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Digital In Arbeit

Heimat für Arbeitslose, Einsame oder am Rand Stehende

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Die soziale Umwelt des Städters wird immer anonymer. Vereinsamung macht sich breit. Seit 15 Jahren versucht eine private Initiative, erfolgreich gegen diesen Trend anzukämpfen.

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Die soziale Umwelt des Städters wird immer anonymer. Vereinsamung macht sich breit. Seit 15 Jahren versucht eine private Initiative, erfolgreich gegen diesen Trend anzukämpfen.

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Vor vielen Jahren hatten engagierte Menschen, die sich um andere sorgten, die nicht auf der „sunny side” leben konnten, eine für' Wien neue Idee: ein offenes Begegnungszentrum für Menschen aller Altersgruppen und mit verschiedenen psychosozialen Problemen wie Einsamkeit, familiären Konflikten, psychischen und physischen Erkrankungen zu schaffen.

Viel Skepsis stand am Anfang: Wie kann man ein Haus finanzieren, wer soll da hinkommen, man kann doch nicht verschiedenartige Menschen „mischen”! Das Credo des Teams lautet: der Mensch ist mehr als seine Behinderung, die, sei sie nun psychisch oder physisch nicht das Wesentliche einer Persönlichkeit ausmacht. So startete der Betrieb des unter tatkräftiger Hilfe der Mitarbeiter renovierten Hauses im Juni 1982 mit einem Eröffnungsfest.

15 Jahre später gibt es wieder ein Fest im Begenbogenhaus, das sich un -ter den Wiener Einrichtungen einen ganz spezifischen Platz gesichert hat. Die Idee des offenen Begegnungszentrums hat sich in der Praxis bewährt. Die Menschen, die das Haus besuchen, wissen, daß sie hier nicht nur konkrete fachliche Hilfe, sondern Platz in einer Gemeinschaft finden. Hier werden sie nicht betreut, sondern als individuelle Persönlichkeiten mit ihren Wünschen und Sehnsüchten, mit Ängsten und Sorgen, aber auch mit ihren Fähigkeiten und Talenten ernst genommen.

In einer von Studierenden der Bun-dessozialakademie 1996 im Haus durchgeführten anonymen Befragung haben viele Besucher neben anderen Motiven für das Frequentieren des Hauses (Freunde treffen, gegenseitige Hilfe und Unterstützung, Gespräch und Beratung ...) einen Punkt besonders hervorgehoben: im Haus mithelfen zu können. Im Begenbogenhaus wird nicht für die Besucher organisiert, sondern gemeinsam geplant und gestaltet. Die Mitwirkung bei Festen stellt immer wieder einen beliebten Höhepunkt im Jahresablauf dar, aber auch notwendige Bepa-ratur- und Aufräumarbeiten werden miteinander erledigt - wie in einer Familie.

Ersatz für Familie

Oft ersetzt das Begenbogenhaus jene familiäre Struktur, in der auch Konflikte ausgetragen und Problemlösun -gen erarbeitet werden können, weil man sich verbunden und geborgen weiß, manchmal ist es auch erste Än-laufstation für Menschen, die nach einer längeren Krankheitsphase erst wieder Anschluß an das Alltagsleben finden müssen und hier eine besondere Atmosphäre und Ermunterung finden.

Die erwähnte Statistik hat auch die Erfahrungen der Sozialarbeiter bestätigt, daß das Haus stärker von Männern besucht wird. Zwei Drittel der Besucher sind Männer, täglich frequentieren durchschnittlich 22 Besucherinnen und Besucher das Haus.

Solidarität und gegenseitige Achtung, Zusammengehörigkeitsgefühl und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen sind jene Werte, die den Lebensalltag im Begenbogenhaus prägen. Immer wieder helfen sich Besucher auch außerhalb des Hauses in schwierigen Situationen, aber auch beim Einkaufen, Behördengängen, Aufräumen.

Das Angebot im Begenbogenhaus ist vielfältig, und die derzeit acht Mitarbeiter bemühen sich, den spezifischen Interessen und Anliegen der Besucher entgegenzukommen. Starre Konzepte gibt es hier nicht, Eigeninitiative ist erwünscht und auf spontane Einfälle kann flexibel reagiert werden.

Derzeit gibt es neben einer Gesprächsrunde für Männer und Frauen auch jeweils eine Gesprächsrunde, bei der die Geschlechter unter sich blei ben können, ein Kochkurs wird ebenso angeboten wie ein Englischkurs und eine Bibelrunde. Ein kleines Gebäude im Garten ist mit einem Brennofen, mit Webstühlen und Nähma-

Eine Auftankstelle

Alle diese Angebote sind durch ein konstruktives Miteinander gekennzeichnet, nicht die Leistung steht im Vordergrund, sondern das Erleben der Gemeinsamkeit. So können die Besucher, die in unserer emotional immer kälter werdenden Welt von der Ent-solidarisierung und neuen Armut bedroht sind, „auftanken” und aktiv in einer Gemeinschaft leben.

Die große Sparwelle des vergangen Jahres hat sich auch auf die Finanzierung des Regenbogenhauses ausgewirkt. Einige Subventionen, jahrelang gewährt, wurden halbiert oder ganz gestrichen. Die Eigenaufbringung durch Spenden, Mitgliedsbeiträge, Verkauf eigener Produkte und ganz wesentlich auch ehrenamtliche Tätigkeiten weist ein beachtenswertes Ausmaß von 50 Prozent auf und kann kaum mehr gesteigert werden. Der Verein Regenbogen ist daher nur durch Subventionen öffentlicher Institutionen in seinem schinen ausgestattet, auch Holzarbeiten können gefertigt werden. An einem großen Arbeitstisch wird gemalt, gebatikt, gedruckt...

Beliebter Treffpunkt im Haus ist die Imbißstube, die von einem Besucherteam geführt wird. Wer einfach Gespräch und Kontakt sucht, findet im Gemeinschaftsraum immer jemanden, der zum Zuhören bereit ist oder Lust auf ein Gesellschaftsspiel hat.

Weiterbestehen gesichert.

Wenn Sie das nächste Mal aus Wien Richtung Westen fahren, werfen Sie einen Blick auf den Begenbogen an der Fassade des Hauses in der Hadik-gasse. Schenken Sie jenen Menschen ein paar freundliche Gedanken, die , versuchen, in diesem Haus eine Oase der Mitmenschlichkeit zu schaffen.

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