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Stottern und Bettnässen
Bundesweit geht jede dritte Ehe, die in den letzten zehn Jahren geschlossen wurde, in die Brüche. Davon betroffen sind jährlich über 14.000 Kinder unter 19 Jahren, Tendenz steigend. Fast jedes Kind zeigt unmittelbare Reaktionen auf die Trennung der Eltern. In einer Untersuchung (Anake Napp-Peters) wurde festgestellt, daß jedes dritte Kind an Trennungsängsten, Depressionen und Schuldgefühlen leidet. Jedes zehnte zeigt aggressives Verhalten, jedes fünfte reagiert mit psychosomatischen Störungen wie Bauchweh, Kopfweh oder Schlafstörungen.
Die Probleme der Kinder sind vom Alter abhängig. Kinder im Babyalter und Kleinkinder zeigen kaum Scheidungssymptome. Bei Zwei- bis Dreijährigen kann eine Trennung der Eltern zu Verhaltensauffälligkeiten wie Bettnässen und Stottern führen.
Besonders Vier- bis Sechsjährige leiden sehr unter der Trennung der Eltern. „In der Vorschulzeit wird die Geschlechtsidentität wahrgenommen. Der gegengeschlechtliche Elternteil wird für die Kinder in diesem Alter besonders zentral", erklärt der Wiener Kinderpsychologe Max Friedrich (siehe nebenstehendes Interview). Fehlt dieser Kontakt, können im Erwachsenenalter Probleme in der Partnerschaft auftauchen.
Auch während der Pubertät ist eine Trennung für die Kinder problematisch. „In dieser Phase findet ein Ablösen von der Familie statt. Die Jugendlichen sollten eigene Freunde finden, unabhängig werden und die Eltern hinter sich lassen", erläutert die Psychologin und Psychotherapeutin Eva Wiedermann. Das sei während einer Scheidung für die Jugendlichen aber fast nicht möglich, so Wiedermann und: „Das kann recht dramatische Folgen haben, die allerdings nicht so sehr sichtbar sind und leicht übersehen werden können."
Wie sich eine Scheidung langfristig auf Kinder auswirken kann, zeigt eine Studie des Münchner Pädagogen Wassilios Fthenakis: ■ Im Schnitt brauchen alle Kinder zwei Jahre, um sich der neuen Familiensituation anzupassen.
■ Bei einem Drittel der Scheidungskinder beeinträchtigt die Trennung der Eltern langfristig ihre Entwicklung.
■ Das Risiko, daß ein Kind mit geschiedenen Eltern (bis fünf Jahre nach der Scheidung) einem Psychologen oder Psychiater vorgestellt wird, ist bis zu viermal höher.
■ Nahezu zwei Drittel der Jugendlichen sind hinsichtlich der Möglichkeit eines Scheiterns der eigenen Ehe besorgt. Tatsächlich ist die Wahrscheinlichkeit eines Scheiterns der Partnerschaft erhöht. Resonders Mädchen haben Schwierigkeiten, sich fix an einen Partner zu binden.
Fthenakis weist in seiner Studie allerdings darauf hin, daß generell Konflikte zwischen den Eltern maßgeblich an den Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen der Kinder verantwortlich sind. Kinder aus Scheidungsfamilien mit geringem Konfliktniveau seien weniger auffällig als Kinder aus vollständigen Familien mit vielen Konflikten, so die Studie.
Die Autorin ist
freie Mitarbeiterin der Furche.
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