24-Stunden-Betreuung: Sorgearbeit aufwerten!
Von Pflegekräften zu erwarten, rund um die Uhr verfügbar zu sein, ohne entsprechend entlohnt zu werden, ist grotesk. Hier wegzuschauen, grenzt an Realitätsverweigerung. Ein Weckruf.
Von Pflegekräften zu erwarten, rund um die Uhr verfügbar zu sein, ohne entsprechend entlohnt zu werden, ist grotesk. Hier wegzuschauen, grenzt an Realitätsverweigerung. Ein Weckruf.
I m ersten Lockdown war es den meisten 24-Stunden-Betreuer(inne)n nicht möglich, aus ihrer Heimat nach Österreich einzureisen. Eilig wurden Korridore via Zug und Flugzeug geschaffen, um sie ins Land zu holen. Die Unverzichtbarkeit der in Österreich gut etablierten 24-Stunden-Betreuung wurde durch die entstehenden Lücken und die Not der zu betreuenden Menschen ganz besonders drastisch aufgezeigt. Die Korridoraktion war aufwendig, aber erfolgreich, wie es schien. Passt, erledigt, Problem gelöst!
Jetzt ist die 24-Stunden-Betreuung wieder medial aufgeschlagen. Das deutsche Bundesarbeitsgericht hat unlängst entschieden, dass 24-Stunden-Betreuer(inne)n der Mindestlohn zusteht. Dies gilt sowohl für Präsenzzeiten als auch für die sogenannte Bereitschaft, also für die Nacht. Überraschung? Ungefähr so wie die Tatsache, dass es in Zukunft zu wenige Pflegepersonen in Österreich geben wird, und ein Beispiel dafür, wie fragil das System eigentlich ist.
Zwischen 2,20 und 3,50 Euro die Stunde
Auch in Österreich ist die Diskussion über die Arbeitsbedingungen von 24-Stunden-Betreuer(inne)n schon längst entbrannt. Zuletzt hat Amnesty International einen bemerkenswerten Bericht im Kontext der Menschenrechte verfasst. Dieser Bericht („Wir wollen nur ein paar Rechte – 24-Stunden-Betreuer(inne)n werden ihre Rechte in Österreich verwehrt“) merkt unter anderem an, dass die Betreuenden, zumeist Frauen, weder ihre Arbeitszeiten, ihr Honorar noch ihre Arbeitsbedingungen frei verhandeln können, wenig Schutz vor überlangen Arbeitszeiten haben und sozialversicherungsrechtliche Ansprüche aufgrund der häufig vorhandenen Sprachbarriere schlecht durchsetzen können. Für unselbstständige Betreuungskräfte ist die Arbeitszeit einigermaßen geregelt, selbstständige müssen diese vereinbaren. In Österreich sind rund 98 Prozent alle 24-Stunden-Betreuerinnen, der größte Teil Arbeitsmigrant(inn)en aus osteuropäischen Ländern, selbstständig tätig.
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