WUNSCHKIND ohne Menschenrecht?

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Das Wohl des Kindes ist in aller Munde. Wird es im neuen Fortpflanzungsmedizingesetz tatsächlich geschützt? Und was ist mit den Eizellspenderinnen? Eine Debatte.

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Das Wohl des Kindes ist in aller Munde. Wird es im neuen Fortpflanzungsmedizingesetz tatsächlich geschützt? Und was ist mit den Eizellspenderinnen? Eine Debatte.

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In ihrem Buch "Kind auf Bestellung" plädiert die Journalistin Eva Maria Bachinger für klare Grenzen in der modernen Reproduktionsmedizin. Werden sie im neuen Fortpflanzungsmedizingesetz richtig gesetzt? Auf Einladung der FURCHE hat Bachinger mit Andreas Obruca, Leiter

des Kinderwunschzentrums in der Wiener Privatklinik Goldenes Kreuz, diskutiert.

DIE FURCHE: Herr Professor Obruca, wie lautet Ihre Bilanz nach einem Jahr Fortpflanzungsmedizingesetz neu?

Andreas Obruca: Einiges hat sich wesentlich verändert. Die Behandlung von lesbischen Paaren ist etwa Routine geworden, wobei es natürlich anfangs einen erhöhten Andrang gab. Auch die Samenspende bei Invitro-Fertilisation, die durch das neue Gesetz erlaubt wurde, gehört mittlerweile zum normalen Behandlungsrepertoire. Anders sieht es bei der Eizellspende aus: Nachdem hier ein sehr restriktives Vermittlungs-und Kommerzialisierungsverbot definiert wurde, ist das quasi totes Recht. Patientinnen, die Bedarf an einer Eizellspende haben - und den gibt es natürlich -, werden deshalb in unseren Partnerinstituten betreut, vor allem in Bratislava und Łódz´.

Eva Maria Bachinger: Das ist insofern interessant, als in der kurzen, medialen Debatte vor der Gesetzeswerdung immer argumentiert wurde, dass es so viele altruistische Eizellspenderinnen gäbe, die das gerne tun würden. Jetzt aber ist ganz klar, dass dem nicht so ist - und deshalb erfolgt nun der Ruf nach finanzieller Abgeltung.

Obruca: Jene, die sich auskennen, haben von Anfang an gesagt, dass eine altruistische Spende nicht als umfassendes Konzept funktioniert. Wobei im Entwurf wenigstens noch eine Aufwandsentschädigung möglich war, wie sie bei jeder Plasmaspende gängig ist. Dass nun nur noch belegbare Barauslagen wie Fahrkarten oder Hotelrechnungen ersetzt werden können, ist skurril.

DIE FURCHE: Wieviel Geld erhalten die Spenderinnen in Lódz oder Bratislava?

Obruca: Der Bereich der Entschädigung liegt in der Slowakei zwischen 500 und 1000 Euro. In Polen ist es etwas anders. Hier ist auch die Embryonenspende möglich: Frauen, die durch eine IVF-Behandlung schwanger geworden sind, stellen hier überzählige Embryonen zur Verfügung. Das ist auch altruistisch möglich.

Bachinger: Nachdem Sie bei IVF-Patientinnen immer die "besten Embryonen" verwenden, wie es so schön heißt, werden hier wohl jene gespendet werden, die sich nicht so gut entwickeln. Aber ich habe noch eine grundsätzliche Kritik an der Eizellspende: Es gibt nämlich keine Langzeitstudien über die Folgen der Stimulierung für die Spenderin. Manches deutet auf ein erhöhtes Risiko für Eierstock-oder Brustkrebs hin, man weiß auch nicht, welche Auswirkungen das auf die eigene Fruchtbarkeit hat. Das hat auch das Büro für Technikfolgenabschätzung in einem Bericht an den Deutschen Bundestag kritisiert.

Obruca: IVF-Behandlungen gibt es schon seit 1978, und seither wurden weltweit Millionen Frauen stimuliert. Wenn ich postuliere, dass eine Spenderin durch die Stimulation Langzeitschäden hätte, dann muss ich auch postulieren, dass jede der mittlerweile Millionen IVF-Patientinnen weltweit Schädigungen hat.

Bachinger: Aber es ist ein Unterschied, ob ich eine junge, 25-jährige, gesunde Frau für jemand anderen stimuliere - oder eine 39-jährige, unfruchtbare, die selbst ein Kind bekommen will.

Obruca: Ich garantiere Ihnen: Wenn es valide Daten gäbe oder in Amerika eine einzige Patientin nach einer Eizellspende ein Problem bekommen würde, dann würde mit Sicherheit geklagt.

DIE FURCHE: Kommen wir zu einem anderen, wesentlichen Punkt bei Samen- und Eizellspenden, nämlich der Anonymität. In der Slowakei und Tschechien ist sie möglich. Hätten Sie sich eine solche Lösung auch für Österreich gewünscht?

Obruca: Die fehlende Anonymität ist sicher eine Erschwernis, aber nicht der eigentliche Knackpunkt. 1992, als das erste Fortpflanzungsmedizingesetz in Kraft getreten ist (und anonyme Samenspende verboten wurden; Anm.), haben wir auch gedacht: Um Gottes willen, jetzt werden keine Männer mehr spenden. Aber trotzdem bekommen wir noch immer eine entsprechende Anzahl an Samenspendern. Man kann auch argumentieren, dass es im Sinne des Kindeswohls wichtig ist, die eigene genetische Herkunft festzustellen.

Bachinger: Dass in vielen Ländern wie auch im Internet anonyme Spenden möglich sind, ist eindeutig kinderrechtswidrig - ebenso wie die Tatsache, dass man laut Gesetz erst ab 14 Jahren Einsicht in die Dokumente nehmen kann. Dazu kommt, dass viele über die Art ihrer Entstehung gar nicht aufgeklärt werden. In Deutschland schätzt man, dass nur zehn Prozent der betroffenen Kinder wissen, dass sie aus einer Fremdsamenspende stammen. Die Jugendlichen sind außerdem angewiesen auf die Kooperation mit den Kliniken. Mir hat eine Jugendliche erzählt, dass sie sich an eine österreichische Klinik gewendet und keinen Einblick in die Akten bekommen hat. Umso mehr kritisieren wir, dass im Gesetz kein zentrales Spenderregister eingerichtet wurde.

Obruca: Die Kollegen dieser Klinik handeln offenbar rechtswidrig. Sie sind verpflichtet, die Daten dem Kind zu geben. Aber jeder kann auch zur Notariatskammer gehen und fragen, ob und wo der Notariatsakt angelegt worden ist, den Paare laut Gesetz vor einer künstlichen Befruchtung unterzeichnen müssen. Das kann man zentral erfragen. (Die Notariatskammer bestreitet das. Auch sei im Notariatsakt der Name der Spenderin oder des Spenders nicht verzeichnet, Anm. d. Red.) DIE FURCHE: Aber was spricht hier gegen mehr Transparenz? Bzw. inwiefern raten Sie selbst den Eltern zur Offenheit?

Obruca: Alle Paare, die bei uns die so genannte "Donor-Behandlung" mit fremden Keimzellen durchlaufen, müssen eine psychologische Beratung bekommen. Wir arbeiten hier mit einer Psychotherapeutin zusammen, die sich auch wissenschaftlich intensiv mit diesem Thema beschäftigt - und die den Paaren sehrwohl zu Offenheit dem Kind gegenüber rät. Die schlussendliche Entscheidung obliegt aber dem Paar. Einen Zwang, das Kind aufzuklären, lehne ich ab -wie ich jede Art von Zwang ablehne. Bachinger: Aber man könnte die Eltern darauf hinweisen, dass sie im Fall des Verschweigens gegen die Kinderrechtskonvention verstoßen. Wenn es um Erwachsene geht, reden wir viel über Menschenrechte - und bei den Schwächsten, den Kindern, nicht? Ich finde, es sollte eine verpflichtende Beratung geben, wie bei den Adoptionskursen, die vom Jugendamt vorgeschrieben sind. Da wird den künftigen Adoptiveltern regelrecht eingebläut, Biografiearbeit zu machen und nichts zu verheimlichen.

Obruca: Aber man kann Adoption doch nicht mit künstlicher Befruchtung vergleichen! In dem einen Fall gibt es eine klare Verantwortlichkeit des Staates, der ein Kind einem anderen Paar zur Verfügung stellt. Wenn ein Paar hingegen entschließt, schwanger zu werden, ist das völlig anders.

Bachinger: Aber wenn der Staat für solche Behandlungen Geld ausgibt, sollte er auch für bestmögliche Rahmenbedingungen sorgen. Ich bin ja nicht grundsätzlich gegen künstliche Befruchtung, aber es gibt eben nicht nur die Perspektive der Reproduktionsmediziner. Es gibt auch die Sicht von Kinderärzten, Psychologen oder Hebammen, die nicht so positiv ist.

Obruca: Sie sprechen viele Dinge an, aber was immer vergessen wird, ist die Situation des Paares. Das hat keine Lobby ...

