Kein Wille, kein Interesse und null Ehrgeiz?

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Manche Lehrergewerkschafter sind mit dem Karriere-Engagement der von ihnen vertretenen Kollegenschaft gar nicht zufrieden. Von der Kritik speziell betroffen: Lehrerinnen.

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Manche Lehrergewerkschafter sind mit dem Karriere-Engagement der von ihnen vertretenen Kollegenschaft gar nicht zufrieden. Von der Kritik speziell betroffen: Lehrerinnen.

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Viele, die gute Chancen hätten, "etwas zu werden", wollen nicht. Typisch Frau?

"Stimmt", sagt Gerda Flöser, die seit 30 Jahren an einer Volksschule unterrichtet. Für sie ist Karriere kein Thema. Sie will bleiben, was sie aus Überzeugung geworden ist - Lehrerin. "Und das ist nun einmal kein Karriereberuf."

Der Aufstieg zur Schuldirektorin wäre zwar möglich gewesen, aber "Direktor ist ein anderer Job: Administration statt Unterrichten." Kleine Schulen, in denen der Schulleiter zusätzlich eine Lehrverpflichtung hat, gibt es nur noch auf dem Land. Wer in Wien das Lehren als seine Berufung ansieht, muß auf den Chefsessel verzichten. So einfach ist das.

Genau genommen, ist das gar kein typisches Frauenproblem. "Männer sind davon genauso betroffen", sagt Gabriele Trattner, Vorsitzende der Arbeitsgruppe für Gleichbehandlungsfragen im Unterrichtsministerium. Nur fällt das an Volksschulen nicht ins Gewicht. Dort unterrichten fast nur Frauen; weshalb auch die meisten Direktorenposten - trotz angeblicher "Karrieremüdigkeit" der Lehrerinnen - fest in weiblicher Hand sind.

Anders ist die Situation an Hauptschulen, Berufsschulen, höheren Schulen. Dort ist das Unterrichtspersonal gemischt, und die Chefs sind vorwiegend männlich. In Wien gibt es zwar 38 Prozent AHS-Direktorinnen, in Oberösterreich und Vorarlberg aber weniger als zehn Prozent (sieh Grafiken). Handelsschulen und Handelsakademien zu leiten, war im Vorjahr noch im Burgenland, in Tirol, Salzburg und Vorarlberg reine Männersache - das relativiert den stolzen 44-Prozent-Frauenanteil in Wien. Noch klarer die Situation im Schulaufsichtsdienst: keine einzige Schulinspektorin gab es zum Stichtag in Salzburg; in Wien betrug der Frauenanteil 27 Prozent.

Also doch Frauen-Benachteiligung in der Schule? Oder wirklich zu wenig weiblicher Ehrgeiz? "Von den Frauen, die heute im richtigen Alter für Leitungsfunktionen sind, trauen sich das viele nicht zu", sagt Gewerkschafterin Christine Gubitzer. "Sie glauben, in allem, was sie tun, 150prozentig sein zu müssen, außerdem scheuen sie die Konflikte mit den männlichen Kollegen."

Für vieles, was ein Schulleiter tun sollte - ein positives Arbeitsklima schaffen, andere fördern, aufbauen, motivieren - seien Frauen besonders gut geeignet, so Gubitzer. "Bei der Bereitschaft zur Konfrontation liegen dann meist die Schwächen." Ein weiteres Problem: "Die Regeln, nach denen wir arbeiten, werden von Männern gemacht."

Das bedeutet auch, daß die Anforderungen für Leitungsfunktionen auf "typisch männliche" Fleißaufgaben zugeschnitten sind: abendfüllende Nebenjobs, Vorträge, Publikationen, Seminare. Die "weiblichen" Familienpflichten zählen nicht. Sie schlagen sich höchstens - bei Bewerberinnen, die sich eine Zeitlang nur der Familie gewidmet haben - als fehlende Berufsjahre nieder.

