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Überdruck in der Retorte

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Die Familienministerin will so schnell wie möglich den Problemkreis ,,künstliche Befruchtung“ gesetzlich regeln. Eine Enquete im Dezember soll den Konsens herbeiführen.

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Die Familienministerin will so schnell wie möglich den Problemkreis ,,künstliche Befruchtung“ gesetzlich regeln. Eine Enquete im Dezember soll den Konsens herbeiführen.

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Zu „Vorsicht und Zurückhaltung“ mahnt Familienministerin Gertrude Fröhlich-Sandner bei der Anwendung von künstlichen Techniken der menschlichen Fortpflanzung. Auch wenn ihr das mitunter den Vorwurf einträgt, „altmodisch“ zu sein.

Bei allem Verständnis und Respekt für den Wunsch von ungewollt kinderlosen Paaren nach Nachkommenschaft gehe es nicht an, so die Familienministerin, daß als Ergebnis dann am Ende unglückliche Kinder in die Welt gesetzt werden.

In einem Gespräch mit der FURCHE drängt daher Fröhlich-Sandner auf eine möglichst rasche gesetzliche Regelung. Wobei sie nicht verhehlt, daß die europaweit erstmals in Wien gelungene und soeben bekanntgewordene Schwangerschaft einer Frau ohne Eierstöcke, der die befruchtete Eizelle einer anderen Frau eingepflanzt wurde (FURCHE 42a/ 1985), zeige, „daß wir jetzt schnell tätig sein müssen.“

Auch jene, die dies bis dahin noch nicht zur Kenntnis genommen hatten, wären heute — so Fröhlich-Sandner — ihrer Meinung, „daß wir uns in manchen Bereichen dieser Techniken in einem gesetzlosen Zustand befinden.“

Die koordinierende Rolle bei einer gesetzlichen Regelung reklamiert die Familienministerin allerdings für ihr Ressort. Tatsächlich steht aber auch der Bericht von Wissenschaftsminister Heinz Fischer zum Problemkreis „Künstliche Fortpflanzung“ kurz vor der Schlußredaktion und wird innerhalb der nächsten vier Wochen dem Plenum des Nationalrates vorgelegt. Tenor: soviel Freiheit wie möglich für die Medizinwissenschaft, aber Schranken dort einziehen, wo mit menschlichem Erbgut manipuliert wird, ausgenommen jene Fälle, in denen es um Genmanipulation zur Verhinderung von Erbkrankheiten geht.

Große Erwartungen setzt indes Familienministerin Fröhlich-Sandner in die von ihr initiierte Enquete am 4. und 5. Dezember. Dabei sollen die Ergebnisse aller Vorarbeiten in diversen Gremien, Arbeitsgemeinschaften, Kommissionen und Ministerien zusammen präsentiert werden. Danach stehe einer abgestimmten

Vorgangsweise und der raschen Beschlußfassung eines umfassenden Gesetzes zum Problemkreis „Künstliche Befruchtung“ nichts mehr im Wege.

Wenig angetan zeigt sich Fröhlich-Sandner denn auch von der Initiative der oppositionellen Volkspartei, die Ende September einen Gesetzesantrag im Parlament eingebracht hat, der auf ein Verbot der sogenannten Leihmutterschaft hinausläuft. Und das, obwohl sich die Familienministerin ebenfalls wiederholt für ein gesetzliches Verbot der Leihmütter ausgesprochen hat. Denn „die Leihmutter ist ja in Wirklichkeit nur ein kleiner Bruchteil des gesamten Problems, bei dessen Regelung wir nicht an der Spitze des Eisbergs beginnen wollen“ (Fröhlich-Sandner).

Die ÖVP, unterstellt die Familienministerin, sei mit ihrer Initiative vorgeprescht, um womöglich sogar noch politisches Kapital aus dieser schwierigen Sachfrage zu ziehen: „Ob wir ein Gesetz jetzt zwei Wochen früher oder später beschließen, ist nicht so wichtig. Wichtiger ist schon, daß wir die Materie umfassend regeln, im Interesse der Schwächsten in der Kette der Betroffenen, nämlich der Kinder“ (Fröhlich-Sandner).

Eines der Hauptkriterien der künftigen Regelung müsse daher das Recht des Kindes sein, zu erfahren, wer seine leiblichen Eltern sind: „Ähnlich wie in Schweden werden wir dieses Recht den Kindern auch bei uns nicht vorenthalten dürfen“ (Fröhlich-Sandner). Noch im Frühjahr 1986 soll nach dem Willen der Ministerin ein entsprechendes Gesetz beschlossen werden, „weil ja doch vieles auf dem Spiel steht“.

Um dieses Ziel auch zu erreichen, wird Fröhlich-Sandner noch einmal mit der großen Oppositionspartei reden. Denn gerade in der zu regelnden Materie dürfe es keine Vaterschaftsklagen über die tatsächliche Urheberschaft eines Gesetzes geben.

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