Bachinger (lacht): Aber das stimmt doch nicht! Ich kann Ihnen alle Zeitungsartikel der letzten zwei Jahre zu diesem Thema zeigen. Fast immer werden ein Reproduktionsmediziner und ein Paar interviewt, ganz selten sind es Jugendliche, die davon betroffen sind, und schon gar nicht kommen die Spenderinnen und die Leihmütter vor. Die Reproduktionsmediziner tun auch immer so, als ob man einen Kinderwunsch nur durch künstliche Befruchtung umsetzen könnte. Es gibt aber auch noch die Adoption, und ich finde es schade, dass dieser Weg nicht mehr forciert und finanziell unterstützt wird.

Obruca: Sie lachen, aber kennen Sie die Adoptionszahlen in Österreich? Wenn Sie sich im Bezirk Mistelbach für eine Adoption anmelden, warten Sie die nächsten 30 Jahre! Bachinger: Es gibt aber auch noch die Möglichkeit einer Auslandsadoption.

Obruca: Aber da ist auch viel Geschäftemacherei dahinter.

Bachinger: Deshalb gibt es auch das Haager Übereinkommen, weshalb Österreich derzeit nur mit Südafrika kooperiert. Dass nicht mehr Länder in Frage kommen, liegt an den mangelnden Ressourcen, um Kontakte aufzubauen. Ich finde es jedenfalls wichtig, gegenüber Paaren von Anfang an zu betonen, dass es auch Alternativen gibt, bis hin zu einem Leben ohne Kinder. Schließlich beträgt die Baby-Take-HomeRate bei künstlicher Befruchtung derzeit nur 28,8 Prozent.

Obruca: Wir versuchen den Paaren schon früh zu vermitteln, dass es auch sein kann, dass die Behandlung nicht klappt - und dass sie sich mit Alternativen auseinandersetzen sollen. Das Problem ist aber, dass sich Paare nicht einmal offiziell zu einer Adoption anmelden dürfen, solange sie noch bei uns in Behandlung sind - denn ihr Kinderwunsch muss "abgeschlossen" sein.

DIE FURCHE: Dieses Abschließen fällt angesichts immer neuer Optionen schwer. Leihmutterschaft ist etwa in Österreich verboten, wird aber im Ausland angeboten (s. rechts).

Obruca: Ich lehne Leihmutterschaft ab, weil es hier zu ganz neuen Fragestellungen kommt: Was ist im Fall einer Behinderung des Kindes? Was ist im Fall von Mehrlingen? Was ist, wenn die Leihmutter das Kind nicht hergeben will? Hier stellen sich viele, neue Probleme. Wir hatten aber einmal eine junge Patientin, die in der 34. Schwangerschaftswoche nicht nur ihr Kind, sondern durch eine massive Blutung auch ihre Gebärmutter verloren hat. Ein halbes Jahr später ist sie bei mir gesessen. Das sind Schicksale! Die junge Frau ist dann in die USA gegangen und hat eine Leihmutterschaft machen lassen. Ich hätte eine solche Behandlung für mich nicht verantworten können, aber ich kann diese Patienten verstehen.

Bachinger: Natürlich kann man eine solche Situation verstehen, diese Frau hätte sicher psychologische Hilfe gebraucht. Aber man hätte sie auch darüber aufklären müssen, was sie hier gegenüber dem Kind und auch der Leihmutter tut. Für mich ist Leihmutterschaft nicht nur kinderrechtswidrig, sie bedeutet auch eine Ausbeutung der Frauen, wobei dieser Trend schon mit der Eizellspende beginnt. Man bedient sich bei anderen, um den eigenen Kinderwunsch umzusetzen - und die neue Wunschmedizin kommt diesem Konsumdenken entgegen. Umso mehr brauchen wir Grenzen.

Obruca: Aber es ist doch nicht so, dass alles, was machbar ist, gemacht wird! Kein Bereich der Medizin ist so gut kontrolliert und reglementiert wie die Reproduktionsmedizin.

Bachinger: Aber international gibt es kaum Kontrolle und Dokumentation. Ich habe wirklich viel gesucht - und wenig gefunden.

DIE DISKUTANTEN

Eva Maria Bachinger

Die 1973 in Linz geborene Journalistin war jahrelang im Anti-Rassismus-und Flüchtlingsbereich tätig. 2012 hat sie mit Martin Schenk das Buch "Die Integrationslüge" publiziert. Im Vorjahr erschien "Kind auf Bestellung" (vgl. FURCHE Nr. 31/2015).

Andreas Obruca

Der 1967 in Wien geborene Gynäkologe hat im Jahr 2000 gemeinsam mit Heinz Strohmer das Kinderwunschzentrum in der Wiener Privatklinik Goldenes Kreuz gegründet -nach eigenen Angaben das größte IVF-Zentrum Österreichs.

Kind auf Bestellung

Ein Plädoyer für klare Grenzen. Von Eva Maria Bachinger. Deuticke 2015. 254 Seiten, kartoniert, € 20,50

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