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Diskriminierung der Familienhaushalte

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Die seit Jahresbeginn geltende „Familienbesteuerung" bringt eine durchgehende Begünstigung der getrennt lebenden (Ehe-)Part-ner und bewirkt damit eine krasse Diskriminierung der im gemeinsamen Haushalt lebenden Familien.

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Die seit Jahresbeginn geltende „Familienbesteuerung" bringt eine durchgehende Begünstigung der getrennt lebenden (Ehe-)Part-ner und bewirkt damit eine krasse Diskriminierung der im gemeinsamen Haushalt lebenden Familien.

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Mit dem Hinweis auf diese Situation (siehe Kasten) hat das Dr.-Karl-Kummer-Institut für Sozialpolitik und Sozialreform auf ein Problem aufmerksam gemacht, das bisher noch in keinem Steuerreformprogramm aufscheint, dessen Lösung aber zur Beseitigung neuer Verfassungswidrigkeiten durch die neue Einkommenbesteuerung dringend geboten ist.

Die seit Jahresbeginn geltende Einkommenbesteuerung hat damit nicht nur die vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) gerügten Verstöße gegen das Gleichheitsgebot gegenüber Kinderlosen nicht ausgeräumt, es hat darüber hinaus neue verfassungswidrige Rechtszustände geschaffen. Sie bewirkt eine Reihe von krassen Ungereimtheiten, die zu einer massiven Diskriminierung der im gemeinsamen Haushalt lebenden Familien gegenüber getrennt lebenden oder auch nur offiziell getrennt gemeldeten (Ehe-)Partnem führen. Darauf ist in der Fachliteratur bereits überzeugend aufmerksam gemacht worden.

Das kann nicht wirklich die Absicht von Regierung und Parlamentsmehrheit gewesen sein. Von dem für 1994 beabsichtigten Schritt zur Steuerreform muß daher erwartet werden, daß diese zum Anlaß genommen wird, diese schweren Mängel zu beseitigen, die nur dann verständlich wären, wenn es dem Gesetzgeber wirklich darum ginge, die Rechtsinstitution der Ehe zu zerstören und auch die bloße Gründung eines gemeinsamen Haushalts mit Sanktionen zu belegen.

Diese unverständlichen Ungleichbehandlungen sind die sichtbare Fo£ ge des Verzichts des Gesetzgebers auf eine konsistente Begründung für die diversen Absetzbeträge. Auf diese Weise konnte auch die Tatsache kaschiert werden, daß dem Auftrag des VfGH nur in bezug auf den getrennt lebenden Unterhaltspflichtigen wenigstens in einer Richtung Rechnung getragen wurde. Nur mit der Beseitigung der Diskriminierung der im gemeinsamen Haushalt Lebenden durch Anwendung der steuerlichen Stellung der getrennt Lebenden auch auf die gemeinsamen Haushalte würde einer verfassungskonformeren Einkommenbesteuerung für alle Steuerpflichtigen näher gekommen werden.

Die Gewährung des Unterhaltsabsetzbetrages für den getrennt lebenden Unterhaltspflichtigen ist nämlich die konsequente Folge der durch die Unterhaltspflicht verminderten steuerlichen Leistungsfähigkeit. Das entspricht - von der unzureichenden Höhe zunächst abgesehen - dem gerade für diesen Fall ausgesprochenen Auftrag des VfGH. Da die steuerliche Leistungsfähigkeit des im gemeinsamen Haushalt lebenden Unterhaltspflichtigen aber genauso vermindert wird, müssen auch diesem die gleichen Absetzbeträge gewährt werden. Das ist aber nicht der Fall, da diese Absetzbeträge nicht dem Unterhaltsund Steuerpflichtigen, sondern gemeinsam mit der Familienbeihilfe dem Bezieher derselben gewährt werden.

Eine volle Nachziehung der im gemeinsamen Haushalt lebenden Familien an die derzeitige Regelung für die getrennt Lebenden wäre freilich mit Kosten verbunden, die bei der derzeitigen Regelung für die getrennt Lebenden offenbar keine Rolle gespielt hat.

Da dem Alleinerzieher ohne Rücksicht auf eigene oder von anderer Seite gewährte Unterhaltsleistungen die vollen Kinderabsetzbeträge gewährt werden, müßten zur Gleichstellung der Zusammenlebenden eigentlich auch dem (Ehe-)F'artner des Steuerpflichtigen - ob er nun selbst Unterhaltspflichten zu tragen hat oder nicht - ohne Rücksicht auf sein Einkommen die Kinderabsetzbeträge in der gleichen Höhe gewährt werden.

