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Nur Vorgeplänkel
Die Steuerreform, die Finanzminister Dr. Hannes Androsch am vergangenen Freitag vor Journalisten im Presseclub Concor-dia präsentierte, ist nach Meinung des Ministerbüros die größte Reform des österreichischen Lohn- und Einkommensteuersystems seit 1905. Dennoch ist die Kritik eher bescheiden.
Die Steuerreform, die Finanzminister Dr. Hannes Androsch am vergangenen Freitag vor Journalisten im Presseclub Concor-dia präsentierte, ist nach Meinung des Ministerbüros die größte Reform des österreichischen Lohn- und Einkommensteuersystems seit 1905. Dennoch ist die Kritik eher bescheiden.
Die Opposition deckt notweise nicht den Optimismus des Ministers: Nach dem Bekanntwerden von Details meint sie, daß eine echte Senkung der Progression nicht vorgenommen wird, und daß die Vergünstigungen, die den Steuerzahlern jetzt gewährt werden, bereits in absehbarer Zeit von der fortschreitenden Geldentwertung wieder aufgefressen werden.
Auch die FPÖ zählt nicht zu den Befürwortern der Reform: Abgeordneter Broesigke erklärte in einem ORF-Interview, er sei der Ansicht, es handle sich bei den von Androsch beabsichtigten Maßnahmen nicht um eine echte Reform, sondern um eine Anpassung des bestehenden Tarifs an geänderte Verhältnisse.
Auch der österreichische Gewerkschaftsbund, der zu den Vorkämpfern dieser Reform gezählt hatte, zeigt sich nicht restlos zufrieden: erstens wurde seine Forderung nach einer Vorleistung schon in diesem Jahr nicht in ausreichender Höhe erfüllt, und zweitens folgt der Vorschlag des Finanzministers nicht der Forderung des ÖGB nach getrennten Tarifen für Lohnsteuer (also für unselbständige Erwerbstätige) und Einkommensteuer (für selbständig Erwerbstätige).
Fast übergangen wurde aber in der Öffentlichkeit die Tatsache, daß die Senkung auf der Basis des geltenden Steuertarifs erfolgte, der aber auch einen zehnprozentigen Zuschlag (= Sondersteuer) enthält, der ebenso befristet war wie der Katastrophenzuschlag. Diese beiden Zuschläge wurden damit stillschweigend in die Steuertarife eingebunden.
Systemänderung
Was sind nun die tiefgreifenden Änderungen dieser Reform? Abgesehen von der Senkung der Tarife wurde auch der Versuch unternommen, die Progression zu entschärfen.
Das Finanzministerium formuliert das so: Der neue Tarif unterscheidet sich von dem geltenden vor allem dadurch, daß der neue Tarif grundsätzlich breitere Stufen bei der Ein-kornmensteuerbemessungsgrundlage und auch größere Abstände zwischen den einzelnen Steuersätzen aufweist.
Wichtig scheint, daß die bisher bestehende unterschiedliche Belastung zwischen den Steuerpflichtigen der Steuergruppe A (unverheiratete) und jenen der Steuergruppe B vermindert wird.
Allerdings muß man bei der Analyse der Auswirkungen dieser Reform auch die Fülle der Änderungen bei den Frei- und Absetzbeträgen beachten, will man nicht von vornherein zu einem falschen Schluß kommen.
So wurde das bisher seit der Reform von 1967 geltende System der Kinderfreibeträge in fixe Abzugsbeträge pro Kind umgewandelt. Finanzminister Androsch sagte dazu, er sei der Meinung, daß damit der Forderung nach einer Leitungstei-teilung optimal entsprochen wird. Bei den durchschnittlichen Erhaltungskosten eines Kindes, die er mit rund 1300 Schilling im Monat nannte, sollte die Hälfte durch steuerliche Kinderermäßigungen getragen werden. Zu dem Vorwurf, daß dieses System auf die verschieden hohen Aufwendungen eines Kindes und seine standesgemäße Erziehung keine Rücksicht nimmt, meint Androsch, daß man auch ein Studium in Oxford als „standesgemäß“ empfinden könnte.
Man dürfe aber nicht erwarten, daß dieser Sonderwunsch auf Kosten der Gemeinschaft finanziert werde.
Schärfere Kritik aber erhob sich bei der Änderung der steuerlichen Behandlung der Bausparer. Die Umwandlung der bisherigen Steuerbegünstigung in ein Prämiensystem wird als ein krasser Bruch eines Wahlversprechens empfunden, da Dr. Kreisky versprochen habe, die wohlerworbenen Rechte der Bausparer nicht antasten zu wollen. Androsch setzt sich damit zur Wehr, daß er sagt, in die bestehenden Verträge sei nicht eingegriffen worden, die Art der steuerlichen Begünstigung müsse aber wohl dem Gesetzgeber und nicht den Vertragspartnern überlassen werden. Die Auseinandersetzung um Kinderfreibeträge und Bausparprämien werden sicher nicht die letzten Auseinandersetzungen um diese Steuerreform sein — man kann sie eher als einen Anfang und ein Vorgeplänkel bezeichnen.
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