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Pflegeplatz ist besser als Heim Schulung fur Ersatzeltern

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Mit Problemen von Pflegeeltern befaßten sich kürzlich Experten aus dem In- und Ausland im Wiener Rathaus, mit einem Thema, das immer dringlicher erscheint und langsam zu einem heißen Eisen zu werden droht: der Frage der Unterbringung und der Resozialisierung verwahrloster Kinder und Jugendlicher. Dabei stellte sich wieder einmal heraus, daß Österreichs Sozialleistungen, was finanzielle Unterstützungen betrifft, mit dem Ausland konkurrieren können; daß es jedoch - und das in einem erschreckenden Ausmaß - bei dieser Befürsor-gung bleibt, das heißt, daß viel zu wenig getan wird, um das eigentliche Übel bei der Wurzel zu fassen

Die Erkenntnis, daß mit den üblichen Auffangstationen gestörter und verwahrloster Kinder, mit Heimen und Anstalten, nicht nur nichts erreicht, sondern die Situation vielfach sogar verschlechtert wird, hat sich inzwischen durchgesetzt. Man versucht es jetzt zunehmend mit anderen Methoden, wie der Schaffung von Wohngemeinschaften, in die Kinder aus verwahrlostem Milieu unter der Betreuung von Erziehern und Sozialarbeitern zusammengefaßt werden, oder mit der Schaffung zusätzlicher Pflegestellen. Hierbei hat sich allerdings herausgestellt, daß Pflegeeltern häufig den Schwierigkeiten, die sich aus der Betreuung entwicklungs gestörter Kinder ergeben, nicht gewachsen sind. Deshalb scheint die sozialpädagogische Ausbildung der Pflegeeltern dringend notwendig.

Als Vorbild dazu dient ein holländisches Modell, über das der Psychiater und Neurologe M. J. Eijer berichtete. In den Niederlanden gibt es, vier Institute für therapeutische Familienpflege, die eng mit den Universitätskliniken für Kinderpsychiatrie zusammenarbeiten. Aufgabe und Ziel dieser Institute ist es, gestörte Kinder innerhalb eines Teams von ausgebildeten Sozialarbeitern, Psychologen, Therapeuten, Ärzten und Pädagogen so weit zu resozialisieren, daß sie ohne nennenswerte Schwierigkeiten ausgesuchten Pflegeeltern übergeben werden können. Eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Behandlungsteam, den Pflegeeltern, den leiblichen Eltern und den Kindern wird angestrebt, was von großem Vorteil ist, da es in der Praxis sehr häufig zu Reibereien und Eifersüchteleien zwischen Eltern und Pflegeeltern kommt. Das belastet wiederum die Beziehung der Pflegeeltern zum Kind. Außerdem ist es wichtig, daß die Annäherung des Kindes an die Pflegeeltern stufenweise erfolgt und beide Teile auf gegenseitige Belastbarkeit ausgesucht werden. Vor allem und in erster Linie wird eine kontinuierliche Behandlung durch dieselben Personen ermöglicht, was für die Ausbildung und den Aufbau tragfähiger Beziehungen notwendig ist in Heimen aber nicht gewährleistet werden kann.

Ein neues Projekt in Österreich soll vor allem der sozialpädagogischen Beratung der Pflegeeltern dienen, berichtete Ruth Naske, die Leiterin des Instituts für Erziehungshilfe in Wien. Es soll den Pflegeeltern helfen, mit auftretenden Schwierigkeiten besser fertig zu werden und zugleich ihre Zahl und Bereitschaft anzuheben (derzeit bemühen sich viel zu wenig Ehepaare um ein Pflegekind), um damit verwahrlosten Kindern mehr Möglichkeiten zu geben, in geordneten Familienverhältnissen aufzuwachsen. Hierbei muß genau untersucht werden, bei welchen Kindern die Chance besteht, ins eigene Elternhaus zurückzukehren, ob dies überhaupt günstig oder vertretbar wäre, und bei welchen Kindern Pflegeplätze vorzuziehen sind.

Den Ruf der Pflegeeltern ebenso wie den der Pflegekinder zu heben, betrachtet Prof. Gerhard Liebetrau von der Fachhochschule für Sozialpädagogik in Düsseldorf als einen ganz wichtigen Punkt. Pflegeeltern haben immer noch gegen Vorurteile in der Bevölkerimg zu kämpfen, ihr Beitrag zur Lösung sozialer Probleme wird zu wenig ernst genommen. Dazu gehört wohl auch eine Erhöhung der finanziellen Beihilfen (sie hegen gegenwärtig bei rund 3000 Schilling pro Kind).

Eine Befragung von Wiener Pflegeeltern vom Oktober 1977 ergab übrigens eindeutig, daß sich ein hoher Prozentsatz für eine bessere Information über Rechts- und Erziehungsfragen, für Möglichkeiten einer Weiterbildung und für bessere Kontakte zu den zuständigen Stellen ebenso wie zwischen den Pflegeeltern untereinander aussprach.

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