Antreten zur Endkontrolle

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Die Empfehlung des deutschen Nationalen Ethikrats, die Präimplantationsdiagnostik zuzulassen, sorgt für Aufregung. Auch in Österreich steht eine Entscheidung bevor. Was fehlt, ist eine öffentliche Debatte.

Es kam wie erwartet: Donnerstag vergangener Woche sprach sich die Mehrheit des Nationalen Ethikrats in Deutschland für eine "streng begrenzte Zulassung" der Präimplantationsdiagnostik (PID) aus. Nach Meinung von 15 der 24 Mitglieder sollten Paare, deren Kinder wahrscheinlich an einer unheilbaren Erbkrankheit leiden würden, im Rahmen einer künstlichen Befruchtung Embryonen auf genetische Schäden testen - und gegebenenfalls verwerfen können.

Kein Votum, nur Argumente

Auch wenn die Mitglieder des von Kanzler Gerhard Schröder eingesetzten Gremiums betonten, dass ihre Empfehlung nicht als "Votum", sondern als bloße Sammlung von Pro- und Kontra-Argumenten zu verstehen sei: Der Aufschrei ließ nicht lange auf sich warten - zumal der zweite deutsche Ethikrat, die Enquête-Kommission des Bundestages, noch vor keinem Jahr die PID eindeutig verworfen hatte. Vor allem Behindertenverbände warnten vor einer "Abwertung aller, die nicht einer Norm' von gut', schön' oder nützlich' entsprechen". Auch Hans-Jochen Vogel, ehemaliger SPD-Vorsitzender und Mitglied von Schröders Ethikrat, warnte vor einer "qualitativen Steigerung der Verfügungsmacht über menschliches Leben". Die beiden ersten Artikel des Grundgesetzes würden den Embryo und seine Menschenwürde von der Befruchtung an schützen, weshalb eine Zeugung auf Probe unzulässig sei.

Anders die Sichtweise der PID-Befürworter: Auch bei der - längst erlaubten - Pränataldiagnostik (PND) komme es zu einer "Zeugung auf Probe". Dabei sei die Tötung eines Fetus nach einer PND "ein viel gravierenderer Vorgang als die Verwerfung' eines Embryos im 6- bis 10-Zell-Stadium."

Die Ratsmehrheit ging sogar noch einen Schritt weiter: Zusätzlich sollten Paare auch dann zu einem Gentest am Nachwuchs berechtigt sein, wenn die Testung und Auswahl der Embryonen zu einer höheren Erfolgsrate bei einer künstlichen Befruchtung und zu einer geringeren Zahl an Mehrlingsgeburten führen könnte.

Eine Empfehlung mit Folgen: So würde der Kreis der PID-Berechtigten von wenigen hundert auf bis zu 16.000 Paare pro Jahr steigen, warnte die stellvertretende Vorsitzende des Nationalen Ethikrats, Regine Kollek. Immerhin blieben bis zu vierzig Prozent aller 40.000 künstlichen Befruchtungen in Deutschland ohne Erfolg.

Selektion von Menschen

Kritische Stimmen zur deutschen Empfehlung kommen auch aus Österreich: "Die PID ist nichts anderes als die Perfektionierung der Selektion von Menschen - hier eben schon im Anfangsstadium", erklärt Birgit Primig-Eisner, Vorsitzende der Ethikkommission FÜR die Bundesregierung - ein Gremium aus Vertretern der Behindertenbewegung. Auch der Wiener Moraltheologe Günter Virt warnt vor einer Zulassung der PID. Werdende Menschen erhielten dadurch erst "nach Bestehen einer Endkontrolle" ihre Existenzberechtigung, betonte Virt im Rahmen der Tagung "An den Grenzen des Lebens" im Salzburger Bildungshaus St. Virgil. Der Vergleich der PID mit der Pränataldiagnostik sei nach Virt jedenfalls unzulässig: "Bei der Pränataldiagnostik befindet sich die Schwangere in einer Konfliktsituation, während die PID eine Selektion nach genetischen Mustern zulässt."

Zurückhaltender zeigt sich der Vorsitzende der Bioethikkommission der österreichischen Bundesregierung, Johannes Huber, zur Entscheidung der deutschen Kollegen: "Man muss das respektieren", erklärt er gegenüber der Furche. "Ich hoffe aber, dass der österreichische Ethikrat nicht in die eine oder andere Weise präjudiziert wird." Tatsächlich steht derzeit eine Stellungnahme zur Präimplantationsdiagnostik auf der Tagesordnung. Schon innerhalb der nächsten zwei Monate ist mit einem Papier zu rechnen.

Trotz der Virulenz des Themas läuft die bioethische Debatte in Österreich aber "nur auf Sparflamme", weiß der Moraltheologe Günter Virt. Nicht zuletzt deshalb wurde in St. Virgil die Idee des "ETHIK:RAT öffentlich" geboren: Ziel ist es, die Öffentlichkeit durch eine bessere Aufbereitung wissenschaftlicher Grundlagen für bioethische Fragen zu sensibilisieren und damit den seriösen, öffentlichen Diskurs zu fördern.

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