltet werden, weil der Rechtsanspruch hergestellt und weil auch der verschämt Bescheidene gegenüber dem Anspruchsvollen geschützt werden sollte.

Der heute allgemeine Weg in die „Soziale Sicherheit“, von einer Seite sehr empfohlen, schien naheliegend, da bereits eine Großzahl angestellter Aerzte dieser „Wohltat teilhaftig sind", die Aerzte einen Großteil ihrer Arbeit der sozialen Sicherheit widmen und außerdem in einem „angestelltenähnlichen Verhältnis“ stehen. Auf die weltanschaulich-politischen Gründe für oder gegen diesen Weg habe ich vor Jahren in der „Oesterr. Aerztezeitung“ hingewiesen. In einer gemeinsamen Versicherung der selbständig Erwerbstätigen; in der hohe Beiträge, aber geringe nivellierte Renten zu erwarten sind, die Aerzte Risken anderer Berufe ausgleichen müßten, würden vor allem zwei Besonderheiten ihres Berufes nicht zur Geltung kommen: Das Spitzeneinkommen, das für die Beitragsleistung besonders in Frage kommt, konzentriert sich auf wenige Jahre, der Verdienstanfang liegt erst zwischen 30 bis 35 Jahren, der Beginn des Rentenbezugs später als bei anderen Berufen. Kapitalabfindungen sind bei diesem Beruf kaum üblich.

Die private Versicherung bringt freilich die Erfahrung vieler Jahre, den gut eingespielten Apparat der Werbung und Verwaltung mit. Sie trägt aber auch die Last der Aufsicht, der Kapitalsunsicherheit, die Verwaltungskosten und die Gewinne der Versicherung. Man soll beide Waagschalen nicht zu gering einschätzen! Entscheidend ist meiner Meinung, daß die privaten Versicherungen, durch das Statut der staatlichen Aufsicht gezwungen, eine so hohe Sicherheitsreserve einkalkulieren müssen, daß sie überbelastet werden gegenüber der „Sozialen Sicherheit" mit ihrer „Staatsgarantie". (Welche Garantie mehr wert war, die der Versicherungen für die „Goldkronen“ oder „Goldschilling“ der Erlebensversicherung oder die des Staates für die Banknoten, die Sparkasseneinlagen oder Staatsanleihen, mögen jene beurteilen, die sich „klugerweise“ sowohl da wie dort „sicherten“.)

Es blieb also wirklich nur der Weg der Vorsorge aus eigenen Mitteln. Er wurde gegangen, in verschiedenen Ländern, in verschiedenen Techniken, aber in allen mit Erfolg.

Damit, daß man diese Einrichtungen nicht zerstören soll, mag keineswegs gesagt sein, daß sie als allgemeingültige Muster anzusehen wären. Sie haben nur für relativ eng umgrenzte Standesgruppen ihren Wert. Die kollektive Versicherung großer Bevölkerungskreise, wie beispielsweise die Krankenversicherung, die Unfallversicherung usw. neben der Pensionsversicherung Angestellter sei unbestritten. Ebenso der Wert individueller Vorsorge durch Privatversicherungen — etwa als Zusatzversicherung — auf Basis individueller Prämien. Unabstreitbar aber sind auch die vielfachen Vorteile der ständischen Vorsorgemaßnahmen sowohl theoretisch wie auch durch die langjährige praktische Erfahrung.

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