Image ist wichtig Und das, obwohl auch in der Familienarbeit viel an beruflich verwertbarer Praxis steckt: Wirtschaften, Koordinieren, Konfliktmanagement. "In der Schweiz wird das neuerdings anerkannt", so Gubitzer. Sie spekuliert damit, daß die häuslichen Tätigkeiten dadurch an Image gewinnen und plötzlich auch für Männer interessant werden könnten ...

Denn soviel steht fest: Das Image der Arbeit ist Männern wichtiger als Frauen. Auch ein Grund, warum sie eifriger nach Schulleiter-Posten streben.

Und das Naheliegendste, das Geld? "Das ist kein Anreiz", sagen alle übereinstimmend - Schulleiter(innen), solche, die es werden wollen, und diejenigen, die gern darauf verzichten. Der Gehaltsunterschied ist zu gering. Mit zwei Überstunden pro Woche verdient so mancher Lehrer genauso viel wie sein Chef.

Einsames Kammerl Die Hauptmotive für den Wechsel aus dem geliebten Klassenzimmer ins einsame Direktorenkammerl sind der berufliche Aufstieg und der Wunsch, "etwas zu bewegen". Frauen wollen das auch - aber im entscheidenden Moment verläßt viele der Mut.

Eine Studie des Unterrichtsministeriums zum Thema "Berufskarrieren von Lehrerinnen" ergab: Gerade in jener Altersgruppe, die jetzt für den Karrieresprung reif ist, wurden viele nicht aus innerer Berufung Lehrerin. Sie entschlossen sich dazu, weil sie glaubten, daß sich das Lehramt noch am besten mit Haushalt und Kindern vereinbaren ließe. Auch wenn sie heute mit Herz und Seele bei der Sache sind - die damalige Überlegung: "Für dich als Frau ist nichts anderes drin!" läßt hochfliegende Pläne gar nicht erst aufkommen.

Ein weiteres Hemmnis: Ohne Engagment beim roten oder schwarzen Lehrerverein geht gar nichts, so lautet zumindest eine verbreitete Ansicht. Weil "frau" dafür meist keine Zeit und vielleicht auch keine Lust hat, rechnet sie sich von vornherein weniger Aufsstiegschancen aus. Dazu kommt das Bewußtsein, daß Direktorenposten dünn gesät sind - warum also nach etwas streben, das man ohnehin kaum erreichen kann?

Für die wenigen, die gezielt an ihrer Karriere schmieden, bedeutet das aber: Sie haben durchaus Chancen. "Gerade im Lehrberuf, der es erlaubt, vieles zu Hause zu tun, ist zusätzliches Engagement eher möglich als anderswo", sagt Gabriela Malin, Volksschullehrerin in Wien und Betreuerin des neuen "dynamischen Förderkonzepts", das spezielle Förderprogramme für begabte und für schwache Schüler anbietet.

Malin fühlt sich nicht benachteiligt und wehrt sich auch gegen das Vorurteil mangelnder Frauensolidarität: "Im Gegenteil, ich werde von den Kolleginnen total unterstützt." Ein anderes Klischee bestätigt sie aber: "Wenn ein Mann auftaucht, dann habe ich den Eindruck, daß er es schneller zu etwas bringt." Deshalb, weil er nach gängiger Auffassung "nur seinen Beruf hat", dem er sich mit vollem Einsatz widmen kann, und keine häuslichen Pflichten.

"Es gibt viele engagierte Frauen, auch genug Bewerbungen um ausgeschriebene Leiterposten", will Personalvertreterin Angela Mrakota ein schiefes Bild von ihren Kolleginnen gar nicht erst aufkommen lassen. Probleme bereite nur "das unausgesprochene Diktat, daß sich im privaten Bereich die Frau um alles kümmern muß".

Und die Herren der Schöpfung? Die meisten stehen Frauen-Karrieren positiv gegenüber. Solange es nicht die eigene Frau ist, die drei Abende in der Woche bei Fortbildungsveranstaltungen verbringt ...

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