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Dem Storch Flügel leihen

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Im Zeitalter künstlicher Befruchtungsmethoden ist der Wunsch nach Kindern leichter denn je zu erfüllen, aber Ethik und Recht hinken dabei nach (siehe auch Seite 3).

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Im Zeitalter künstlicher Befruchtungsmethoden ist der Wunsch nach Kindern leichter denn je zu erfüllen, aber Ethik und Recht hinken dabei nach (siehe auch Seite 3).

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„Als wir heirateten, waren wir uns einig, daß wir zuerst eine Existenz aufbauen wollten. Wir wollten unsere Freiheit und das Leben genießen. Als wir dann an die 28 Jahre alt waren, im Beruf etwas erreicht und eine schöne Wohnung hatten, wünschten wir uns ein Kind — aber es klappte einfach nicht. Der Weg, der nun folgte, war lang, oft unangenehm und für uns beide belastend.“

Die Ehefrau weiter: „Als mein Chef vom Kinderwunsch hörte, war ich im Beruf ,out'. Da mein

Problem ja keine Krankheit im eigentlichen Sinn war, ergab jede notwendige Untersuchung, von denen ich in der Folge eine Menge auf mich nehmen mußte, ein großes Problem. Krankenstandanspruch hatte ich dadurch keinen. Nicht nur, daß ich ein Kind wollte —ich war in der folgenden Zeit auf ein .Goodwiir meines Chefs und meiner Kollegen angewiesen. Auch die finanzielle Belastung war enorm, da die meisten Behandlungen nicht von der Krankenkasse bezahlt wurden.“

Der Weg dieses Ehepaares bis zum sehnlichst gewünschten Kind ist sicher kein Einzelfall. Zunehmende Sensibilisierung und intensivere Aufklärung über Ursachen und Möglichkeiten der Sterilität haben heute dazu geführt, daß sich kinderlose Paare nicht ihrem Schicksal fügen müssen. Am deutlichsten zeigt dies das Ansteigen der Kinder-wunschpatienten an den Spezialabteilungen der Universitätsfrauenkliniken (rund 15 bis 20 Prozent Zuwachs pro Jahr). Die Hoffnung dieser Paare gründet sich auf die modernen, stets verbesserten Untersuchungs- und Behandlungsmöglichkeiten.

Sie müssen sich jedoch im klaren darüber sein, daß sie aufwendige, zeitintensive, oft unangenehme Untersuchungen auf sich nehmen müssen. Diese können sich oft über einen längeren Zeitraum erstrecken, manchmal sogar über Jahre. Für viele ist es ein Weg zwischen Hoffnung, Enttäuschung, Verzweiflung und Resignation. Für viele lohnen sich diese Mühen, und sie werden dank der Medizin überglückliche Eltern.

Die häufigsten Gründe der Kinderlosigkeit: Die natürliche Schwangerschaftsrate bei gesunden, jungen Ehepaaren beträgt gesamt gesehen nur etwa 30 Prozent pro Zyklus. Etwa 15 Prozent der Ehepaare bleiben ungewollt kinderlos. Ein geringer Prozentsatz von diesen Frauen wird trotz intensiver Bemühungen nie schwanger. Die Ursachen liegen aber nicht allein bei der Frau, sondern in etwa 30 bis 40 Prozent der Fälle beim Mann.

Da die Empfängnis vom komplizierten Zusammenspiel mehrerer Faktoren abhängig ist, können die Ursachen der Unfruchtbarkeit sehr vielfältig sein. Die häufigsten Gründe bei der Frau liegen im hormonellen Bereich. Ein Zuviel beziehungsweise Zuwenig an Hormonen verhindert einen Eisprung und damit die Empfängnisbereitschaft.

Nicht so selten kommt es vor, daß der Weg für die Eizelle in die Gebärmutter blockiert ist. Diese mechanische Ursache tritt dann auf, wenn die Eileiter (einer oder auch beide) durch Entzündungen verklebt oder verwachsen sind, oder sogar durch eine operative

Entfernung nach vorangegangener Eileiterschwangerschaft fehlen.

Ein weiterer Grund kann im Bereich der Gebärmutter selbst liegen. Die Eizelle wird zwar befruchtet, eine Einnistung aber ist nicht möglich. Eine nicht voll ausgebildete Gebärmutter oder Entwicklungsanomalien können eine Schwangerschaft erschweren oder unmöglich machen. Störungen der Gebärmutterschleimhaut, die wiederum vielerlei Ursachen haben können, ergeben ein weiteres Befruchtungshindernis.

Die Fertilität (Fruchtbarkeit) des Mannes kann durch zu geringe Samenanzahl oder durch eingeschränkte Beweglichkeit der Samen in Frage gestellt sein. Auch eine erhöhte Mißbildungsrate der Samenzellen (wenn sie einen bestimmten Prozentanteil übersteigt) ist unter Umständen eine Ursache des vergeblichen Kinderwunsches. Je älter die Partner sind, je länger ein Kinderwunsch hinausgezögert wurde und je länger eine Sterilität besteht, desto geringer werden die Chancen auf ein Kind.

