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Ein Eiertanz rund um die Retorte

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Ein ÖVP-Antrag liegt im Parlament, der Leihmütter und Embryomanipulation verbieten will. Warum können die Regierungsparteien nicht über ihren Schatten springen?

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Ein ÖVP-Antrag liegt im Parlament, der Leihmütter und Embryomanipulation verbieten will. Warum können die Regierungsparteien nicht über ihren Schatten springen?

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Eine Frau sieht Mutterfreuden entgegen. Und das, obwohl sie wegen eines Defekts ihrer Eierstöcke eigentlich unfruchtbar ist. Des Rätsels Lösung: die Frau trägt das mit dem Samen ihres Mannes befruchtete Ei einer anderen Frau aus.

Das Kind, das - wenn die Schwangerschaft weiterhin ohne

Komplikationen verläuft - in knapp drei Monaten das Licht der Welt erblickt, hat dann zwei Mütter, eine biologische, also jene, von der die Eizelle stammt, und eine rechtliche, also jene, die das Kind austragen und schließlich gebären wird.

Das Kind wird nicht in einem fernen Land auf die Welt kommen, sondern in Österreich. Die beiden Wiener Gynäkologen und „Retortenzeugüngsspezialisten“ Wilfried Feichtinger und Peter Kemeter haben das Unmögliche möglich gemacht. Und sie operierten dabei — wie sie auch selbst eingestehen — weitgehend in einem rechtsfreien Raum.

Dabei fehlt es nicht an Kommissionen und Enqueten, die sich mit den ethischen und rechtlichen Konsequenzen und Problemen rund um die künstliche Befruchtung beschäftigen.

Aber noch im April erklärte Justizminister Harald Ofner in einem FURCHE-Gespräch (Nr. 14/ 1985): „Wir brauchen keine vorauseilende Justizpolitik ... was die medizinisch-technische Entwicklung der künstlichen Befruchtung anlangt, so steht Österreich — zum Glück — nicht an der Spitze.“ Deshalb, so Ofner damals weiter, „wäre es für uns völlig unangebracht, wenn wir bei den gesetzlichen Konsequenzen plötzlich die Spitzenposition übernehmen.“

Treu diesem seinem Grundsatz läßt daher der freiheitliche Justizminister nach Auskunft einer damit befaßten Ministerialrätin in der Zivilrechtssektion des Ministeriums, Ingrid Djalinous, nach wie vor „Material sichten“ (Und „die internationale Rechts-entwicklung beobachten“.

Nachdenken läßt auch Wissenschaftsminister • Heinz Fischer. Eine beim Ministerium eingerichtete Ethikkommission unter dem Vorsitz des Biochemikers und ehemaligen Rektors der Universität Wien Hans Tuppy behandelt Fragen der Gentechnik und Genmanipulation. Noch im Herbst wird der Wissenschaftsminister die ersten Beratungsergebnisse im Parlament präsentieren.

Schließlich und endlich will auch die Ministerin für Familie, Jugend und Konsumentenschutz, Gertrude Fröhlich-Sandner, nicht abseits stehen. Am 24. Juli sprach sich Fröhlich-Sandner für ein rasches Verbot der Leihmütter aus und wollte umgehend mit den Kollegen anderer betroffenen Ressorts Kontakt aufnehmen.

Immerhin: die Familienministerin kooperiert eng mit dem Arbeitskreis für Familienrecht der österreichischen Rechtsanwaltskammer, der seit November 1984 unter dem Vorsitz des Ehrenprä- . sidenten der Kärntner Rechtsanwälte, Armin Dietrich, die Probleme der künstlichen Fortpflanzung diskutiert und unlängst eine erste Entschließung vorgelegt hat (siehe Kasten „Aufgabe des Gesetzgebers“).

Familienministerium und Rechtsanwaltskammer wollen am 4. und 5. Dezember im Rahmen einer Enquete in Wien weiterreden.

Nicht nur reden, sondern endlich auch einmal handeln wollten indes die ÖVP-Nationalratsabge-ordneten Maria Hosp, Günter Stummvoll und Heinrich Neisser. Ende September legten sie einen Initiativantrag für ein Gesetz vor, das die Leihmutterschaft und Manipulationen am lebenden Embryo verbietet (siehe Kasten „Initiative Embryo-Schutz“), Forderungen, die bereits von allen drei Parlamentsparteien zu hören waren.

Trotzdem hat der VP-Antrag wenig Chancen, tatsächlich auch Gesetz zu werden. Vor allem die sozialistische Mehrheitsfraktion glaubt, daß die Volkspartei mit ihrem Alleingang nun auch diese Frage in den Parteienstreit ziehen wolle. Dabei — so der Justizexperte der SP-Fraktion, Sepp Rieder -habe man ein gemeinsames Vorgehen aller drei Parteien vereinbart gehabt.

Tatsächlich hat ein einschlägiges Gesetz nur dann eine Chance auf rasche Verwirklichung, wenn im Parlament breiter Konsens über die Wichtigkeit der Materie herrscht. Nicht zuletzt aus formalen Gründen: der Justizausschuß ist bis zum Ende der laufenden Legislaturperiode „ausgebucht“. Man müßte im Einvernehmen aller Parteien die Gesetzesmaterie dem Familien- oder Gesundheitsausschuß zuweisen, wo es noch freie Kapazitäten gibt.

Wahrscheinlicher ist aber, daß der Eiertanz rund um die gesetzliche Regelung der künstlichen Befruchtung nicht so schnell ein Ende findet. Es sei denn, die österreichischen Parlamentarier nehmen sich an ihren Kollegen in Schweden ein gutes Beispiel: dort wurde im Dezember 1981 eine staatliche Enquetekommission eingesetzt, die im September 1983 einen konkreten Vorschlag vorlegte, der nach einjähriger öffentlicher Diskussion im Dezember 1984 schon Gesetz geworden und seit 1. März 1985 in Kraft ist (siehe Kasten „Schweden für das Recht des Kindes“).

Und in Schweden ist — soweit bekannt — noch keine Eispendung gelungen...

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