6805914-1972_07_04.jpg
Digital In Arbeit

Leistung für Dumme

19451960198020002020

Im wesentlichen hat die Steuerpolitik in einem modernen Staat zwei Ziele zu erfüllen: dem Staat die für die Erfüllung seiner Aufgaben notwendigen Mittel zu beschaffen und als eines unter mehreren Instrumenten der Wirtschaftspolitik zu fungieren, beispielsweise sozialpolitische Aufgaben zu erfüllen, indem sie regulierend in die Verteilung des Volkseinkommens und -Vermögens eingreift, sofern dies von einer Mehrheit der Wähler als richtig und notwendig erachtet wird.

19451960198020002020

Im wesentlichen hat die Steuerpolitik in einem modernen Staat zwei Ziele zu erfüllen: dem Staat die für die Erfüllung seiner Aufgaben notwendigen Mittel zu beschaffen und als eines unter mehreren Instrumenten der Wirtschaftspolitik zu fungieren, beispielsweise sozialpolitische Aufgaben zu erfüllen, indem sie regulierend in die Verteilung des Volkseinkommens und -Vermögens eingreift, sofern dies von einer Mehrheit der Wähler als richtig und notwendig erachtet wird.

Werbung
Werbung
Werbung

Strebt freilich die Steuerpolitik Ziele an, die außerhalb der Mittelbeschaffung liegen, so kann das in einer Marktwirtschaft nur im Einklang mit den Grundsätzen der gerechten Besteuerung und der steuerlichen Wettbewerbsneutralität erfolgen.

Der angesehene Finanizwissen-schaftler Neumark gelangte bei der Beurteilung von weitgehend an nichtfiskalische Zielsetzungen orientierten steuerpolitischen Maßnahmen zur Auffassung, daß dabei nicht klar zwischen Maßnahmen, die vom Standpunkt einer marktwirtschaftlichen Ordnung als nützlich oder sogar notwendig zu gelten haben, und denjenigen unterschieden werde, die Mißbräuche und Auswüchse darstellen und den Bestand einer solchen (gewünschten) marktwirtschaftlichen Ordnung bedrohen. Er spricht in diesem Zusammenhang von dirigistischen Steuermaßnabmen, die ausschließlich oder primär darauf abzielen, bestimmte Wirtschafts-gruppen, Erzeugungszweige, Konsumarten, Kapitalbildungs- beziehungsweise Verwendungsformen aus meta-ökonamischen Gründen mittels einer differenzierten Steuerbelastung relativ zu begünstigen oder zu benachteiligen.

Seit einer Pressekonferenz am 1. Dezember 1969 spricht die SPÖ, seit der Regierungserklärung des Kabinetts Kreisky I die von ihr gestellte Alleinregierung unablässig von der Notwendigkeit einer

„großen“ Steuerreform und ihrer Bereitschaft, eine solche durchzuführen. Darauf durfte man, da diese Regierung ja auch die Realisierung von Europalöhnen versprochen hat, mit Recht sehr gespannt sein. Seit nunmehr zwei Wochen veröffentlicht Finanaminister Doktor Androsch über die Massenmedien auszugsweise seine steuerpolitischen „Reform“-Absichten. Dabei mußte die große Spannung einer gehörigen Ernüchterung weichen. Zwar kennt man Androschs steuerpolitische Gesamtkonzeption noch immer nicht, aber eines weiß man bereits: allen heiligen Schwüren von Anno dazumal zum Trotz will diese Regierung die Steuerpolitik in mehrfacher Weise als Nivelllierungsinstrument einsetzen. Nivellierungsziele sind insbesondere: das Einkommen und der Leistungswille. Wenn man es so drastisch ausdrücken will, so liegt es im Interesse dieser Regierung, den Klassenkampf mit steuerpolitischen Maßnahmen anzufachen, wobei — anders als Karl Marx sich das ausdachte — die Klasse der durch die beabsichtigten Maßnahmen Begünstigten verhältnismäßig klein ist im Vergleich mit der Gruppe, die durch die Steuerpläne der sozialistischen Alleinregierung benachteiligt werden soll.

Damit „der Steuertarif leistungs-fördernd, sozialgerecht und verwaltungstechnisch leicht handhabbar“ wird — so Dr. Androsch bei der Beantwortung einer dringlichen Anfrage, die die ÖVP-Fraktion im Parlament aufrief — sollen eine Reihe noch geltender steuerlicher Absetzbeträge durch Zuschüsse ersetzt werden. Einer Prüfung unterzogen werden sollten: die in Paragraph 10 des geltenden Einkommensteuergesetzes genannten Sonderausgaben (auch das Bausparen); die Abschreibungsmöglichkeit für Kinder; das steuerliche Existenzminimum, das bei der Berechnung des steuerpflichtigen Einkommens als Abzugsposten wirkt und der Alleinverdienerfrei-betrag.

Darüber hinaus wird ein Vorschlag des . Gewerkschaftsbundes, unterschiedliche Steuertarife für veranlagte Einkommen und Einkommen aus nicht-selbständiger Arbeit einzuführen, diskutiert. Die ganze Angelegenheit läuft darauf hinaus, daß der aktuelle durchschnittliche Monatsverdienst (rund 5000 Schilling) gerade noch als steuerbegünstigungswürdiges Einkommen von der sozialistischen Regierung akzeptiert wird; was darüber hinausgeht fällt bereits unter die „Groß“-Einkom-men. Ob hinter den Vorschlägen des Finanzministers auch die Absicht steckt, die Steuerbelastungsquote zu erhöhen, wurde bislang noch nicht bekannt; als Nebeneffekt dieser Art von Reform darf sie der sozialistischen Alleinregierung zweifellos unterstellt werden. Damit hätte Österreich wenigstens in einer Hinsicht das von Dr. Kreisky so heiß ersehnte schwedische Niveau erreicht. Das ebenfalls angestrebte schwedische Lohnniveau müßte allerdings noch sehr lange auf sich warten lassen, weil die beabsichtigten Nivellie-rungsmaßnah'men auf einem im Vergleich zu den meisten industrialisierten europäischen Staaten recht niedrigen Lohn- und Einkommensniveau vorgenommen werden. Anders herum: die von der sozialistischen Alleinregierung verkündeten Steuerpläne zielen darauf ab, den Leistungswillen, der als Motor in einer dynamischen Wirtschaft zu wirken hätte, im Keim zu ersticken. Wer so dumm ist, zu arbeiten, ist selber schuld, wenn ihm der Staat einen Großteil seines über das als „normal“ dekretierte Einkommen verdienten Zuwachses wieder wegsteuert.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung