Jugendliche wollen Ehrenamt "à la carte"

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Tunnelbrände, Badeunfälle, Bergdramen, Überschwemmungen - es war ein harter Sommer für die häufig ehrenamtlich tätigen Mitarbeiter von Feuerwehr, Rotem Kreuz, Rettung und anderen Einsatzhelfern. Das Potential für ehrenamtliches Engagement ist eindrucksvoll, auch unter den Jungen, wie eine brandneue oberösterreichische Studie nachweist.

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Tunnelbrände, Badeunfälle, Bergdramen, Überschwemmungen - es war ein harter Sommer für die häufig ehrenamtlich tätigen Mitarbeiter von Feuerwehr, Rotem Kreuz, Rettung und anderen Einsatzhelfern. Das Potential für ehrenamtliches Engagement ist eindrucksvoll, auch unter den Jungen, wie eine brandneue oberösterreichische Studie nachweist.

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Das Jahr 2001 als "Internationales Jahr der Ehrenamtlichkeit" wurde von zuständigen Regierungsstellen in Bund und Ländern und von zahlreichen Einrichtungen der Katastrophenhilfe, Sozial-und Gesundheitsdienste, von ökologischen Initiativen beziehungsweise Sport- und Jugendorganisationen genützt, um Bilanz zu ziehen und in die Zukunft zu blicken. Und hier ist Optimismus angesagt: das Potential für ehrenamtliches Engagement ist - gerade auch unter der Jugend - eindrucksvoll.

Eine oberösterreichische Studie weist nach, dass immerhin 55 Prozent der Landesbürger ehrenamtliche Mitarbeit in verschiedensten Vereinen und Organisationen sehr interessant beziehungsweise interessant finden. Für die 15- bis 29-Jährigen hat Ehrenamt zwar nicht erste Priorität ( weil Schulabschluss, Berufsfindung, Partnerschaft und Familiengründung im Vordergrund stehen), das Interesse liegt mit 61 Prozent aber sogar überdurchschnittlich hoch. Allerdings müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein, um aus dem Interesse tatsächliches Engagement zu machen: starre bürokratische Strukturen und Hierarchien stoßen ebenso ab wie eine zu starke ideologische oder zeitmäßige Vereinnahmung. Und am liebsten beteiligen sich junge Menschen gemeinsam, in Gleichaltrigengruppen, an Gemeinwesenaufgaben. Mehr als doppelt so viele junge als ältere Menschen legen auch Wert darauf, dass ehrenamtliche Tätigkeit einfach Spaß macht, und man sich gut dabei unterhalten kann.

Im großstädtischen Bereich mit gut ausgebauter sozialer Infrastruktur und vielfältigen (auch kommerziellen) Freizeitangeboten ist das Interesse an ehrenamtlicher Betätigung erwartungsgemäß merkbar geringer (47 Prozent) als im ländlichen Raum (zwischen 55 und 63 Prozent) - in dem es allerdings auch wesentlich einfacher ist, Interessenten direkt anzusprechen - unter anderem über das persönliche Beispiel. Befragte, die ehrenamtlich Tätige in ihrem Umfeld kennen, sind in fast doppelt so hohem Ausmaß (60 Prozent) interessiert als solche ohne Ehrenamtsträger in der Bekanntschaft (37 Prozent)

Am wichtigsten ist rund 60 Prozent der Befragten, und zwar auch der Altersgruppe der 15 bis 30-Jährigen, anderen Menschen helfen zu können - ein wichtiges Signal für alle Rettungsorganisationen. An zweiter Stelle steht mit gut 40 Prozent der Wunsch, Menschen glücklich zu machen - hier zeichnet sich unter anderem für kulturelle Initiativen das Mitarbeiterpotential ab. Für ebensoviele Befragte - und mit 50 Prozent noch mehr für die Jungen - ist es wichtig, mit dem ehrenamtlichen Engagement tatsächlich etwas zu bewegen und zu verändern. Weitere wichtige Motive sind sinnvolle Freizeitgestaltung, Kontaktpflege und -erweiterung, und bei der ehrenamtlichen Tätigkeit auch eine Chance, Lern- und Weiterbildungsmöglichkeiten nützen zu können. Kenntnisse und Fähigkeiten, die man sich etwa als ehrenamtlicher Mitarbeiter bei Rettung oder Feuerwehr aneignet, sind schließlich nicht nur für das eigene Privatleben nützlich, sondern können zu interessanten Verschränkungen mit dem Berufsleben führen.

