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Die Steuer-„Bonbons" sind vernascht

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Schließen von Steuerlücken, Abschaffung der Steuerprivilegien für Besserverdiener, mit diesen populären Begriffen wollen die Budgetsanierer jetzt die Sonderausgaben Steuervorteile reduzieren oder gar gänzlich abschaffen.

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Schließen von Steuerlücken, Abschaffung der Steuerprivilegien für Besserverdiener, mit diesen populären Begriffen wollen die Budgetsanierer jetzt die Sonderausgaben Steuervorteile reduzieren oder gar gänzlich abschaffen.

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Unkraut und Steuervorteile haben manches gemeinsam. Sie wuchern heftig und sind oft schwer auszurotten; denn am Weiterbestehen der Steuer-„Zuckerln" haben oft mächtige Lobbies ein großes Interesse. So ist es auch beim Sonderausgabenabzug gemäß § 18 Einkommensteuergesetz. Die dort angeführten Ausgaben sind bei der Ermittlung des Einkommens abzuziehen, reduzieren also die Steuerbelastung. Je höher das Einkommen und damit der Grenzsteuersatz ist, desto mehr Steuerersparnis bringen die Sonderausgaben dem jeweiligen Steuersparer. Daher sind diese „Steuerprivilegien für Besserverdiener" jetzt auch auf der Abschußliste der Finanzpolitiker.

Unklar ist nur noch, welchen Sonderausgaben-Typen es jetzt wirklich an den Kragen geht und welche -noch - ungeschoren bleiben. Denn im Sonderausgaben-Dschungel des § 18 gibt es ganz unterschiedliche Pflanz -chen, die miteinander nichts gemeinsam haben, außer daß man dafür einen Steuerabzug erhält. So finden sich im Absatz 1 Ziffer 4 des § 18 EStG die Genußscheine und jungen Aktien, darunter unter Ziffer 5 die Kirchen-beitrage, unter Ziffer 6 die Steuerberatungskosten und im Absatz 7 die Anlaufverluste. Die meisten dieser Steuerzuckerln wurden von Interes-sensgruppen durchgesetzt, die miteinander auch nicht viel gemeinsam haben: die Banken, Versicherungsge-selschaften, Religionsgemeinschaften, die Industrie sowie die Gebietskörperschaften, die Wohnungseigen-tumserrichter, die gemeinnützigen Bau-, Wohnungs- und Siedlungsvereinigungen im Zusammenhang mit der ebenfalls abzugswürdigen Wohn-raumschaffung oder Wohnraumsanierung. Auch die Ärzte und die Krankenanstalten haben ein massives Interesse an der steuerlichen Förderung der sonderausgabenabzugsfähigen privaten Zusatzversicherung. Behandlung als Privatpatient und der Finanzminister zahlt dabei via Sonderausgaben dazu, lautet das Argument.

Warum diese Lobbies sich so für die Steuervorteile für Besserverdiener einsetzen, ist leicht erklärt: das Steuer-Bonbon dient, Religionsgemein-schaften ausgenommen, als Verkaufsförderungsargument für die eigenen Produkte, die Genußscheine, die Versicherungen, die jungen Aktien. Bei den Steuerberatern ist der Steuerabzug ein Argument gegen private „Buchhaltungspfuscher", die nicht sonderausgabenwürdig sind. Doch auch nicht jede x-beliebige freiwillige Kranken-, Unfall-, Pensions- oder Lebensversicherung ist steuerabzugsfähig. Es muß sich dabei um Versicherungsprämien an ein Versicherungsunternehmen handeln, „das im Inland Sitz oder Geschäftsleitung hat oder ihm die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb im Inland erteilt wurde". Wer also prämiengünstiger bei einer ausländischen Versicherung sich absichern und Vorsorgen will, jgrj^Ltie^nen Son- , derausgabenvoneil. Spätestens hier bei diesem Inlands Versicherungsprivileg wird klar, daß nicht das Absichern und Vorsorgen steuerlich belohnt werden soll, sondern der Geldfluß zu ganz bestimmten Interessengruppen, die das Ohr und die offene Steuerförderungshand des Finanzministers haben. Die Inlandsversicherer sind Großeinkäufer von Staatsanleihen, die werden solcherart belohnt.

