6918743-1981_36_13.jpg
Digital In Arbeit

Zu Pflegeeltern statt ins Heim

Werbung
Werbung
Werbung

„Wir haben eme Bauenn gewonnen, die zwei mongoloide Kinder aufgenommen hat. Sie konnte mit ihnen ganz großartige Entwicklungserfolge erzielen, wie sie der in Wien betreuende Arzt niemals für möglich gehalten hätte", erzählte Elisabeth Lutter vom Verein „Initiative Pfiegemutter".

Dieser Verein hat heute in ganz Österreich 300 qualifizierte Pflegestel-len an der Hand, die nicht nur ein Pfiegekind nehmen, „das mir bleibt", sondern auch bewußt Durchgangskih-der, behinderte, ältere und erziehungsschwierige Kinder wie auch Geschwister nehmen. Die meisten von ihnen sind sogar bereit, mit den leiblichen Eltern zusammenzuarbeiten ohne Konkurrenzdenken und Eifersucht.

„Es wird immer davon abhängen, wie gut die Pflegefamilie darauf vorbereitet wird, sich in aller Freiheit zu entscheiden. Blinde Hilfsbereitschaft und Mitleid sind zuwenig", sagte Frau Lutter. Die „Initiative Pfiegemutter" bietet daher allen Eltern, die ein Kind aufnehmen, sei es ein gesundes oder behindertes, jede nur mögliche Hilfeleistungen an.

In regelmäßigen vierzehntägigen therapeutischen . Gesprächsgruppen unter der Leitung von Sozialpsychologinnen können sie über ihre Probleme reden und mit Fachleuten in Kontakt treten. Die Eltern können dort auch untereinander ihre Erfahrungen austauschen. Darüber hinaus gibt es seit Jänner dieses Jahres in Neuwald-cgg eine Pflegecltemakademie. in deren monatlichen Veranstaltungen Vorträge von Fachleuten und ab kommendem Jahr mehrtägige Seminare abgehalten werden.

Zu diesen Bildungsveranstaltungen kommen auch Pflegeeltern, die vom Magistrat vermittelt worden sind. „Das Jugendamt, das wohl auch für diese Betreuung zuständig wäre, konnte bis jetzt diesen Verpflichtungen nicht nachkommen", sagte Frau Lutter. „Dennoch wurde ein Ansuchen um Subventionen für unsere Bildungsarbeit von der Gemeinde Wien ohne Begründung abgelehnt."

Eine ihrer wichtigsten Aufgaben sieht die neue Arbeitsgemeinschaft in der Verbesserung der Kontakte zwischen den Pflegeeltern und dem Jugendamt. Sie will sich dafür einsetzen, daß kein Säugling und kein Kleinkind mehr in ein Heim gewiesen wird, solange qualifizierte Pfiegeeltern zur Verfügung stehen.

Auch das Image der Pflegeeltern soll in der Öffentlichkeit verbessert werden. In den letzten fünf Jahren hat sich ein ganz enormer Strukturwandel vollzogen. Es konnten besonders viele Elternpaare aus dem Mittelstand für die Aufnahme von Pfiegekindern gewonnen werden. „In allen Kreisen der Gesellschaft ist allmählich ein neues Verantwortungsbewußtsein für soziale Anliegen gewachsen", sagte Frau Lutter. „Daher kommt auch der große Zulauf zu unseren diversen Bildungsanboten. Eben durch diese Bildungsbereitschaft konnten viele Pflegeeltern dazu motiviert werden, Durchgangskinder und Behinderte aufzunehmen."

Obwohl der Verein „Initiative Pflegemutter" geeignete Fan»ilien für diese ärmsten Kinder zur Hand hat, und dies auch hinlänglich bekannt ist, versucht das Jugendamt immer noch, schwierige Fälle allein zu lösen, lieber Kinder in ein Heim einzuweisen, als sie einer Familie anzuvertrauen. „Initiative Pflegemutter" erhofft sich durch den kürzlich erfolgten Zusammenschluß mit den „Kinderfreunden" und dem Verein „Pflegefamilien" sowie aufgrund seines umfa.ssenden Bil-dungsprogramms für alle Pfiegeeltern, woher sie auch kommen mögen, nun doch einen Zugang zu den so dringend benötigten Subventionen vom Jugendamt zu erhalten.

Das neue Jugendwohlfahrtsgesetz, das noch vor Jahresende beschlossen werden |oll, wird eine neue Regelung zugunsten der Pflegeeltern bringen. Die „Initiative" tritt dafür ein, daß Pfiegemutter von Dauerfällen wie Adoptivmütter behandelt werden, so-daß sie einen vollen Sozialversicherungsschutz und Karenzgeld erhalten, wenn ein Säugling übernommen wird.

Frau Lutter sagt: „Das Jugendamt überläßt Kinder nur ungern alleinstehenden Frauen. Dabei haben wir mit ihnen die besten Erfahrungen gemacht. Eher geht man das Risiko ein, daß ein Kind zwischen leiblichen Ellern und Heim hin- und hergeschoben wird und dadurch schwerste Schäden erleidet."

Sie hofft nun, rechtzeitig den Gesetzestext zu erhalten, so daß tatsächlich eventuelle Verbesserungsvorschläge der Eltern berücksichtigt werden können.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung