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Allzu wenig Freizeit

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Wer klagt heute nicht über Streß? Selbst Pensionisten führen keineswegs den Lebensstil, der dem unreflektierten Image vom „wohlver- dienten Ruhestand“, entspricht. “Ka’ Zeit“ ist ein geläufiger Pensionistengruß.

Wenig Zeit dürften aber auch immer mehr Jugendliche haben, wie die kürzlich veröffentlichte „Österreichische Jugendstudie“ aufgrund der Befragung von 2.200 jungen Österreichern ergab: 2,5 Stunden ist der karge Rest an Freizeit, über den Jugendliche hierzulande im Durchschnitt pro Tag verfügen. 1973waren es noch 4,1 Stunden.

Schuld daran sind die längere Schulzeit, die zusätzlichen Schulangebote wie Förderunterricht, freiwillige Übungen (von 35 Prozent der Schüler in Anspruch genommen), aber auch außerschulische Bildungsangebote (26 Prozent der Schüler musizieren) und das Sport- training.

So wertvoll jedes dieser Angebote fürsich betrachtet auch sein mag, so führt die Fülle der „Wohltaten“ doch insgesamt zu einer Situation, in der junge Menschen zunehmend verplant sind und immer weniger über die Muße verfügen, ihren Zeitvertreib selbst zu gestalten. Es entsteht eine gewisse Passivität.

Bemerkenswert ist der Umstand, daß die Freizeit mit der Ortsgröße zunimmt. Jugendliche in kleinen Gemeinden haben nicht nur längere Schulwege, sie wenden auch mehr Zeit zum Lernen auf. Es spricht einiges dafür, daß in dieser Beobachtung eine unterschiedliche „Schulkultur“ zum Ausdruck kommt: Mehr Herausforderung und mehr Engagement in Sachen Schule am Land.

Und was machen nun die Jungen in ihrer Freizeit? Medienkonsum spielt da eine besondere Rolle: Fernsehen und Video, Radio- und Mu- sikhören. Es wird offenkundig, daß „der passive Medienkonsum ganz eindeutig an vorderster Stelle des Freizeitverhaltens steht“, wird zu- sammenfassend in der Studie festgehalten. Und noch etwas: Je kürzer die Freizeit, umso mehr steigt der Medienkonsum. Denn für die meisten Jugendlichen zahlt es sich eben nicht aus, etwas aktiv zu unternehmen, wenn die freie Zeit zu kurz wird. Deutlich im Kommen sind auch Computerspiele: 45 Prozent der Burschen (36 Prozent der Mädchen) waren in der Woche vor der Befragung vor dem Bildschirm anzutreffen. Trotz dieser zunehmenden Bedeutung der Medien hat der Kontakt mit Gleichaltrigen einen besonderen Stellenwert: 6 0 Prozent der Jugendlichen verbringen wöchentlich mehr als sechs Stunden mit Freunden, wobei Kaffeehäusern und Lokalen wachsende Bedeutung als Treffpunkt zukommt.

Sehr behebt sind Diskotheken. 17 Prozent sehen sie „spontan als sehr gute und attraktive Freizeitangebote“ an. Wer allerdings bedenkt, was in Diskotheken geboten wird, muß sich wohl die Frage stellen, welche Qualität dieses Zusammensein mit Freunden tatsächlich haben kann: Die meist ohrenbetäubende Musik ist wohl eher der Rahmen für gemeinsamen Medienkonsum als für eine Begegnung mit Freunden.

Bemerkenswert ist der Umstand, daß es bezüglich Ausgehen im Gegensatz zu den siebziger Jahren keine Geschlechtsunterschiede gibt. Damals waren die Mädchen häuslicher.

Relativ hoch ist auch das Engagement der Jugend in Vereinen und Jugendorganisationen (58 Prozent im Bundesdurchschnitt). Mit Abstand sind es die Sportvereine, die die größte Anziehungskraft ausüben. Erst weit dahinter folgenkirchliche Organisationen an zweiter Stelle.

Bei den Motiven der Mitgliedschaft ist eines ganz eindeutig: „Jugendliche wollen in Vereinen und Örganisationen in erster Linie mit ihren Freunden zusammen sein und Jugendliche treffen, die ein annähernd ähnliches Interessenprofil aufweisen“, faßt die Studie ihre diesbezüglichen Befragungsergebnisse zusammen.

Den Eltern kommt als Freizeitpartner der Jugend nur eine untergeordnete Rolle zu: Da wenden die Jungen noch eher Zeit zum Träumen und zum Nachdenken auf, alB daß sie aktive Freizeitgestaltung mit ihren Eltern betreiben. Erfreulich, daß das Träumen noch nicht ganz aus der Mode gekommen ist! Jeder dritte Bursch und jedes zweite Mädchen verbringt wöchentlich immerhin noch mehr als vier Stunden mit dieser Beschäftigung, für die uns unser hastiges Erwachsenenleben ja kaum mehr Raum bietet

Siehe: „Österreichische Jugendstudie 19S9’’durdigeführt im Auftrag des BM für Umwelt, Jugend und Familie von der „Sorialfor- sdiung Dr. Brunmayr’

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