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Anna — ein Pflegekind

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Im August 1978 übernahm die Familie M. aus Kärnten ein 15 Monate altes Mädchen — Anna — aus einem Mütterheim in Villach. Anna war im Mai 1977 geboren und lebte mit ihrer Mutter bis zur Ubergabe an die Pflegefamilie in diesem Mutter-Kind-Heim.

Von der Betreuung im Heim wurde im ersten Lebensjahr des Kindes versucht, eine gute Mutter-Kind-Beziehung aufzubauen. Leider gelang weder das, noch war die Mutter imstande, selbst mit dem Kind zurecht zu kommen und ein eigenes Leben mit Wohnung, Haushalt, Berufstätigkeit und Eigenverantwortung zu beginnen. Sie ließ ihr Kind im Heim zurück und verschwand in Richtung Osten Österreichs.

Die Fürsorge übergab Familie M. das Kleinkind. Anna wuchs in eine Großfamilie hinein. Da die Pflegefamilie sieben Kinder hat, die damals schon teilweise verheiratet waren, waren Enkelkinder in Annas Alter in der Familie. Mit ihnen wuchs sie auf.

Anna war ein unkompliziertes, freundliches Kind, in ihrer geistigen und körperlichen Entwicklung ihrem Alter entsprechend, und machte ihren neuen Eltern viel Freude. Einmal im Jahr meldete sich die Kindesmutter und erkundigte sich nach dem Befinden ihres Kindes.

Ganz unerwartet traf die Pflegefamilie daher der Antrag der Mutter im Sommer 1981 — in dieser Zeit hatte sich die leibliche Mutter nur dreimal nach ihrem Kind erkun-

digt — sie wolle das Kind selbst haben. Sie lebte jetzt mit einem Lebensgefährten zusammen, hätte in Wien eine Wohnung und könne für das Kind sorgen.

Nach Uberprüfung der Angaben der Mutter durch die Fürsorge wurde Anna im Dezember 1981 — mit viereinhalb Jahren — ihrer bis dahin fast unbekannten Mutter übergeben. Die Pflegeeltern waren machtlos, das Kind wurde nicht gefragt.

Obwohl die Pflegeeltern hofften, daß Anna zumindest im Sommer zu ihnen kommen könnte, und dies auch immer wieder anboten, wurde ihnen dies verweigert. Bei Telefonanrufen wurden sie beschimpft, Briefe wurden nicht beantwortet.

Uber eine Bekannte der Kindesmutter erfährt nun die ehemalige Pflegefamilie von Zeit zu Zeit, wie es ihrer Anna geht. Die Kindesmutter wechselt laufend die Lebensgefährten und daher auch die Wohnung. Damit ist es Anna auch nicht gegönnt, an einer Schule — sie ist mittlerweile schulpflichtig — zu bleiben. Sie mußte des öfteren die Schule wechseln.

Dies bedeutet natürlich Verunsicherung und Leistungsrückschlag.

Warum konnte dieses Kind nicht in der Ruhe und Geborgenheit ihrer Familie aufwachsen?

Aus einer Aussendung des Bundesverbandes österreichischer Pflege- und Adoptivelternvereinigungen (Rodlergasse IS, 1190 Wien). Er ist eine überparteiliche und überkonfessionelle Selbsthilfeorganisation, die möglichst vielen Kindern Geborgenheit in Ersatzfamilien ermöglichen möchte und die die Anliegen von Pflege- und Adoptiveltern vertritt.

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