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Gibt es in der Kirche eine Frauenfrage?

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Es sieht aus, als gäbe es in der katholischen Kirche in Österreich keine Frauenfrage: Frauen überwiegen bei weitem im Kirchenbesuch, sie stellen sich bereitwillig für viele Dienste zur Verfügung, haben als Religionslehrerin und Pastoralassistentin eine gewisse „Amtlichkeit“ und können als Ordensfrauen sogar Gemeindeleiterinnen werden.

Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß sich nicht nur mit der unleugbar sinkenden Zahl der Kirchenbesucher auch die Zahl der Frauen verringert, sondern daß zunehmend vor allem jüngere Frauen das Gefühl haben, die Kirche gäbe keine für sie brauchbaren Antworten auf ihr Leben.

Manchmal wird auch vermerkt, daß die Frau in der Kirche doch nicht dem Mann gleich gewertet werde, was sich in der durchaus geringeren Vertretung der Frau in den Gremien und in der Tatsache, daß das Amtspriester-tum dem Mann vorbehalten sei, widerspiegle.

Doch aufs Ganze gesehen, scheinen die Frauen in der Kirche mit ihren Möglichkeiten zufrieden.

Außerhalb der Kirche aber organisieren sich zur selben

Zeit weltweit und auch in Österreich Frauen zum Kampf um ihre Freiheit, ihre Rechte, gegen tatsächliches und vermeintliches Unrecht. Sie fragen danach, wie man heute als Frau leben kann, und suchen ihre Antwort bei Marx, Bloch, Simone de Beauvoir und Alice Schwarzer.

Sie stellen „die Frauenfrage“: in unterschiedlicher Radikalität von der Abtreibung bis zum Lesbierinnentum, aber auch auf Gebieten, auf denen Christen mitgehen können wie Abstützung in der Doppelbelastung der Frau, Weiterbildung in

Selbsterfahrungsgruppen, Hilfen für mißhandelte Frauen und deren Kinder usw.

Oft ist die Form, in der sie fragen - besonders im Spiegel der Massenmedien -, so übersteigert, daß viele versucht sind, zu sagen: „Nehmt das doch nicht so ernst!“

Aber in der ganz konkreten Begegnung mit diesen „Feministinnen“ (unter diesem Namen sammeln sich auch in Österreich Gruppen mit sehr verschiedenen Zielen) erfahren wir ihre zum Teil erschütternden Lebensschicksale. Wir entdecken, daß so manche dieser Enttäuschten aus sehr katholischen Elternhäusern kommen. Wir erkennen, daß ihre Attacken gegen die Kirche oft ein letzter verzweifelter Ausdruck ihrer immer noch vorhandenen Erwartungen sind.

In der konkreten Begegnung wird für uns die Konzilsaussage „Freude und Hoffnung, Bedrängnis und Trauer der Menschen von heute sind zugleich unsere Freude und Hoffnung, Trauer und Bedrängnis“ hautnahe Forderung.

Wenn sich vielen Frauen -und bei näherem Zusehen doch auch solchen in der Kirche und kirchennahen -die Frage nach Selbstfin-dung, Freiheit und Recht stellt, ist es höchste Zeit, auch von Seiten der Kirche nach Antworten zu suchen.

Cardijn hat mit der Heiligen Schrift den jungen Arbeitern die umwälzende Erkenntnisvermittelt: „Ihr seid nicht Sklaven der Arbeit, sondern Söhne und Töchter Gottes!“

Es scheint, als müßte in der katholischen Kirche heute für die Frauen das vom Ursprung her Vorhandene, aber viel zu wenig Verkündete und Gelebte gesagt werden: Jesus hat zwar keine Frauenbefreiungsbewegung begründet, aber in seinem Umgang mit den Frauen - den Sitten seiner Zeit entgegengesetzt - das demonstriert, was (ausgerechnet) Paulus für die junge Kirche formulierte: „Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid .einer' in Christus Jesus.“ (Galater 3, 28)

Die Konsequenzen daraus zu leben, wäre Antwort auf die Frauenfrage.

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