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Die erstarrten Werbungskosten

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Das Bemühen des Gewerkschafts bundes, in den Ansätzen des Budgets 1962 auch eine Erhöhung des Werbungskostenpauschales der Dienstnehmer unterzubringen, hat eine lebhafte Diskussion um den Sinn der Werbungskosten überhaupt und um die Rechtfertigung einer Erhöhung des Pauschales für die Dienstnehmer entstehen lassen.

Gemäß § 9 des Einkommensteuergesetzes sind die Werbungskosten Aufwendungen, die den Beziehern bestimmter Einkunftsarten im Rahmen der Erwerbung, der Sicherung und der Erhaltung ihres Einkommens entstehen. Die Werbungskosten sind bei jener Einkunftsart abzuziehen (etwa: Kapitaleinkünfte, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung), bei der sie „erwachsen” sind. Auch Dienstnehmer haben Werbungskosten, sogar die Rentner — aus steuertechnischen Gründen —, obwohl sie keine Aufwendungen für die Erzielung von Einkünften haben.

Die Dienstnehmer können die Werbungskosten (die gleichsam „betriebsbedingten” Aufwendungen), welche sie im Interesse der Erzielung eines dienstnehmerischen Einkommens machen müssen, nicht in der gleichen Weise belegen wie die Bezieher anderer Einkünfte. Die Gewerbetreibenden sind selbstverständlich verhalten, alle Aufwendungen, die mit dem Erwerb (mit der Gewinnerzielung) Zusammenhängen, wenn sie diese als Betriebsausgaben absetzen wollen, dokumentarisch zu belegen (Belegprinzip). Eine solche Belegvorlage ist den Dienstnehmern weithin unmöglich, ganz abgesehen davon, daß sie Kontrollkosten verursachen würde, die erheblich über das Mehraufkommen an Abgaben hin- arusgingen.

Dienstnehmer und Selbständige

Aus diesem Grund haben die Dienstnehmer ein Werbungskostenpauschale, das derzeit mit 273 S pro Monat (3276 S pro Jahr) bemessen ist. In dęr Mehrheit der Fälle ist d?s Werbungskostenpauschale nicht zur Gänze eine Abgeltung tatsächlich entstandener Aufwendungen, die unmittelbar der Einkommenserzielung dienen (sogenannte typische Berufskleidung, Fahrgeld), sondern indirekt auch ein kleiner Beitrag zur Abgeltung von Aufwendungen, die formell dem Bereich der privaten Lebensführung zuzurechnen wären.

Daß die Werbungskosten bis zum Pauschalbetrag nicht nachgewiesen (belegt) werden müssen, ist nicht nur das Ergebnis praktischer Überlegungen, sondern auch eine Art Egalisierung der Unselbständigen mit einem Teil der selbständig Erwerbstätigen, entspricht also dem Prinzip der Steuergerechtigkeit.

Die Bezieher etwa von gewerblichen Einkünften haben in Verfolg ihrer Erwerbsabsichten eine Reihe von gemischten Aufwendungen, das heißt Aufwendungen, die sowohl der Erzielung von einkommensteuerpflichtigen Einkünften dienen wie auch der Deckung der Kosten der privaten Lebenshaltung, aber wegen ihres komplexen Charakters zu einem Teil als einkommensmindernde Betriebsausgaben abgesetzt werden können. Solche gemischten privat-betrieblichen Aufwendungen sind etwa in der Aufwandsposition „Repräsentation” und in den Kosten der Privatkraftwagen enthalten und werden dort von den Betriebsprüfern meist nur zum Teil aufgespürt, ganz abgesehen davon, daß sich die Aufwendungen der privaten Sphäre zuweilen einfach nicht isolieren lassen wie die Rauchwaren oder die Haushaltersparnis bei Bewirtung von Geschäftsfreunden im Gasthaus. Gleiches gilt zum Beispiel auch zuweilen bei der Anschaffung von Möbeln und bei der Honorierung von Dienstleistungen, insbesondere in kleineren Betrieben.

Hinter den Aufwendungen nachhumpeln

Beide gesellschaftlichen Großgruppen — die Dienstnehmer und die Selbständigen - haben bisher die Tat sache stillschweigend toleriert, daß jeweils die andere Gruppe einen Teil der Kosten der privaten Lebensführung einkommensmindernd und damit auch einkommenssteuermindernd absetzen konnte.

In den letzten Jahren sind die Preise jener Güter, welche die Dienstnehmer erwerben müssen, um ihr Einkommen zu erzielen, beachtlich gestiegen; es sei nur an die Tarife der öffentlichen Verkehrsmittel erinnert. Allein die Kosten einer täglichen Fahrt mit der Straßenbahn belaufen sich auf 75 bis 150 S. Jener Teil des Werbungs kostenpauschales, der noch den Charakter einer indirekten Subventionierung von Aufwendungen der privaten Sphäre hat, wird von Jahr zu Jahr geringer. Anderseits können die Selbständigen weiterhin Teile ihres privaten Aufwandes unter dem Titel „Betriebsausgaben” unterbringen, auch dann, wenn die entsprechenden Aufwendungen gestiegen sind, was aber keineswegs der Fall sein muß, da die Steigerungssätze der öffentlichen Verkehrsmittel — denken wir an die Tarife der Wiener Verkehrsbetriebe — weit über den Index der Lebenshaltungskosten hinaus gestiegen sind. Dadurch aber entsteht eine Verzer-

rung zwischen den im Rahmen eines Pauschales absetzbaren Aufwendungen der Dienstnehmer und den faktisch auch absetzbaren privaten Aufwendungen von Selbständigen, die insgesamt keineswegs gering sind, denken wir nur an die Pkw.-Kosten, die in manchen Betrieben nur mit dem kleineren Teil in einem Zusammenhang mit der Einkommenserzielung stehen.

