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Was kostet ein Kind?

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Bei einer Fernsehdiskussion über die Fristenlösung ließ Staatssekretär Elfriede Karl die Gelegenheit nicht 'vorübergehen, auf die als flankierende Maßnahme gedachte Erhöhung der Geburtenbeihilfe und des Karenzurlaubsgeldes hinzuweisen — aber auch auf die Schülerfreifahrten und die Gratisschulbücher.

An Hand des Preiskataloges eines großen Kinderausstattungshauses läßt sich der Gesamtaufwand für die Ausstattung eines Kindes im ersten Lebensjahr mit rund 10.000 Schilling errechnen. Die Geburtenbeihilfe hingegen wurde von 2000 Schilling im Jahre 1972 auf 16.000 Schilling im Jahre 1975 erhöht. In der Studden-arbeit der Sozialwissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaft heißt es in diesem Zusammenhang: „Es ist daher eigentlich nicht mehr die Bezeichnung Geburtenbeihilfe, sondern eher die einer Geburtenprämie am Platz. Einer Prämie dafür, daß die Mutter nicht abgetrieben hat, sondern tut, was die Vernunft schon gebietet: sich und das Kind ausreichend ärztlich betreuen zu lassen.“

Die Rekorderhöhung der Geburtenbeihilfe hat allerdings eine durchaus erfreuliche Wirkung gehabt: eine bisher nicht gekannte Inanspruchnahme der Mutter-Kind-Untersuchungen. Vielleicht könnte man nach diesen Erfahrungen auch den geradezu kläglichen Zustrom zu den Ge-sundenuntersuchungen Erwachsener auf ein von mündigen Menschen zu forderndes zahlenmäßiges Niveau heben. Aber können wir uns es leisten, Vorsorgeuntersuchungen nicht nur gratis zu ermöglichen, sondern auch noch dafür zu bezahlen, daß sie in Anspruch genommen werden?

Eine Bewährung der „Geburtenprämie“ als flankierende Maßnahme zur Freigabe der Abtreibung steht allerdings noch aus. Zumindest läßt sich aus dem heurigen Verlauf der Geburtenstatistik kein Anzeichen dafür erkennen, daß weniger abgetrieben wird. Vermutlich genügt es nicht, den Willen zum Kind mittels einer Prämie zu wecken. Das ist schon bei einer rein materiellen Betrachtung zu verstehen. Sachausgaben fallen nicht nur im ersten Le^ bensjahr eines Kindes an, sondern Jahr für Jahr, und sogar in rasch steigendem Maße. Selbst Jeanshose und Pullover für einen Volksschüler kosten schon wesentlich mehr als ein Strampelanzug.

Durch alle die Jähire bleibt aber die Familienbeihilfe gleich. Natürlich müssen Eltern bereit sein, auch bedeutende materielle Opfer für ihr Kind zu bringen, aber die mit dem zunehmenden Kindesalter wachsende Belastung des Familienbudgets sollte auch die Familienbeihlfe berücksichtigen. Der Familienpolitische Beirat beim Bundeskanzleramt hat sich daher schon 1970 die Forderung der Familienverbände zu eigen gemacht, daß die Unterhaltskosten eines Kindes in naher Zukunft zur Hälfte aus der Familienbeihilfe gedeckt werden sollten. Was aber kostet ein Kind in den verschiedenen Altersstufen?

„Eine stichhaltige Berechnung von Kinderkosten ist meines Wissens nicht verfügbar“, antwortete Bundeskanzler Kreisky auf eine parlamentarische Anfrage vom 10. Juli 1973. Finanzminister Androsch hieb zwei Jahre später in dieselbe Kerbe, als der Familienpolitische Beirat um die Ausarbeitung eines mehrjährigen Stufenplanes zur Anhebung der Familienbeihilfen auf 50 Prozent der Kinderkosten ersuchte. Nach dreimonatiger Bedenkzeit verwies Androsch im Oktober dieses Jahres „mit vorzüglicher Hochachtung“ darauf, „daß bisher noch keine allgemein anerkannten Durchschnittskosten für ein Kind bekannt sind“.

Was Kreisky und Androsch nicht können, ist Justizminister Broda möglich. Wenn Gerichte bei Ehescheidungen über die Frage der Alimente zu befinden haben, können sie nicht warten bis „allgemein anerkannte Durchschnittskosten für ein Kind bekannt sind“. Seit Jahren stellt daher das Bundesministerium für Justiz den Gerichten als Ent-scheidungshilfe eine Tabelle zur Verfügung, welche Kinderkosten angibt, die Eltern mit „durchschnittlichen monatlichen Verbrauchsausgaben von 3500 bis 13.500 Schilling“ erwachsen. Eine SWA-Studie zieht von diesen Kinderkosten die monatliehe Kinderbeihilfe von gegenwärtig 340 Schilling ab und stellt so die Höhe der aus dem Elterneinkommen zu bestreitenden Ausgaben fest. Mit dem Blick auf die Geburtenbeihilfe heißt es dazu in der Studie: „Die jungen Eltern werden aber bald feststellen müssen, daß sie nach dem großzügigen .Einstand' des Ausgleichsfonds im ersten Lebensjahr sich mit einer Familienbeihilfe bescheiden müssen, die je nach dem Alter nur 10 bis 33 Prozent Unterhaltskosten eines Kindes deckt.“

Gegen die Kostenberechnung des Justizministeriums lassen sich manche Einwände machen, aber diese könnten etwa auch gegen den Index der Verbraucherpreise eingewendet werden. Jedenfalls spiegelt die Kostenberechnung eine allen Eltern nur zu gut geläufige Tatsache wider, daß ein Kind mit zunehmendem Alter immer mehr kostet und daß es dabei nicht um geringe Beträge geht. Die vom Bundeskanzler mit Familienfragen betraute Staatssekretärin weiß es allerdings anders; sie lehnte in der Parlamentsdebatte vom

12. Juli 1974 eine Altersstaffelung der Familienbeihilfen ab: „Die wesentlichen altersadäquaten Belastungen haben wir abgenommen, abgenommen mit dem Schulbuch, abgenommen mit der Schulfreifahrt.“

Im Justizministerium ist man der begründeten Ansicht, daß es außer Schulfahrt und Schulbüchern noch andere „altersadäquate Belastungen“ gibt, denn es setzt die Unterhaltskosten in der Vorschulzeit mit 1020 und 1410 Schilling an, in der Pflicht-schulzeit aber mit 1790 Schilling und 2020 Schilling. Das Unterrichtsministerium anerkennt für Volksschüler nur Schulbuchkosten in Höhe von höchstens 400 und für Hauptschüler von höchstens 750 Schilling. Selbst wenn die Bücher nicht bisher schon von der Gemeinde oder wenigstens zum Großteil von der Schülerlade beigestellt wurden, entspricht die Kostenersparnis durch das sogenannte Gratisschulbuch nicht einmal der altersadäquaten Mehrbelastung eines einzigen Monats im Jahr, das Kind aber will 12 Monate gekleidet und ernährt werden. Die freie Schulfahrt bringt jenen hunderttausenden Eltern nichts, die am Schulort wohnen und so gut wie nichts jenen, die mit den Bundesbahnen fuhren, weil diese bis 1972 auf Schülermonatskar-ten eine Ermäßigung zwischen 88,4 Prozent und 95 Prozent gewährten.

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