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Kirchenbeitrag und Steuerrecht

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Beiträge an gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgemeinschaften können seit der Einkommensteuergesetznovelle 1970 bis zu 600 Schilling jährlich als Sonderausgabe steuerlich Berücksichtigung finden, d. h. bei der Einkommensermittlung in Abzug gebracht werden. Lohnsteuerpflichtige haben den Abzug im Wege des Jahresausgleiches geltend zu machen. Erst kürzlich wieder wurde die Forderung nach gänzlicher Abzugsfähigkeit der Kirchensteuer erhoben. Wie sehr diese Forderung zurecht besteht, zeigt die historische Entwicklung.

Unser geltendes Einkommensteuerrecht basiert auf dem 1938 übernommenen deutschen Einkommensteuergesetz. Es kann daher dessen Entwicklung herangezogen werden. Dabei ist festzustellen, daß die Beiträge zu Kirchen und Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts schon im Einkommensteuergesetz 1925 als Sonderausgabe absetzbar waren. Im Jahre 1938 allerdings verfügte der nationalsozialistische Staat zunächst eine Beschränkung des Abzuges mit der noch verschleierten Begründung, daß viele Kirchen unverhältnismäßig hohe Kirchensteuern erheben, die dann für private Wohlfahrtszwecke verwendet werden.

Nicht lange danach, im Jahre 1939, wird die Abzugsfähigkeit der Kirchensteuer als Sonderausgabe überhaupt beseitigt. Begründet wurde dies im Stü der damaligen Zeit damit, daß es mit den allgemeinen Interessen des Volksganzen nicht in Einklang zu bringen wäre, wenn die Kirchensteuer weiterhin abzugsfähig bliebe, zumal auch die Spenden für das Winterhilfswerk, zur NSV und die Beiträge zur NSDAP und ähnliche Beiträge nicht abzugsfähig sind.

In der Bundesrepublik Deutschland wurde die volle Abzugsfähigkeit der gezahlten Kirchensteuer 1947 wieder eingeführt. Im katholischen Österreich dauerte es 25 Jahre, bis eine beschränkte Abzugsmöglichkeit wieder zugelassen wurde.

Die betragsmäßige Beschränkung der Abzugsfähigkeit von Kirchenbeiträgen - so wird offiziell erklärt - ergibt sich daraus, daß solche Beiträge ihrem Wesen nach an sich grundsätzlich nicht abzugsfähige Aufwendungen der privaten Lebensführung darstellen. Wenn aber dennoch aus politischen, gesellschaftlichen oder sonstigen Gründen derartige private Aufwendungen ausnahmsweise steuerlich Berücksichtigung finden sollen, so könne dies nicht in unbeschränkter Höhe erfolgen. Es erscheine vielmehr nur ein solches Höchstausmaß vertretbar, in dem derartige Beträge bei durchschnittlicher Betrachtung anfallen.

Zu dieser Erklärung ist einiges zu sagen:

Gesetzlich anerkannte Kirchen sind in Österreich Körperschaften des öffentlichen Rechtes, Körperschaften öffentlichen Rechtes sind aber auch die gesetzlichen Interessenvertretungen in Form der verschiedenen Kammern. Beiträge an die Kirchen sind in den Augen des Fiskus Aufwendungen der privaten Lebensführung. Beiträge an die jeweils zuständige Kammer hingegen sind steuerlich absetzbare Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten, die in voller Höhe die betreffenden Einkünfte kürzen.

Das gilt aber nicht nur für die an die Kammern zu leistenden Zwangsbeiträge, sondern auch für Beiträge, die mit einer freiwilligen Mitgliedschaft bei Berufs- und Wirtschaftsverbänden anfallen, wenn es sich um Verbände handelt, die sich ausschließlich oder doch überwiegend mit der Wahrnehmung der betrieblichen oder beruflichen Interessen ihrer Mitglieder befassen. Selbstverständlich sind auch die Mitgliedsbeiträge an den österreichischen Gewerkschaftsbund - obwohl rechtlich sogar lediglich ein privater Verein! - grundsätzlich abzugsfähige Werbungskosten.

Diese Gegenüberstellung Kirche und Interessenvertretung hinsichtlich der steuerlichen Abzugsfähigkeit der an sie gezahlten Beiträge spiegelt die Ertragsorientiertheit unseres Ein- kommensteüerrechts wider. Nur jene Ausgaben werden grundsätzlich berücksichtigt, die im Rahmen einer Einkunftsart anfallen, die also mit Einnahmen in einem Zusammenhang stehen.

Besteuerungsmaßstab ist aber seit Einführung einer synthetischen Einkommensteuer das Gesamteinkommen eines Steuerpflichtigen und nicht seine einzelnen Einkünfte. Ausgaben, die einem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen, aber keiner Einkunftsart zugerechnet werden können, müssen daher bei der Ermittlung des Gesamteinkommens abgerechnet werden.

Die Möglichkeit, eine solche Minderung des Einkommens zu berücksichtigen, bietet in unserem Einkommensteuerrecht u. a. die Einrichtung der Sonderausgaben. In Steuerkommentaren (z. B. Littmann: Einkommensteuerrecht) wird daher auch mit Recht ausgeführt, daß als Sonderausgaben im allgemeinen jene Ausgaben abziehbar sind, die als Betriebsausgaben in Betracht kämen, wenn sie durch’ den Betrieb veranlaßt sind.

Es wäre daher systemgerecht, wenn

Beiträge zu beruflichen Interessenvertretungen als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten abgesetzt werden, während Beiträge zu Kirchen und Religionsgemeinschaften, die als Körperschaften öffentlichen Rechts anzusehen sind, im Wege des Sonderausgabenabzugs das Einkommen kürzen. Als ungerechtfertigt hingegen ist jedoch die betragsmäßige Beschränkung des Abzugs anzusehen.

Gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgemeinschaften haben im Staate bedeutende Aufgaben, kommt ihnen doch über den Bereich des Religiösen eine wichtige und unersetzliche gesellschaftliche Funktion zu. Dieser Aufgaben und ihrer Bedeutung wegen gelten sie auch als Körperschaften öffentlichen Rechtes (dies im übrigen auch mit steuerlicher Wirkung, d. h. sie sind nach materiellem Recht, abgesehen von ihren Betrieben gewerblicher Art, gar keine Steuersubjekte).

Es hebt sohin auch die Rechtsordnung die gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften über die rechtliche Stellung von privaten Vereinen hinaus. Es muß daher anerkannt werden, daß diesen Religionsgemeinschaften in ihrem Wirkungsbereich dieselbe staatliche Bedeutung zukommt, wie den Berufsvertretungen. Es wäre daher auch richtig, die Beiträge an die Kirchen ebenso wie die Beiträge an die Berufsvertretungen in voller Höhe steuerlich zum Abzug zuzulassen. Die Forderung nach einem unbeschränkten Abzug der Kirchenbeiträge als Sonderausgaben erscheint daher berechtigt und begründet.

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