Die Versicherungen sind es auch, die gegen den diskutierten Sonder aus -gabenkahl-schlag am heftigsten protestieren. Seitens des Versicherungsverbandes kam Ende Jänner angesichts des unvermeidlichen Falls des Steuer-Zuckerls der Vorschlag, die „Altersvorsorge-Produkte" in der Lebensversicherung außerhalb des Sonderausgabenrahmens zu fördern. Schaffen wir die Sonderausgaben-Abzugsmöglichkeit ruhig ab und führen sie unter einem neuen Mascherl wieder neu ein. Aus der Sicht der vorsorgenden Bürger ist nicht ganz einsichtig, warum, wenn schon denn schon, nicht jede freiwillige Vorsorge, zum Beispiel auch die Direktanlage in Staatsanleihen ohne den Umweg über den Versicherungsvertragsabschluß, gefördert wird?

Der Förderungs-Dschungel im § 18 EStG fördert nicht nur bestimmte „Vorsorgeprodukte", sondern auch den Mißbrauch. Private Renten-Produkte werden schon mit dem Argument verkauft, daß man sich das Geld durch Kredit-Belehnung, die der Versicherungsverkäufer gelegentlich gleich mitanbietet, wieder zurückholen kann.

Mißbraucht werden die Sonderausgaben aber auch in einem anderen Sinn. Geldanlagen werden zugunsten der Anbieter aber nicht für die Käufer attraktiv gestaltet. Ein prominentes Beispiel waren die Genußscheine. Minimaler Ertrag und im Vergleich zum damals besseren Sparbuch doch erhebliches Verlustrisiko, samt mit sieben Prozent saftig bemessenen Verkaufs-"Gebühren", wurden mit dem Argument weggewischt, sie haben doch den Steuervorteil.

Die Steuerzuckerln für Versiche-rungs- und Finanzproduktanbieter samt den Bauträgern waren den Finanzpolitikern schon Ende der achtziger Jahre ein Dorn im Auge. Deshalb wurden bestimmte Sonderausgaben schon damals weniger steuerprivilegiert. Innerhalb des Höchstbetrages von 40.000 Schilling konnten bei den sogenannten § 18 EStG Absatz 1 Ziffer 2 bis 4 Sonderausgaben nur noch die Hälfte der Ausgaben abgesetzt werden.

Der Steuervorteil für die Versicherungen, Bauträger, Genußscheine und junge Aktien ist deshalb ohnehin schon gering und der 40.000 Schilling Höchstbetrag, ab dem es überhaupt keinen Steuervorteil mehr gibt, wird locker überschritten. Dennoch verkaufen die konkurrierenden Vorsorgeproduktanbieter alle mit dem Steuervorteilsargument.

Aus der Sicht der Steuerzahler, besonders jener mit hohem Grenzsteuersatz, hat der geplante Steuerkahlschlag im Sonderausgaben-Dschungel die gleiche Wirkung wie eine Steuererhöhung. Wir brauchen gar keine neue Solidaritätsabgabe, wie sie in SPÖ-Kreisen diskutiert wurde, oder die Krisensteuer, wie in der ÖVP vorgeschlagen. Durch die neuerliche Kürzung oder den Wegfall einzelner (oder der gesamten?) Sonderausgabenvorteile, erhöht sich das Steueraufkommen ohnehin.

Bedauerlich ist die Wegnahme des Steuerzuckerls für alle, die den Steuervorteil beim Vertragsabschluß für fix genommen haben und nun vertraglich auch für die Zukunft gebunden sind, ohne die Ausgaben so wie in der Vergangenheit steuerlich absetzen zu können. Zwar wird im Kleingedruckten der Verträge auf diese Möglichkeit hingewiesen, doch wer liest das Kleingedruckte, wenn der Vertreter vom Geld spricht, das man dem Finanzminister doch nicht schenken sollte.

Wer aus dem Sonderausgaben-Steuerschaden klug werden will, sollte bei „Steuervorteilen" immer die Produkte mit und ohne Steuerzuckerl durchkalkulieren. Bei Vorsorgeangeboten geht dies relativ einfach. Die Rendite ohne Steuervorteil sollte der Entscheidungsmaßstab sein. Gute Renditerechner haben schon oft herausgefunden, daß „Steuervorteilsangebote", die auch eine langjährige Kapitalbindung und sogar einen deutlichen Kapitalverlust durch vorzeitigen Austieg bewirken, auch mit Steuervorteil weniger Ertrag bringen als die nicht-steuerbegünstigten Alternativen. Letztlich bewirken steuerliche Förderungen Marktverzerrungen. In Zeiten des Drucks zur Budgetkonsolidierung kann es aber sicher nicht Aufgabe des Finanzministers sein, den weiten Bereich der privaten Absicherung und Vorsorge zugunsten ganz bestimmter Produkte und inländischer Pressure Groups zu verzerren.

Der Autor ist

Finanz- und Wirtschaftspublizist sowie Lehrbeauftragter am Institut für Volkswirtschaftstheorie und Volkswirtschaftspolitik an der Wirtschaftsuniversität in Wien

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