Zwischen Offenheit und Tabu

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91 Inlandsadoptionen wurden laut Jugendwohlfahrtsbericht im Vorjahr österreichweit vermittelt, davon allein 32 in Wien. "Etwa die Hälfte davon betrifft Kinder nach anonymer Geburt“, weiß die Leiterin des Referats für Adoptiv- und Pflegekinder des Wiener Jugendamts (MAG ELF), Martina Reichl-Rossbacher. Die Möglichkeit der totalen Anonymität der leiblichen Eltern gegenüber ihrem Kind hält sie "persönlich für schwierig“, zumal es in Österreich keine "Volladoption“ wie in Deutschland gebe (bei der die Kinder von ihren leiblichen Eltern auch nichts mehr erben), sondern nur eine "vertragliche Adoption“. Fallen die Adoptiveltern also aus, kommen womöglich wieder die leiblichen Eltern aufs Tapet.

Wird ein Kind anonym geboren, gibt es natürlich auch nur die Option der "anonymen“ Geburt: niemand weiß nichts. Ist zumindest die Mutter bekannt, gibt es bei Inlandsadoptionen drei Möglichkeiten:

• Inkognitoadoption: Hier erhalten die freigebenden Eltern Eckdaten über die Adoptiveltern (Alter, Beruf, Dauer der Ehe) und haben das Recht, bei der Auswahl mitzuentscheiden. Sie verzichten aber darauf, den Namen und die Wohnadresse des Kindes zu erfahren. Später können sie sich aber beim Jugendamt über das Wohlergehen ihres Kindes erkundigen. Diese Form macht zwei Drittel aller Inlandsadoptionen aus.

• Halboffene Adoption: Hier wissen die leiblichen Eltern nicht, wo genau sich ihr Kind befindet. Sie können aber über die Behörde Kontakt knüpfen und sich mit ihnen auf neutralem Boden treffen. Oft werden auch Briefe und Fotos ausgetauscht.

• Offene Adoption: Bei dieser (von Fachleuten favorisierten) Form lernen sich freigebende und annehmende Eltern kennen.

Um die existenzielle Frage nach der Herkunft geht es freilich nicht nur bei Adoptionen, sondern auch in der Reproduktionsmedizin. Während Adoptivwerber längst intensiv geschult werden, müssen Frauen und Männer vor Eizell- oder Samenspende keine Vorbereitungen durchlaufen, beklagt die Psychotherapeutin Irmela Wiemann. Anders als in den USA werde diese "andere“ Entstehungsgeschichte in Europa noch häufig verschwiegen und tabuisiert - wie früher Adoptionen: "Viele haben Angst, dass das Kind dann etwa den Vati nicht mehr so lieb hat“, sagt Wiemann. "Sie begreifen nicht, dass es die Beziehung festigt, die Wahrheit zu sagen.“ (dh)

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