Gespür für die Not

Nach Meinung der OberösterreicherInnen sind die Mitwirkung bei Katastropheneinsätzen (61 Prozent), Jugendarbeit (57 Prozent) und Kinderbetreuung (52 Prozent) besonders interessante Einsatzfelder. Die Menschen wissen offensichtlich, wo sie gebraucht werden, und wo "zusammenstehen" und "zusammenhelfen" unerlässlich sind - in Krisensituationen. Sie haben ein Gespür für Zukunftsherausforderungen, wie der Akzent auf Arbeit mit Kindern und Jugendlichen zeigt.

Und auch frühere "Tabuthemen" werden salonfähig: vor allem junge Menschen möchten sich (obwohl gerade in diesen Bereichen die Freiwilligenarbeit an Qualifikationsgrenzen stößt) in besonderem Masse für gesellschaftliche Rand- und Problemgruppen, insbesondere Suchtkranke einsetzen.

Auf großes Interesse stößt bei Jung und Alt das Engagement bei Veranstaltungen und Festen - eben weil man bei der Freiwilligenarbeit auch Spaß und Freude sowohl bereiten wie auch selber haben möchte.

Allen Unkenrufen zum Trotz gelingt es den wichtigen beziehungsweise "klassischen" Einrichtungen, die auf Ehrenamtlichkeit basieren, von den Rettungsdiensten über die Sportvereine bis hin zur Volkskultur, ihre Mitwirkenden zu finden und ihre Strukturen zu erhalten - wenngleich es immer schwieriger wird: nicht zuletzt aufgrund der immer höheren zeitlichen Beanspruchung der Menschen durch Bildungs- und Berufserfordernisse.

Es zeichnet sich aber auch eine Veränderung der "Ehrenamtsmentalität" ab: Wer sich in Zukunft freiwillig betätigt, dem geht es vielfach nicht mehr um jahrelange fixe Bindungen an eine Organisation oder Gruppe, sondern im Regelfall um ein spezielles Thema, oft um eine persönliche Sache, die ihn bewegt und interessiert - sei es eine ökologische, soziale oder kulturelle Thematik, eine Frage der Lebensqualität und Freizeitgestaltung. Man will nicht mehr unbedingt einen "Dienst an der Allgemeinheit" verrichten, sondern für sich, das persönliche Umfeld, allenfalls noch die Wohngemeinde oder eine Region ein Ziel realisieren.

"Come and go"

Der Trend geht erkennbar in Richtung "single-issue-Engagement", das heißt freiwillige Betätigung auf Zeit, in Richtung fluktuierende Mitgliedschaften und Partizipationen an konkreten Projekten, und in Richtung offene "come and go"-Strukturen mit quasi individuell maßgeschneiderten Teilnahmemöglichkeiten.

Neue Wege zur Rekrutierung jugendlicher Freiwilliger geht zum Beispiel das Oberösterreichische Hilfswerk: unter www.help4fun finden sich alle wesentlichen Informationen über Einsatzbereiche und Tätigkeitsfelder, die Jugendlichen treffen sich in Chats, und entscheiden sich von Fall zu Fall für die Mitarbeit an einem Projekt. Das kann ein Jugendevent sein, ein Besuchsdienst, Internet-Schulung für Senioren... Nach einem Punktesystem gibt es für geleistete Stunden kleine Belohnungen wie etwa Karten zu Jugendveranstaltungen, vor allem aber die Mitgliedschaft mit voller Nutzungsmöglichkeit in der help4fun-Web-Community.

Neben der Zielsetzung, neue Mitarbeiter zu gewinnen, sieht das Hilfswerk die Initiative als Chance für die Jugendlichen, im Sinne einer Berufsorientierung in den Sozialbereich "hineinzuschnuppern". Und es geht auch darum, jungen Menschen Partizipationschancen zu eröffnen.

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