Der Alleinverdienerabsetzbetrag müßte - um eine Diskriminierung der zusammenlebenden (Ehe)Partner zu vermeiden - dem Alleinerzieherab-setzbetrag dadurch in der Wirkung gleichgestellt werden, daß die „negative Einkommenssteuer" von 2.000 Schilling jährlich nicht nur dem getrennt lebenden, sondern auch dem im gemeinsamen Haushalt lebenden Partner gewährt wird, der über kein eigenes dafür schädliches Einkommen verfügt.

Die dem Verfassungserfordernis entsprechende Mindestgleichziehung wäre die Gewährung des Kinderab-setzbetrages auch für den im gemeinsamen Haushalt lebenden Unterhaltspflichtigen und die konsequente Durchziehung der Gewährung des Absetzbetrages als Konsequenz der Unterhaltsverpflichtung nur dem Verpflichteten und pro Kind nur einmal zu gewähren. Der weitere Weg, die Diskriminierung der im gemeinsamen Haushalt Lebenden zu vermeiden wäre - wenn man die budgetären Folgen einer Gleichziehung scheut -die Beseitigung der Privilegierung der getrennt Lebenden.

Es wird den Verantwortlichen sicher nicht leicht fallen, aus der selbstgebauten Sackgasse wieder herauszukommen, für einen der beiden Wege aber, werden sie sich entscheiden müssen.

Angesichts dieses Umstandes und der heute ohnedies weit verbreiteten Scheu vor Dauerbindungen wird allen jenen ein heroischer Verzicht abverlangt, die dennoch die Gründung eines gemeinsamen Haushalts auf sich nehmen, vom Eingehen einer rechtlichen Ehe ganz zu schweigen! Die zwangsläufige Konsequenz aller dieser Ungereimtheiten ist die durchgehende tendenzielle Begünstigung getrennt lebender „Partner". Der neue Paragraph 33 Absatz 4 Einkommensteuergesetz fördert nicht die intakte Ehe oder zumindest das Eingehen einer eheähnlichen Partnerschaft, sondern die getrennte Haushaltsführung und die Zersplitterung der Familie.

Diese ganz unglaubliche und weithin wirksame ehe verhindernde Diskriminierung wird von der Regierung damit begründet, daß die getrennte Haushaltsführung der Elternteile im Vergleich zu einer gemeinsamen Haushaltsführung zusätzlichen Aufwand verursacht. So würden etwa in beiden „Haushaltssphären" - somit doppelt (!) - Räumlichkeiten und Einrichtungsgegenstände für das Kind zur Verfügung stehen. Auch bei der Freizeitgestaltung, wie dem Verbringen eines gemeinsamen Urlaubs mit dem Kind durch jeden Elternteil -somit ebenfalls doppelt (!) - würde es insgesamt gesehen zu höheren Aufwendungen kommen. Gleichzeitig stellt die Regierung aber fest, daß sich der Steuerpflichtige vielfach „freiwillig in die Lage gegeben hat, keinen gemeinsamen Haushalt mit dem anderen Eltemteil zu führen"! Der noch viel häufigere Fall, daß die Eltern sehr wohl einen gemeinsamen Haushalt führen, aber getrennt (etwa noch bei ihren Eltern) gemeldet sind, wird überhaupt nicht in Betracht gezogen.

Kann unter solchen Umständen von einer jungen Familie wirklich erwartet werden, um den Preis eines Einkommensverlustes von jährlich mindestens ein bis zwei Monatsgehältern eine Ehe einzugehen oder wenigstens einen gemeinsamen Haushalt zu gründen oder auch nur zu deklarieren?

Angesichts der sehr unterschiedlichen freiwilligen und der rechtlich viel weiter gehenden gesetzlichen Unterhaltsleistungen ist eine gleiche steuerliche Berücksichtigung schon allein eine Verletzung des Gleichheitssatzes infolge der Gleichbehandlung von steuerlich Ungleichem. Außerdem ist die grundsätzliche Diskriminierung aller im gemeinsamen Haushalt Lebenden gegenüber den tatsächlich oder offiziell getrennt lebenden Familien ein rechtlicher Zustand, der nicht nur der Verfassung im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz widerspricht. Er spricht jeder wachsenden Erkenntnis Hohn, daß geordnete Familien der wirkungsvollste Weg sind, ein geglücktes Leben vorzubereiten und wachsender Existenznot und Flucht der Jugend in Drögen und Kriminalität entgegenzuwirken.

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