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Eine Parlamentsrede, die nie gehalten wurde
„Herr Präsident, Hohes Haus! Wir stehen am Ende der Budgetdebatte. Da steht zunächst einmal vor uns die Frage, ob wir mit der Behandlung des Budgetgesetzes richtig gefahren sind. Das Budgetgesetz zählt, seit es einen Parlamentarismus gibt, zu den vornehmsten Rechten und Aufgaben des Parlaments und ist mit Abstand überhaupt das wichtigste Gesetz des Jahres, hängt doch von ihm so gut wie alles ab, was in unserem Staat geschehen kann. Denn fast alles, was geschieht, erfordert finanzielle Mittel. Zum Budget 1969 sollten wir offen und ehrlich sagen, daß es kein gutes Budget ist, denn es schließt mit einem Milliardendefizit, aber es ist das einzig mögliche Budget und Politik ist immer auch die Kunst des Möglichen! Wir haben eingespart, was nur irgendwie einzusparen war, und wir mußten bei allen Ressorts auf vieles verzichten, was notwendig und gut gewesen wäre. Der Grundsatz der Sparsamkeit beim Staatshaushalt, auf den unsere Wähler mit Recht allergrößten Wert legen, wurde soweit vertreten, als dies mit Rücksicht auf die Bedürfnisse der öffentlichen Hand vertretbar gewesen ist. Wenn es trotzdem ein Budget von rund 90 Milliarden Schilling geworden ist, so einfach deshalb, weil die berechtigten Anforderungen, die in einem modernen Staat an die Verwaltung gestellt werden, ungeheuer groß sind. Sicherlich wäre ein oder die andere Verschiebung in den Budgetansätzen möglich gewesen. Die Opposition im Hohen Haus hat wiederholt darauf hingewiesen. Da es aber nicht darum ging, bestimmte Ansätze einfach zu erhöhen, ohne andere gleichermaßen zu kür-zeft, Wußte eine Entscheidung .über die Rangordnung der Notwendigkeiten getroffen werden. Die Mehrheit des Hauses ist zu dieser Entscheidung verpflichtet und hat sich gemäß der ihr obliegenden Regierungsverantwortung dieser Aufgabe entzogen!
Daß wir uns für 1969 zu einem Defizit von acht Milliarden Schilling bekennen mußten, war bedauerlich, aber unvermeidbar, wenn wichtige Staatsaiufgaben nicht zurückgestellt werden sollten beziehungsweise wenn wir den Staatsbürger nicht mit noch mehr Steuern belasten wollten, als dies ohnedies geschehen ist. Darum auch ein offenes Wort zu den mit dem 1. Jänner beginnenden, neuen steuerlichen Belastungen. Es soll offen ausgesprochen werden, daß vor allem die Einkommen- und Lohnsteuer eine Höhe erreicht hat, die nicht mehr überschritten werden darf, wenn wir nicht sowohl die Leistungsfreude der arbeitenden Menschen als auch die Rentabilität der Unternehmungen arg gefährden wollen. Sagen wir es ganz offen: Österreich zählt heute zu den Staaten mit der höchsten steuerlichen Belastung, denn es ist nicht richtig, wenn behauptet wird, daß es in anderen Staaten eine noch höhere Progression der Einkommen- und Lohnsteuer gebe. Dort, wo solche höhere Sätze bestehen, wie zum Beispiel in Großbritannien, trifft die höhere Progression immer nur die letzten Teile des Einkommens, und eine Durchschnittsrechnung dieser Progressionssätze ergibt, daß die Gesamtbelastung mit Einkommen-und Lohnsteuer dann immer noch niedriger ist als ab 1969 in Österreich. Wenn wir uns trotzdem zu dieser harten Maßnahme entschließen mußten, so haben wir die diesbezüglichen Gesetze absichtlich mit einer zweijährigen Laufzeit termini-siert, und ich möchte jetzt schon sagen, daß es unsere feste Absicht ist, diesen .Termin nicht zjt verlängern! Die zusätzlichen 10 Prozent zur Einkommen- und Lohnsteuer sollen ein echtes Provisorium sein, das den Charakter sonstiger österreichischer Provisorien, daß sie nämlich zu Dauereinrichtungen werden, nicht haben darf!
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