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Wertpapiere - oder Kinder?

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In die aktuelle Diskussion um die Besteuerung der Familienerhalter hat sich ein falsches Wort eingeschlichen, dessen ständiger Gebrauch mit Sicherheit eine untaugliche Problemlösung bewirken wird. Es handelt sich um den in diesem Zusammenhang völlig unpassenden Begriff der „Förderung" der Familien, den man sich gedanken- und widerspruchslos aufzwingen ließ.

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In die aktuelle Diskussion um die Besteuerung der Familienerhalter hat sich ein falsches Wort eingeschlichen, dessen ständiger Gebrauch mit Sicherheit eine untaugliche Problemlösung bewirken wird. Es handelt sich um den in diesem Zusammenhang völlig unpassenden Begriff der „Förderung" der Familien, den man sich gedanken- und widerspruchslos aufzwingen ließ.

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Es ist nämlich vom Grundsätzlichen her völlig widersinig zu behaupten, der Staat würde irgendjemanden „fördern", wenn er das Ausmaß der Steuerbelastung an die Finanzkraft der Steuerpflichtigen anpassen soll. Bei der Lohn- und Einkommensteuer geschieht dies bekanntlich durch das System der Progression: Je mehr Einkommen einer bezieht, umso höhere Prozentsätze sind abzugeben. Niemandem kommt dabei der Gedanke, der Staat „fördere" derart die kleinen Einkommensbezieher. Eine solche Betrachtungsweise wäre nur zulässig, wenn man den absurden Standpunkt verträte, jeder habe dem Staat die Hälfte (also den höchsten Steuersatz) abzuliefern, und die Schwachen würden durch den geringeren Zugriff - also eine Art Rückzahlung - eben „gefördert".

Das Abstimmen der Steuerlast auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ist etwas ganz anderes und nur für sich allein zu betrachten. Sie ist Ausdruck der Steuergerechtigkeit. Was der Verfassungsgerichtshof nun klargestellt hat, ist eine logische Anwendung dieses Grundsatzes. Es ist danach ungerecht, wenn man jemanden, der etwa eine Frau und vier Kinder erhalten muß, im Prinzip so besteuert, wie jemanden, den keine Sorgepflicht trifft. Behandelt man ungleiches gleich, ruft dies bekanntlich erst recht wieder Ungleichheit hervor.

Die vom Höchstgericht geforderte Steuerbemessung unter Berücksichtigung gesetzlicher Unterhaltspflichten würde also geringere Besteuerung bei geringerer Wirtschaftskraft, also gerechte Besteuerung bewirken. Sie wird freilich mit dem Argument wütend bekämpft, derartiges „fördere" die Gutverdienenden. Ersparen wir uns in diesem Zusammenhang einen Exkurs über die Wirkung der Progression - die sozusagen „nach beiden Seiten" erfolgt -, sondern stellen wir eine Frage.

Der Staat gewährt bekanntlich Freibeträge beim Abschluß einer privaten Krankenversicherung. Das bewirkt natürlich, daß die steuerliche Ersparnis bei hohem Einkommen und entsprechender Progression größer wird. Warum fördert also das Gesetz die Zusatzversicherung der Großverdiener am meisten?

Auf diese so gestellte Frage gäbe es nur häßliche Antworten, daher wird auch nie eine gegeben. Eine mögliche (und wohl auch zutreffende) wäre, daß die Versicherungswirtschaft und die Krankenhauserhalter eben eine stärkere Lobby haben, als die Familien.

Was bleibt, ist die eigentlich unfaßbare Tatsache, daß die stärkere Ermäßigung bei hoher Steuerleistung nicht Anstoß erregt, wenn es um Versicherung, Wertpapiere, Steuerberatungskosten, ja sogar um den Kirchenbeitrag geht, wohl aber bei Kinderkosten.

Greifen wir den berühmten Slogan auf, daß „dem Staat jedes Kind gleich viel wert" sein soll. Erweitern wir ihn aber: Kinder sollen dem Staat so viel wert sein, wie zum Beispiel eine Privatversicherung oder ein Steuerberater. (Letztgenannte „Förderung" führt übrigensein SPÖ-Finanzministerein.)

Noch einmal: Gerechte Steuerbemessung, die Belastung berücksichtigt, ist nicht Förderung und schon gar nicht Gnadengabe des Staates. Gefördert wird allenfalls dort, wo höhere Finanzkraft steuerlich ungeschoren bleibt. Ein solches Privileg kam den Familien bisher wahrlich nicht zu und das will auch das Höchstgericht nicht. Wer derartiges behauptet, trägt entweder ideologische Scheuklappen oder er mag die Familien einfach nicht. Der Autor ist Volksanwalt.

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