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Autos und Kinder

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Der österreichische Gewerkschaftsbund fordert im Hinblick auf die vor allem durch die Treibstoffverteuerung gestiegenen Kraftfahrzeugkosten eine Erhöhung des lohnsteuerlichen Kraftfahrzeugpauschales; der Finanzminister äußert seine grundsätzliche Bereitwilligkeit hie-zu. Das Kraftfahrzeugpauschale steht einem Arbeitnehmer zu, der für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte an Stelle eines Massenverkehrsmittels ein eigenes Kraftfahrzeug benutzt. Es beträgt derzeit für einen Pkw 494 S monatlich; (beträgt allerdings die Fahrtstrecke Wohnung—Arbeitsstätte— Wohnung mehr als 40 km, erhöht es sich auf 728 S monatlich). Das Kraftfahrzeugpauschale mindert die

Lohnsteuerbemessungsgrundlage, das heißt: es ist als Freibetrag vom Gehalt oder Lohn zur Ermittlung der Lohnsteuerbemessungsgrundlage in Abzug zu bringen. Ob nun Werbungskosten — wie die steuertechnische Bezeichnung für solche Aufwendungen heißt, die dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit seinen lohnsteuerpflichtigen Einkünften erwachsen — oder Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen: für alle diese Ausgaben gilt der Grundsatz, daß Einkommensteile, die zur Erlangung dieses Einkommens aufgewendet werden oder die berücksichtigungswürdigen Aufwendungen dienen, die die steuerliche Leistungsfähigkeit mindern, nicht der Einkommensteuer (Lohnsteuer) unterworfen werden dürfen.

Diese Vorgangsweise führt allerdings bei unserem progressiven Steuertarif zu einer, von der Einkommenshöhe abhängigen unterschiedlichen Steuerersparnis. Höhere Einkommensempfän/ger erzielen wegen der höheren Spitzensteuersätze eine (größere Steuerersparnis als kleinere Einkommensempfänger.

In dieser Auswirkung eine Begünstigung des Höherverdienenden zu erblicken, wäre jedoch ein Trugschluß. Jede steuerlich absetzbare Anschaffung trägt einem Steuerpflichtigen mit einem Spitzensteuersatz von 50 Prozent eine doppelt so hohe Steuerermäßigung ein wie einem Steuerpflichtigen mit einem Spitzensteuersatz von 25 Prozent. Mit dem Prinzip der progressiven Besteuerung (welches sich wiederum aus dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ergibt) ist unabänderlich die Degressions-wirkung bei durch steuerlich absetzbare Ausgaben sinkendem Einkommen verbunden. Alle Minderungen des Einkommens, wozu auch Ausgaben gehören, die die steuerliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen beeinträchtigen (z. B. außergewöhnliche Belastungen) wirken sich in der gleichen Weise aus.

Das Gleiche

Eine Ausnahme von diesem systembedingten Grundsatz macht das österreichische Steuerrecht jedoch seit Beginn dieses Jahres hin-

sichtlich der Kinderkosten. Das Einkommensteuergesetz 1972 ersetzt die bisherigen Kinderfreibeträge durch Kinderabsetzbeträge. In den Erläuternden Bemerkungen wird dazu ausgeführt:

„Den Steuerabsetzbeträgen wird gegenüber den Steuerfreibeträgen der Vorzug gegeben, weil sie sich sozialer auswirken. Die Steuerabsetzbeträge führen nämlich, sobald das Einkommen, ab dem sie sich voll auswirken, erreicht ist, zu einer gleichmäßigen Entlastung der Steuerpflichtigen und begünstigen nicht, wie die Steuerfreibeträge, die Empfänger hoher Einkommen, die einer solchen Begünstigung grundsätzlich nicht bedürfen. Als Grundsatz der neuen Regelung gilt, daß jedes Kind im gleichen Ausmaß als förderungswürdig anzusehen ist.“

Steuerabsetzbeträge sind also sozialer und begünstigen nicht die Empfänger höherer Einkommen. Jeder soll das Gleiche bekommen, jedes Kind wird gleich gefördert.

Die Begründung zeigt unverhüllt die angestrebte Nivellierung, der der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit für die Familien zum Opfer fallen mußte. Die einem Familienerhalter erwachsenden Aufwendungen berühren nicht mehr die steuerliche Leistungsfähigkeit. Die Kinderkosten werden pauschal durch gleich hohe Steuernachlässe abgegolten.

So lange aber die Beihilfen die Kinderkosten auch nicht annähernd decken — das ist weder zu erwarten noch vielleicht anzustreben — werden die Mehraufwendungen, 'die Familien gegenüber den Kinderlosen und die Kinderreiche gegenüber den Familien mit weniger Rindern zu tragen haben, deren Lebensstandard beeinträchtigen und diese Familien diskriminieren.

Für die Einkommensbesteuerung jedoch werden diese Mehraufwendungen nicht mehr als eine Beeinträchtigung der steuerlichen Leistungsfähigkeit angesehen, weil sich das in unterschiedlich hohen Steuerersparnissen auswirkt. Wohl führen z. B. die Unterhaltskosten an die geschiedene Ehegattin, wenn der Unterhalt leistende Ehegatte wieder verheiratet ist, zu einer Beeinträchtigung der steuerlichen Leistungsfähigkeit, die im Wege der außergewöhnlichen Belastung berücksichtigt wird.

Und hier wird ebenso, wie zum Beispiel beim Kraftfahrzeugpauschale, es nicht als unsozial empfunden, daß diese Absetzbeträge und auch alle anderen zu unterschiedlichen Steuerersparnissen führen und daß sie höhere Einkommensempfänger mehr begünstigen, die vielleicht (siehe die zitierten Erläuternden Bemerkungen) „einer solchen Begünstigung grandsätzlich nicht bedürfen“.

Warum gerade bei der Familie die Beseitigung der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit?

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