"Ein riesiges Geschäft“

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Barbara Maier, Salzburger Gynäkologin und seit 2001 Mitglied der Bioethikkommission, über die mangelnde Transparenz in der Reproduktionsmedizin und die Zukunft der Fortpflanzung. Das Gespräch führte Doris Helmberger

Eine Arbeitsgruppe im Obersten Sanitätsrat hat ein Positionspapier zur Novellierung des Fortpflanzungsmedizingesetzes erarbeitet. Barbara Maier, Oberärztin an der Universitätsfrauenklinik Salzburg und Vorsitzende dieser Arbeitsgruppe, erläutert die Forderungen - und ihre eigene Haltung zur PID.

Die Furche: Sie haben sich 2004 in der Bioethikkommission für die begrenzte Zulassung der PID ausgesprochen. Kritiker warnen aber, dass etwa die diffuse Begrenzung auf Fälle mit "hoher Wahrscheinlichkeit für eine schwerwiegende Erbkrankheit“, wie sie in Deutschland formuliert wurde, einer Erweiterung Tür und Tor öffnet …

Maier: Ein konkreter Indikationenkatalog wäre aber diskriminierend. Menschen mit einer Behinderung oder Erbkrankheit wollen ihre Behinderung oder Krankheit natürlich nicht auf einer solchen Liste finden. Wie beim Fetozid (der Tötung eines Fötus im Mutterleib, der in Österreich bis zur Geburt straffrei ist, wenn "eine ernste Gefahr besteht, dass das Kind geistig oder körperlich schwer geschädigt sein werde”, Anm.), bei dem es auch keinen Indikationenkatalog gibt, sollte man auch bei der PID die Zweitmeinung eines ausgebildeten Kollegen einholen müssen.

Die Furche: Abgesehen von der PID: Wo sehen Sie im Bereich der künstlichen Befruchtung den größten Änderungsbedarf?

Maier: Das allerwichtigste wäre die Einführung eines transparenten Qualitätsmanagements. Die "Baby-Take-Home-Rate” (siehe Glossar), die auch über die Mehrlingsrate und den Zustand der Kinder nach assistierter Fortpflanzung Auskunft gibt, müsste auch in privaten Instituten ausgewiesen werden. Leider ist der Kinderwunsch bei Eltern oft so groß, dass die Risiken einer Mehrlingsschwangerschaft bei ihnen wie auch bei manchen Behandlern ausgeblendet werden. Nachdem die Allgemeinheit die Folgekosten dieser teuren Entwicklung im Sinn überhöhter Mehrlings- und Frühgeburtenraten trägt, muss man Regelungen schaffen. Zu sagen, der Markt wird sich schon selbst regeln, wäre unverantwortlich.

Die Furche: Um Mehrlingsschwangerschaften zu reduzieren, wird eine prinzipielle Beschränkung auf den "Single Embryo Transfer“ gefordert. Warum passiert das nicht längst?

Maier: Weil das Einsetzen von zwei oder drei Embryonen die Schwangerschaftsrate erhöht und reproduktionsmedizinische Institute mit einer möglichst hohen Schwangerschaftsrate werben wollen. Eine wirkliche Aussage zur Qualität der reproduktionsmedizinischen Arbeit erlaubt nur die Baby-Take-Home-Rate. Sie nicht zu erheben, zieht ein Glaubwürdigkeitsproblem nach sich.

Die Furche: Zuletzt hat ein Fall von Fünflingen nach Hormonbehandlung für Aufsehen gesorgt. Wie ist so etwas zu verhindern?

Maier: Hormonstimulationen sollten nur von kundigen Ärztinnen und Ärzten vorgenommen werden dürfen. Man muss per Ultraschall untersuchen, ob mehrere Eibläschen entstanden sind, und diesfalls von einer Insemination absehen oder dem Paar von einem Geschlechtsverkehr abraten. Unser Arbeitspapier fordert deshalb auch bessere ärztliche Schulungen.

Die Furche: Sie wollen die in Österreich verbotene Eizellspende zulassen, aber nur bei "freiwilligen, altruistischen Spenderinnen“, um Geschäftemacherei zu verhindern. Ist eine solche Eingrenzung nicht naiv?

Maier: Natürlich ist die Reproduktionsmedizin ein riesiges Geschäft, da braucht man sich keine Illusionen zu machen. Aber mit einer medizinrechtlichen Regelung ist eine Eingrenzung schon möglich.

Die Furche: Theoretisch könnte ein Kind im Rahmen künstlicher Befruchtung bis zu sechs biologische Elternteile haben. Wo liegt für Sie die Grenze des ethisch Vertretbaren?

Maier: Das wichtigste sind für mich die sozialen Eltern, also jene, die ein Kind aufziehen. Ein Embryozentrismus verunstaltet meiner Meinung nach die Debatten ideologisch. Wir verlieren dadurch das wichtigste aus dem Blick: die Kinder und ihre Eltern.

Die Furche: Carl Djerassi, Erfinder der "Pille“, träumt von einer Familienplanung, bei der sich Frauen sterilisieren, ihre Eizellen konservieren und diese - künstlich befruchtet - zu einem geeigneten Zeitpunkt einsetzen lassen. Wird Fortpflanzung künftig primär im Labor stattfinden?

Maier: Man muss zwischen solchen Szenarien und verantworteter Fortpflanzung schon noch differenzieren. Wenn der hochemotionale Komplex um Konzeption, Schwangerschaft und Geburt eines Kindes nicht mehr im ganzheitlichen Rahmen gelebter Partnerschaft, sondern nur noch auf technischen Schienen abläuft, dann wird das auch in unserem Menschsein etwas verändern. Die Reduktion auf technische Abläufe könnte schon die Gefahr einer gewissen Dehumanisierung in sich bergen.

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