Pflege

Corona-Krise und Pflegenotstand: Helfer warten derweil in Rumänien

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Immer mehr Männer zieht es in den Pflegebereich. Durch die Corona-Krise kam dieser Positivtrend zum Stillstand. Über eine Berufsbranche in der Zwickmühle.

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Immer mehr Männer zieht es in den Pflegebereich. Durch die Corona-Krise kam dieser Positivtrend zum Stillstand. Über eine Berufsbranche in der Zwickmühle.

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Betreuer Otto hält dem Mönch im Rollstuhl das Gebetsbuch, damit er die Textzeilen vorlesen kann. Er liest langsam, bedächtig. Es ist viel, was Br. Erhard schafft, wenn man bedenkt, dass er vor einem Jahr einen Schlaganfall hatte. Seinen linken Arm kann er seitdem nicht mehr bewegen. Deshalb kann er keinen Rollator benutzen und ist auf den Rollstuhl angewiesen. Auch benötigt der 87-jährige Priester Hilfe beim Anziehen und bei der Körperpflege. Im Kapuzinerkloster Irdning hat es die kleine Gemeinschaft neben den vielen alltäglichen Aufgaben und den Exerzitienkursen nicht mehr geschafft, den Mitbruder zu betreuen. So hat man sich um eine 24-Stunden-Betreuung bemüht. Bis vor Kurzem wechselten sich Otto und Ionel, zwei Männer aus Rumänien, alle vier Wochen ab und kümmerten sich um den betagten Mann. Denn auch im stillen Kloster hat die Pandemie durch das Coronavirus alles verändert. Derzeit bleibt Ionel bei Br. Erhard, weil Otto in Rumänien ist und durch Grenzschließungen derzeit nicht mehr zurückkommen kann.

Unterdessen sitzt der 27-jährige Khalaf Alscheich in seiner Wohngemeinschaft in Wien und vermisst seine verstorbenen Großeltern. Er ist 2015 aus Syrien geflüchtet und wollte sich für eine Ausbildung zum Heimhelfer bei den Wiener Sozialdiensten bewerben. Einige Monate lang hat der anerkannte Flüchtling daher regelmäßig alte und kranke Menschen im Spital Rudolfstiftung besucht. Doch damit ist es derzeit auch vorbei. Der Pflegebereich, der ohnehin händeringend nach Personal sucht, ist durch die Coronakrise nochmal gehörig unter Druck gekommen. Um das Pflegepersonal zu entlasten und zu unterstützen, werden derzeit Zivildiener herangezogen. Ende März wurde der Zivildienst für 1.500 Männer um drei Monate verlängert, zusätzlich stehen seit 1. April 3.000 Männer im außerordentlichen Zivildienst zur Verfügung.

Gesucht: 50.000 Pflegekräfte

Bereits vor der Coronakrise fiel auf, dass sich mehr Männer für den Pflegebereich interessieren. „Männer waren bisher eine Rarität, seit einiger Zeit nimmt ihr Anteil zu“, bestätigt auch Anastasia Knoll, Pflegedienstleiterin bei den Wiener Sozialdiensten. Im Ausbildungskurs „Pflegeassistenz“ waren im Jahr 2019 bei insgesamt 25 Teilnehmern zwölf Männer eingeschrieben. Zum Vergleich: Bei einem Heimhilfekurs 2008 nahmen 45 Personen teil (also deutlich mehr als 2019), dafür waren aber nur sechs Männer unter den Auszubildenden. Mittlerweile liegt der männliche Anteil an Interessierten stabil bei 16 Prozent – bei einem Gesamtanstieg an Interessierten auf 111 Teilnehmer im Jahr 2019.

Allenthalben wird nun den „Heldinnen und Helden“ in der Pflege gedankt. Ob das auch langfristig zu einer Aufwertung dieser wichtigen gesellschaftlichen Aufgabe führt, bleibt abzuwarten. Wenn Männer in bisher weibliche Berufsbranchen drängen, erfahren diese zumeist eine Aufwertung, sowohl im Ansehen als auch bei der Bezahlung. Indes hat sich die türkis-grüne Regierung (laut Regierungsprogramm) vorgenommen, nicht nur technische Berufe für Frauen attraktiver zu machen, sondern auch Pflege- und Careberufe für Männer. Das ist auch nötig: Derzeit beziehen rund 460.000 Menschen in Österreich Pflegegeld. Die Caritas geht davon aus, dass es bis zum Jahr 2050 rund 750.000 sein werden. Mehr als 50.000 zusätzliche Pflegekräfte wird es dann brauchen. Ursula Frohner, Präsidentin des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbandes, betont, dass es wesentlich sei, Interessenten nicht nur auszubilden, sondern auch im System zu halten. Um das zu erreichen, käme man nicht daran vorbei, die Bedingungen zu verbessern. „Da geht es nicht nur um die Bezahlung, sondern um flexible Arbeitszeiten, die Work-Life-Balance oder Fortbildungsangebote.“

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