Letzter Ausweg für Schwangere

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Die "Kontaktstelle Babyklappe und Anonyme Geburt“ der Caritas Steiermark bietet Frauen vor und nach der Geburt anonyme Beratung und Hilfe zu dieser höchst sensiblen Thematik.

Einen möglichst niederschwelligen Zugang zu den Beratungsangeboten möchte die Kontaktstelle der Caritas Steiermark durch eine Hotline gewähren. Christa Pletz erzählt von ihrer achtjährigen Erfahrung als Leiterin der Hilfseinrichtung.

Die Furche: In welchen Situationen befinden sich die Frauen, die sich bei Ihnen melden?

Christa Pletz: Meist stehen die Frauen vor einer Multiproblem-Konstellation. Oft verdrängen sie ihre Schwangerschaft und bemerken diese erst nach Ende der Abbruchsfrist. Sie melden sich erst sehr spät in der Schwangerschaft bei uns. Die Hälfte von ihnen kommt spontan zur anonymen Geburt, war nicht bei den Voruntersuchungen. Manchmal sind Vertraute eingeweiht: Eine Freundin oder eine Mutter. Viele haben Partner, die keine Hilfe sind, zusätzlichen Druck ausüben oder sagen, "Tu, was du willst!“

Die Furche: Wie unterstützen Sie die betroffenen Frauen?

Pletz: Wir gehen mit ihnen alle Alternativen durch. Es ist eine schwerwiegende Entscheidung, denn keine Frau kann ihr Kind auf Dauer vergessen. Wir sprechen mit ihnen darüber, was für das Baby die beste Lösung sein könnte. Außerdem ermutigen wir die Frauen, Informationen für das Kind zu hinterlassen, denn alle Kinder wollen früher oder später ihre Herkunft erfahren.

Die Furche: Was geschieht mit anonym Geborenen und Babyklappen-Kindern?

Pletz: Sobald das Kind das Krankenhaus verlassen kann, übernimmt das Jugendamt die Obsorge und übergibt das Kind möglichst rasch geeigneten Pflegeeltern. Nach Ablauf einer Frist von sechs Monaten können sie die Adoption beantragen.

Die Furche: Gibt es für Mütter, die ihr Kind abgegeben haben, noch einen Weg zurück?

Pletz: Innerhalb der ersten sechs Monate nach der Geburt ist es möglich, dass Mütter sich umentscheiden. Als Erstes muss die Frau beweisen, dass sie die leibliche Mutter ist. Danach schaut sich das Jugendamt genau an, welche Situation am besten für das Kind ist: Überforderte Mütter können für eine Weile in einer Mutter-Kind-Einrichtung leben, bevor sie mit dem Kind selbstständig leben. Das Kind kann auch zwischenzeitlich zu Pflegeeltern kommen oder die Mutter willigt in eine Adoption ein.

Die Furche: Welche verschiedenen Adoptionsformen sind denn möglich?

Pletz: Bei der offenen Adoption lernt die leibliche Mutter die Adoptiveltern kennen und weiß, wo sich ihr Kind befindet. Es kann weiterhin Kontakt bestehen. Diese Variante kann bei Adoptiveltern Verlustängste auslösen. Bei halboffenen Adoptionen lernt die Mutter die Adoptiveltern einmalig kennen, erfährt aber nicht deren Daten und kann weitere Informationen über das Kind vom Jugendamt erfahren. Am häufigsten sind in Österreich immer noch Inkognito-Adoptionen: Die Wünsche der Mutter werden bei der Auswahl der Adoptiveltern berücksichtigt, es besteht danach aber kein Kontakt.

Die Furche: Womit hilft man Adoptiveltern?

Pletz: Adoptiveltern sind sehr dankbar für jegliche Informationen über die Mutter, die sie dem Kind später erzählen können. Leibliche Mütter können auch noch später beim Jugendamt Briefe, Fotos oder Andenken für das Kind abgeben. Die Anonymität können sie jederzeit ohne amtliche Schritte aufheben. An einer inzwischen erfolgten Adoption ändert das aber nichts mehr.

Die Furche: Wie kann man diese Kinder im Umgang mit ihren Wurzeln unterstützen?

Pletz: Auch wenn das Kind bei einer liebevollen Pflegefamilie aufwächst, bleibt das Wissen um die Ursprungsfamilie von identitätsstiftender Bedeutung. Weil anonym geborene Kinder und Babyklappen-Kinder später nicht einmal erfahren können, wer die Eltern sind, ist es ganz wichtig, möglichst viele Informationen für das Kind zu sammeln. Daher bitten wir die Mutter, einen Brief zu schreiben über sich, den Vater, etwaige Geschwister, ihre Talente und Vorlieben. Sie sollte auch die Gründe für ihre Entscheidung erklären und Wünsche für das Kind hinterlassen, Fotos, Andenken und Geschenke beilegen. Sieht sich die Mutter dazu nicht in der Lage, schreibt jemand vom Geburtsteam einen Brief über die Geburt.

Die Furche: Wo müsste man im Sinne der Betroffenen präventiv ansetzen?

Pletz: Das Problem ist, dass die betroffenen Frauen nicht in die Debatte einbezogen werden. Viele entscheiden sich für eine anonyme Geburt, weil eine Adoptionsfreigabe gesellschaftlich total geächtet ist. Am Land wird diese oft nicht vertraulich behandelt.

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