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Solidarisch in Sachen Gentechnik

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„Und sie erhob laut ihre Stimme!" Unter diesem Motto stand der erste Kongreß der Katholischen Frauenbewegung Österreichs (KFBÖ) in Wels.

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„Und sie erhob laut ihre Stimme!" Unter diesem Motto stand der erste Kongreß der Katholischen Frauenbewegung Österreichs (KFBÖ) in Wels.

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Die größte Frauenorganisation des Landes (zirka 200.000 Mitglieder) lud über 500 Führungskräfte und prominente Gäste nach Wels, darunter Frauenministerin Johanna Dohnal, Weihbischof Helmut Krätzl, Oberösterreichs Landtagspräsidentin Angela Orthner sowie die Präsidentin der Katholischen Aktion Österreichs, Eva Petrik, und präsentierte ihre neuen Leitlinien der Öffentlichkeit.

Diese Leitlinien sind, wie die KFBÖ-Vorsitzende Ingrid Klein erklärte, keine von oben herab verordnete oder von außen diktierte Pro-grammatik. Sie entstanden in einem breit angelegten ' Gesprächsprozeß während der letzten beiden Jahre. Basis dafür war das Werkstattpapier „kfb im Gespräch", das Thesen zur Diskussion stellte. Am Wiener Universitätsinstitut für Pastoraltheologie wurden unter der Leitung von Paul M. Zulehner die eingesandten Antworten ausgewertet. Diese, von großer Zustimmung geprägten Rückmeldungen waren wichtige Bausteine für die endgültige Fassung dieses Grundsatztextes.

„Die KFB setzt auf Leitlinien, nicht auf Sperrlinien", betonte Ingrid Klein. „Sperrlinien und Abbiegeverbote gibt es in der Kirche genug. Leitlinien brauchen wir, um in der Spur zu bleiben." Die 44 JVlar-kierungspunkte benennen die Ziele der künftigen Arbeit und weisen Wege, damit immer mehr Frauen in Österreich selbstbewußt ihr Leben gestalten, ihren Glauben teilen und sich einsetzen für gerechte und partnerschaftliche Strukturen in Kirche und Gesellschaft.

Der Ansatzpunkt für die neuen KFB-Leitlinien ist das Leben der Frau, so wie es sich in der heutigen Zeit darstellt, in einer Zeit aufbrechender Rollenbilder und wachsender Gestaltungsmöglichkeiten. Diese Vielfalt an „Frauenleben heute" wurde auf dem Welser Kongreß durch eine bunte Collage aus Tex-

ten, Videoszenen, Tanz und Gesang angedeutet. Danach beschäftigten sich die Kongreßteilnehmerinnen in drei Gesprächsforen, entsprechend den Leitlinienabschnitten Frau — Kirche - Gesellschaft mit der Festlegung von Prioritäten in der Umsetzung des neuen KFB-Papiers. In jedem Forum gaben auch Gäste ihre Meinung dazu ab, welche nächsten Schritte für die KFB nötig wären.

Im Forum „Frau" betonte Landtagspräsidentin Angela Orthner, daß Frauen nicht nur mutig Forderungen erheben sollten, sondern sich auch mehr gegenseitig fördern müßten. Die Frauenbeauftragte des Landes Tirol, Elisabeth Stögerer-Schwarz, stellte fest, daß Frauen noch immer allzu oft nicht nein sagen können und „begnadet" seien, alle Schuld auf sich zu nehmen. Frauen müßten lernen, daß sie nicht für alles verantwortlich seien.

Die Teilnehmerinnen an diesem

Gesprächsforum zum Schwerpunkt „Frau" betrachteten deshalb Maßnahmen zur Unterstützung der Persönlichkeitsentfaltung der Frauen sowie die Anerkennung der Vielfalt an möglicher Lebensgestaltung als wichtige Punkte in den Leitlinien. Ein gangbarer Weg dazu sind sicher die Selbstbewußtseinsseminare der KFB, die bisher von mehr als 10.000 Frauen absolviert und bereits nach Ungarn, Südtirol und in die ehemalige DDR „exportiert" wurden.

Im Gesprächsforum über die dem Schlagwort „Kirche" zugeordneten Punkte der Leitlinien ermutigte der Wiener Weihbischof Helmut Krätzl die Frauen zum Einsatz für Veränderung. Sie sollten dabei das Augenmerk auf das legen, was bereits heute möglich ist, und dies, soweit es geht, ausdehnen. Krätzl appellierte an die KFBÖ, den Frauen Lust auf das Leben, die Partnerschaft, die Familie und die Kirche zu machen. Er warnte vor einer Separierung in der Kirche und unterstrich, eigene Formen der Liturgie von Frauen dürften nicht zur Exklusivität führen.

Die Innsbrucker Universitätsassistentin Martha Heitzer trat dafür ein, daß Frauen ihr religiöses Leben nicht nur auf Meßfeiern konzentrieren, sondern in Kleingruppen verstärkt ihre religiösen Erfahrungen austauschen und den Glauben teilen.

Im gesellschaftlichen Gesprächsforum nannte Frauenministerin Johanna Dohnal die Schaffung eines österreichischen Gentechnikgesetzes angesichts der jüngsten Entwicklungen dringend notwendig. Angesichts des Widerstandes von Wissenschaft und Wirtschaft setzt die Ministerin auf Frauensolidarität. Sie appellierte

an die KFBÖ, eine Bewegung für ein Gentechnikgesetz mitzutragen und eine öffentliche Diskussion darüber anzufachen.

KFBÖ-Vorsitzende Ingrid Klein betonte, daß unter dem Stichwort „Bewahrung der Schöpfung" in den neuen Leitlinien der Katholischen Frauenbewegung nicht nur der Umweltschutz, sondern vor allem auch die „Bewahrung des Menschlichen" gesehen werde. Dies bedeute beispielsweise die Sorge um die Ungeborenen und um jene, die den Tod vor Augen haben, sowie insbesondere auch „um eine rechtlich noch nicht gebändigte Gentechnik".

In den Leitlinien der KFBÖ werden ausdrücklich „strenge gesetzliche Regelungen und die Einhaltung von ethischen Wertmaßstäben in Forschung und Anwendung der Gentechnik" gefordert. „Die KFB lehnt jede Patentierung des Lebens ab. Insbesondere wendet sie sich gegen die Erzeugung und mißbräuchliche Verwendung von Embryonen", heißt es wörtlich in den Leitlinien. Dieser Aspekt wurde auch von den Gesprächsteilnehmerinnen aus ganz Österreich als Schwerpunkt des künftigen politischen Engagements der KFB betrachtet.

KA-Präsidentin Eva Petrik plädierte für eine Koalition verschiedener politischer Gruppen in Sachfragen. In einer „sehr offenen Solidarität" müsse mit Gleichgesinnten der Einsatz für heutige Werte angestrebt werden. Sie hofft, daß nach dem Durchdenken und dem Reden über die neuen Leitlinien nun bald konkretes Handeln spürbar wird. Die Autorin

ist Leiterin der KFB der Diözese Linz

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