Eine kleine Korrektur zugunsten der Dienstnehmer ist übrigens bereits vor einigen Jahren insoweit vorgenommen worden, als jene Unselbständigen, die an Stelle der Massenbeförderungsmittel ein eigenes Kraftfahrzeug halten, derzeit pro Monat 52 S für ein Kraftrad und 208 S für einen Kraftwagen absetzen können, wobei die Kontrolle über die tatsächliche Benutzung sich — selbstverständlich — nur auf formelle Feststellungen beschränken kann.

Wenn den Forderungen auf eine Erhöhung des Werbungskostenpauschales Rechnung getragen wird, werden sich nach den vorgenommenen Schätzungen Einkommensausfälle in der Höhe von etwa 500 bis 600 Millionen Schilling ergeben. Angesichts dieser Zahl und der Tatsache, daß im Einzelfall vor allem bei den kleinen Einkünften die Erhöhung des Pauschales kaum ins Gewicht fallen dürfte, muß man sich daher fragen, ob es nicht geboten erschiene, derzeit mit der sicher sehr populären Forderung stillzuhalten, freilich unter der Voraussetzung, daß auch auf der anderen Seite gewisse Bonifikationen entweder überhaupt nicht oder in einem begrenzten Umfang gewährt werden. Es sei an die mehr als großzügige Art erinnert, wie in einzelnen Fällen die Abschreibung abnutzbarer Gegenstände des Anlagevermögens vorweggenommen werden kann. Jedenfalls sollte die Forderung nach Erweiterung des Pauschales für die Werbungskosten nicht als Forderung nach Erhöhung eines Privilegs verstanden werden, sondern als ein Versuch der Vertretung der Dienstnehmer, hinsichtlich der steuerlichen Begünstigung mit jenen gleichgezogen zu werden, die, wenn auch nicht pauschal, so doch faktisch, die Möglichkeit haben, einen mehr oder minder großen Teil ihrer durchaus dem privaten Bereich zuzurechnenden Aufwendungen als „Betriebsausgaben” deklarieren zu dürfen.

Wenn etwas in der Frage der Werbungskosten strittig ist, so nicht die Forderung an sich, sondern der Zeitpunkt, zu dem das Verlangen gestellt wurde. Obwohl die Masse der Dienstnehmer von einer Steigerung des Werbungskostenpauschales kaum viel spüren, sondern diese vor allem den Beziehern mittlerer Einkünfte nutzbar sein wird, kann doch nicht geleugnet werden, daß gewichtige Gründe und vor allem das Prinzip der Steuergerechtigkeit für eine indirekte Senkung der Lohnsteuer über eine Erhöhung des Pauschales sprechen. Keineswegs aber kann der Hinweis auf die Dotierung des „Grünen Planes” als Argument gelten. Bei der Subventionierung der bäuerlichen Betriebe geht es vor allem um den Einsatz vbö produktiven Mitteln; Gleiches kann man wohl bei einer Lohnsteuersenkung nicht sagen.

Koalitionsausschuß = Kompromißausschuß

Wir wiederholen: Gegenstand von Überlegungen muß nur der Zeitpunkt der Reduktion der Lohnsteuer und auf diese Weise der Einnahmen des Staates sein. Wenn das Budgetgleichgewicht nicht gesichert werden kann, muß dies wieder Auswirkungen auf das Preisgefüge haben. Es wäre nahezu ein Schnitt ins eigene Fleisch für die Dienstnehmer — wenn ihnen auf der einen Seite, sei es in Form von Gehaltserhöhungen oder von Steuersenkungen, ein Mehr an Nominaleinkommen verschafft würde, das auf der anderen Seite wieder durch Preiserhöhungen zunichte gemacht würde, die zum Teil auch vom Budget her provoziert werden.

Vor einigen Jahren waren es gleiche Erwägungen, welche die Regierung veranlaßte, das Werbungskostenpauschale zu erhöhen. Die Erhöhung erfolgte jedoch nicht auf einmal, sondern sukzessive.

Warum soll es diesmal nicht auch möglich sein, den berechtigten Wünschen der Dienstnehmer mit höheren Einkünften e n t g e g e n z u k o m m e n und ihnen die begehrte Reduktion der Lohnsteuer in Etappen zu gewähren? Der Koalitionsausschuß ist auch ein Kompromißausschuß. Sollte es nicht auch diesmal möglich sein, angesichts der Einigung über die wesentlichen Fragen des Budgets, eines jener schöpferischen Kompromisse zu schließen, die für die österreichische Politik nach 1945 charakteristisch und — trotz aller Nörgeleien — der ganzen Welt ein Vorbild sind, ein Beweis für politische Reife?

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