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Heiliger Vater, reden Sie mit Frauen!
Die Verfasserin ist freie Journalistin und TV-Regisseurin
Ich möchte dem Papst einen Brief schreiben. Ich möchte schreiben, lieber Heiliger Vater, hören Sie auch auf Frauen. Vergessen Sie bitte nicht, daß die Hälfte der Menschheit und die Hälfte der Christenheit aus Frauen besteht.
Als Sie noch Kardinal in Krakau waren, haben Sie - so liest man in den Reportagen-regen Kontakt mit den Menschen Ihres Landes gehabt. Sie sind mit Studenten gewandert, haben mit Freunden gegessen, mit Intellektuellen diskutiert. Sicher sind da auch Frauen dabei gewesen, die Ihnen - denke ich -ihren eigenen Standpunkt klargemacht haben.
Und jetzt leben Sie im Vatikan, in einer Männergesellschaft, für die in den Medien gerne so schmückende Beiwörter wie „konservativ“, „versteinert“ und ähnliches gebraucht werden. Wann treffen Sie denn jetzt mit Frauen zusammen, wenn man von den Audienzen und den polnischen Nonnen Ihres Haushaltes absieht?
'Die Welt ist gerührt beim Anblick der Bilder, auf denen Sie eine junge Frau mit multipler Sklerose an Ihr Herz drücken oder bezeugen, wenn zwei Brautleute aus der
Arbeiterklasse einander das Sakrament der Ehe spenden. Und das ist ja auch alles sehr schön, und die Kommentatoren sagen, daß diese Gesten für Sie ein unverzichtbarer Bestandteil Ihres Amtes sind.
Aber ebenso unverzichtbar sollten für Sie Gespräche mit Menschen, mit Männern und Frauen, sein, denen nicht die Ehrfurcht und das Überwäl-tigtsein den Mund verschließt.
Man sagt, daß Sie Ihre Mahlzeiten gerne in Gesellschaft von Menschen einnehmen, die Sie sich von außerhalb der Vatikanmauern einladen. Wie schön! Waren da auch schon Frauen dabei? War eine Spitalsärztin dabei, eine Mutter, eine Theologin, eine Arbeiterin, eine Lehrerin, eine Journalistin, eine Sozialarbeiterin, eine Politikerin? Haben Sie schon den Standpunkt von Frauen zu Fragen der Pastoral, zum Zölibat, zur Sexualität, Familienplanung, Partnerschaft und Ehe, zur Arbeitswelt und zur Politik gehört?
Heiliger Vater, reden Sie mit Frauen! Schaffen Sie ein Gesprächsklima um sich herum, in- dem Frauen - die Hälfte jener riesigen Gemeinschaft, für die Sie sich verantwortlich fühlen, Heiliger Vater! - ganz selbstverständlich und immer wieder zu Wort kommen. Die Kirche braucht das und Sie brauchen das!
Alles andere wäre auch völlig unbiblisch, denn Christus hatte bekanntlich einen ganz selbstverständlichen und unverkrampften Umgang mit den verschiedensten Frauen, mit mondänen (Maria Magdalena), mit häuslichen und mit intellektuellen (Martha und Maria). Und ich wehre michgegendie Vorstellung, daß er sich von diesen Frauen nur anhimmeln und bedienen hat lassen.
Ich wehre mich auch gegen den kirchlichen und theologischen „male chauvinism“, der sich herausnimmt, Frauen zu definieren, ihnen Funktionen zuzuweisen oder zu verweigern; und gegen jenes von Mißtrauen geprägte, herabwürdigende Frauenbild, das auch in der Zölibatsdiskussion wieder durchschlägt, wenn unterstellt wird, die Frau würde dem Priester bei der Hingabe an die Menschheit im Wege sein.
Die Kirche ist immer auch Abbild der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Die Anerkennung der Frau als gleichberechtigter Partner, die langsam und unter Krämpfen, aber immerhin, gesellschaftliche Wirklichkeit zu werden beginnt, hat aber noch nicht sehr auf die Kirche abgefärbt. Zweifellos wird ein kirchliches Umdenken in dieser Richtung von den Frauen selbst eingeleitet werden müssen. Und wird abhängen von ihren Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen.
Darum, Heiliger Vater, hören Sie auch auf Frauen!
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