Es kommt immer wieder vor, daß auch ein organisch gesundes Paar kinderlos bleibt. Der psychische Bereich ist als Ursache, aber auch für die Therapie ein nicht zu unterschätzender Faktor, wissen die Fachärzte: Der zunehmende Streß und die Mehrfachbelastung der Frau spielen eine große Rolle und lassen manchmal gar keine Zeit fürs Kinderkriegen. Durch gleiche Ausbildungschancen möchte und muß sich die Frau erst einmal im Beruf etablieren, der Kinderwunsch wird eher aufgeschoben.

Bis etwa Mitte 30 sollte man sich jedoch entschieden haben. Die

Empfängnisbereitschaft nimmt danach stetig ab, das Risiko für genetische Mißbildungen (mon-golides Kind) wächst.

Am besten sucht ein Ehepaar mit vergeblichem Kinderwunsch gemeinsam einen Arzt oder eine Klinik auf. Zuerst wird sich der Arzt in einem eingehenden Gespräch über eventuelle Krankheiten und bereits erfolgte Behandlungen bezüglich des Kinderwunsches informieren. In einer eingehenden Untersuchung verschafft sich der Arzt einen Uberblick über die anatomischen Gegebenheiten der Frau und die hormonelle Situation. Gleichzeitig wird meist ein Spermiogramm des Partners erstellt. Je nach den verschiedenen Ursachen kann man heute folgendermaßen helfen:

Bei fehlendem Eisprung gibt es verschiedene Hormontherapien,

die individuell abgestimmt werden. Diese erfolgen in den meisten Fällen mittels Tabletten oder Injektionen — sogenannte Hormonkuren.

Liegt die Ursache an einer Blok-kierung der Eileiter, so können diese operativ, mikrochirurgisch geöffnet werden. Vielfach verwendet man heute die Lasertechnik und erzielt damit, weil fast blutungsfrei, sehr gute Erfolge. Ist der operative Weg nicht erfolgversprechend, so wendet man die sogenannte „In-Vitro-Fertili-sation“ (Retortenbaby) an. Sie ist nicht nur sehr aufwendig, sondern auch teuer.

Bei dieser Methode werden außerhalb des Körpers die reifen Eizellen mit den Samenzellen des Ehemannes unter ganz bestimmten Bedingungen zusammengebracht. Man wartet die Befruchtung und Zellteilung ab. Danach wird die nunmehr befruchtete und geteilte Eizelle wieder in die Gebärmutter eingesetzt. In den meisten Fällen muß dieser komplizierte Vorgang mehrere Male wiederholt werden, bevor es zu einer Schwangerschaft kommt. Die Chance auf Erfolg liegt bei nur 15 bis 20 Prozent pro Versuch. Der Grund liegt in der äußerst schwierigen Zeitplanung.

Schwieriger wird es, wenn das Problem der Unfruchtbarkeit mehr beim Mann liegt. Moderne Aufbereitungsmethoden (Waschen und Konzentrieren des Samens) wurden entwickelt, um diesen dann in konzentrierter

Form zum günstigsten Zeitpunkt in die Gebärmutter der Frau einzubringen, mittels spezieller Inse-minationstechnik.

Sehr schwer ist es auch heute noch, den psychischen Bereich zu behandeln. Nicht nur, daß diese Paare durch den vergeblichen Kinderwunsch sehr belastet sind, kommen unter Umständen auch noch im Zuge der Therapie weitere Probleme hinzu.

Ein nach Zeitplan verordneter Geschlechtsverkehr kann für den Mann Schwierigkeiten ergeben, die sich wiederum auf die Partnerin übertragen; dies ist ein Kreislauf, der nur schwer zu durchbrechen ist. Dazu kommt die Erwartungshaltung: Die Periode bleibt einige Tage aus — man hofft und freut sich — dann setzt sie doch wieder ein - der große Tief schlag, soviel Aufwand, und wieder nichts geworden. In so einer psychischen Verfassung ist es oft heilsam, alle Zwänge und auch die Therapie abzubrechen.

Gerade im Urlaub, losgelöst von den Alltagszwängen und Sorgen, können sich viele Paare entspannen und die Liebe wieder genießen. Nicht selten kehrt die Frau schwanger nach Hause zurück. Frauen, die nur so aufwendig schwanger werden, werden zumindest die ersten drei Monate gewissermaßen als Risikoschwangerschaften betrachtet, ist doch das Abortusrisiko in dieser Zeit am größten. *

Da die Rechtslage für Samenspender auch in Österreich noch ungeklärt ist, werden an den Universitätskliniken nur Samen der Ehepartner verwendet. Durch die Verpflichtung, an Krankenhäusern namentliche Aufzeichnungen zu führen, ist die Anonymität der Samenspender nicht gegeben, dieser könnte somit bei eventuellen gerichtlichen Alimentations-verfahren zu Zahlungen verpflichtet werden. Einige Privatärzte jedoch wenden diese Methode der Fremdinsemination an.

Durch den Fortschritt der Wissenschaft und die ungeheuren Leistungen der heutigen Medizin ist vieles auch auf diesem Gebiet möglich geworden - so auch die Leihmutterschaft.

Diese Versuche sind medizinisch-wissenschaftlich sicher faszinierend. Man sollte jedoch dabei die ethisch-moralischen Komponenten sowie das juridische Umfeld und die menschliche Seite der Betroffenen nicht außer acht lassen.

Ein Kind ist noch immer ein Wunder - es sollte nicht um jeden Preis als einziger Sinn für Leben und Partnerschaft betrachtet werden.

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